Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2010 > finanzen
Überhöhte Bonus-Zahlungen im Bankenbereich sind eine der Ursachen der Finanzkrise, darin war sich die Mehrheit der Experten in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Mittwoch, 9. Juni 2010, einig. "Die Vermutung, das Entstehen der Finanzkrise sei durch fehlgeleitete Vergütungssysteme begünstigt worden, ist mittlerweile auch durch erste wissenschaftliche Untersuchungen belegt“, sagte Prof. Dr. Christoph Kaserer (Technische Universität München) in der Anhörung zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunternehmen (17/1291, 17/1457).
Ziel des Gesetzentwurfes ist die Begrenzung der Boni-Zahlungen für Banker und Manager von Versicherungen. Details sollen in zwei noch zu erlassenden Rechtsverordnungen des Bundesfinanzministeriums geregelt werden. In der Anhörung ging es ebenfalls um einen Antrag der Linksfraktion (17/452), die eine Steuer auf die Boni in der Finanzbranche verlangt, und um einen Antrag der SPD-Fraktion (17/526), die die steuerliche Abzugsmöglichkeit überhöhter Boni-Zahlungen einschränken will.
Kaserer sagte weiter, Vergütungssysteme mit einer asymmetrischen Chancen-/Risikoverteilung (Hohe Boni bei Erfolg, bei Misserfolg keine Nachteile) hätten zu einer "exzessiven Risikobereitschaft bei Banken und anderen Finanzdienstleistern“ geführt.
Andererseits wies Kaserer aber darauf hin, dass es auch variable Vergütungssysteme mit positiver Wirkung gebe: "Umgekehrt kann man zeigen, dass der Einkommensanteil aus variablen Vergütungssystemen, die an die Aktienkursentwicklung gekoppelt sind, wodurch negative Kursentwicklungen auf das Vermögen des Managers durchschlagen, mit höheren Kernkapitalquoten einhergingen.“
Dr. Ulrich Thielemann vom Institut für Wirtschaftsethik der Universität St. Gallen erklärte, ohne die Boni-Systeme hätten Bankenmitarbeiter keinen Anlass gehabt, riskante Kettenverbriefungen vorzunehmen. Eine Begrenzung der variablen Vergütung ist laut Thielemann besser als eine nachträgliche Besteuerung. Auch eine Finanzaktivitätssteuer, die Boni und Banken-Gewinne erfassen würde, sei keine Alternative.
Prof. Dr. Udo Reifner vom Institut für Finanzdienstleistungen bemängelte, der Entwurf beschränke sich "auf die Selbstbeschädigung von Finanzinstituten durch überhöhte langfristige Risikoübernahme für kurzfristige Gewinnziele“. Zu dem in der Krise aber bedeutenderen Anleger- und Verbraucherschutz werde nicht beigetragen. So müssten Banker für Verbraucher schädliche Transaktionen vornehmen, weil die Vergütungssysteme dies verlangen würden.
Auch werde nichts dagegen getan, dass Bankmitarbeiter Bonuspunkte bekommen würden, "wenn sie Kunden betrügen“. Durch den Gesetzentwurf würden Eingriffsmöglichkeiten für Behörden geschaffen, ohne dass gesagt werde, was sie tun sollten. Aber ausgerechnet beim Verbraucherschutz habe sich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in der Vergangenheit nicht besonders hervorgetan.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi begrüßten den Gesetzentwurf grundsätzlich. Das unverantwortliche Renditerennen werde durch fragwürdige Anreiz- und Vergütungssysteme beflügelt, erklärte der DGB.
Beide Gewerkschaften forderten jedoch eine genauere Eingrenzung des Entwurfs, damit nicht in variable Gehaltsbestandteile, die durch Tarifverträge geregelt seien, eingegriffen werde. Das wäre "Tarifzensur“, warnte der DGB.
Nach Angaben von Verdi ist das Schadenspotenzial durch in Tarifverträgen geregelte Sonderzahlungen minimal. Es gehe dabei oft nur um ein paar Tausend Euro Sonderzahlungen. Diese Summen stünden in keinem Verhältnis zu den Vergütungen für ein Vorstandsmitglied der Deutschen Bank.
Auch Prof. Dr. Peter Hanau (Universität Köln) warnte vor einer "intensiven Tarifzensur“, wenn Tarifverträge in das Gesetz einbezogen werden würden.
Der Zentrale Kreditausschuss der deutschen Banken äußerte Bedenken, ob in bestehende Verträge von Bankern eingegriffen werden könne. Nach Ansicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) kann in bestehende Verträge dann eingegriffen werden, wenn die Boni noch nicht ausgezahlt worden sind. Das sei eine "unechte Rückwirkung“.
Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft wies darauf hin, im Bereich der Versicherungen habe es keine Probleme mit Vergütungssystemen gegeben. Das sei auch Ausfluss bereits seit Langem existierender Regelungen. Man fühle sich jetzt "zu Unrecht reguliert“.