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Der Gorleben-Untersuchungsausschuss hat am Donnerstag, 1. Juli 2010, den Vorwurf der politischen Einflussnahme auf Wissenschaftler direkt untersucht: Mit der Vernehmung des Zeugen Prof. Dr. Helmut Röthemeyer nahm genau jener Abteilungsleiter der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) Stellung, auf dessen damaligen Abschlussbericht 1983 zur Eignung Gorlebens als möglicher Standort für eine Endlagerung radioaktiver Abfälle sich der Verdacht der Einflussnahme konzentriert.
Röthemeyer erklärte den Umstand, dass nach seinem Zwischenbericht im Endbericht der Vorschlag nach einer Suche weiterer möglicher Standorte fehlte, so: "Ich habe dies in einem entsprechenden Gespräch am 11. Mai 1998 mit Ministeriumsvertretern als Weisung verstanden.“
Vertreter des Bundesinnenministeriums hätten entsorgungspolitische Gründe dafür angeführt: "Das war ein sehr hartes Gespräch.“ Auf seine Argumente sei man gar nicht eingegangen. Natürlich sei eine vergleichende Untersuchung von Wert: "Wir waren aber allein mit unserem Standpunkt.“
Eine politische Einflussnahme auf seinen Endbericht wies Röthemeyer jedoch zurück: "Es gab keine politischen Vorgaben im fachlichen sicherheitsmäßigen Bereich.“ Als Wissenschaftler habe er diese Entscheidung voll mitgetragen und sich niemals in seiner Unabhängigkeit beeinträchtigt gesehen.
Für die Frage, ob der Standort Gorleben für eine Endlagerung geeignet ist, sei diese Weisung völlig bedeutungslos gewesen. Den ursprünglichen Vorschlag, auch alternative Standorte zu erkunden, bettete Röthemeyer unter anderem in die damalige Annahme von 1983, dass weitaus mehr radioaktive Abfälle anfallen würden als es bis heute tatsächlich geschehen ist: "Vorsorglich wäre es zweckmäßig gewesen, andere Standorte zu erkunden.“
Einen veränderten Umgang mit Kabinettsvertretern seit der Regierungsübernahme der Koalition aus CDU/CSU und FDP unter Kanzler Dr. Helmut Kohl (CDU) 1982 habe er indes nicht in Erinnerung.
Im Bundestagswahlkampf 2009 hatte der damalige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) Unterlagen zur Genese des PTB-Berichts von 1983 veröffentlicht. "Das war historisch alles bekannt“, sagte Röthemeyer, "eigentlich uralte Kamellen.“ Über die Umstände des Berichts und die entsprechende Ministeriumsweisung habe er bereits in der Vergangenheit in öffentlichen Sitzungen des niedersächsischen Landtags und des Innenausschusses des Bundestages gesprochen: "Die gleiche Diskussion wie heute mussten wir 1983 durchstehen.“
Röthemeyer kritisierte des Weiteren Presseveröffentlichungen mit Aussagen von ihm, in denen er sich nicht vollständig wiedergegeben sah - so zum Beispiel sein Plädoyer für eine zügige Erkundung des Salzstocks von Gorleben: "Die positiven Ergebnisse passten wohl nicht zum Skandal-Szenario.“
Röthemeyer sagte, dass die Erkenntnisse in Bezug auf die Eignung Gorlebens stark gewachsen seien. Trotz des vielfältigen Geschehens innerhalb von 200 Millionen Jahren habe sich das Gestein im Salzstock praktisch nicht verändert. "Besser kann man es bei einem Salzstock nicht haben.“ Er schloss: "Gorleben könnte durchaus ungeeignet sein für eine Endlagerung. Aber wir wüssten es, wenn wir die Untersuchungen vorangetrieben hätten.“
Bundesministerien haben Einfluss auf den abschließenden Zwischenbericht der PTB über eine mögliche Eignung Gorlebens als Standort zur Endlagerung radioaktiver Abfälle genommen - dies sagte der damalige wissenschaftliche Angestellte der PTB, Dr. Heinrich Illi, als Zeuge vor dem Ausschuss aus.
Illi referierte vor allem über ein Gespräch zwischen Vertretern der PTB und der Regierung vom 11. Mai 1983, bei dem die Regierung sich für eine Streichung von Passagen eingesetzt habe; die Empfehlung, auch andere Standorte zu suchen, sollte in der endgültigen Fassung des Zwischenberichts nicht mehr erscheinen.
”Wir hatten diese Suche ursprünglich empfohlen, da wir nicht wussten, wie es unter Tage in Gorleben aussieht“, sagte Illi. ”Auch gingen wir zum damaligen Zeitpunkt von erheblichen Abfallmengen aus." Illi hatte damals die Aufgabe, den Zwischenbericht zu koordinieren und vom Gespräch im Mai 1983 ein neunseitiges Protokoll angefertigt. ”Die gereizte und aggressive Stimmung ist mir in guter Erinnerung“, sagte er. ”Wir sind nicht freundlich angegangen worden.“
Fakt sei indes, dass die Weisung, auf die Empfehlung einer weiteren Suche zu verzichten, einen politischen und keinen faktisch-sicherheitsrelevanten Hintergrund gehabt habe. ”Man wollte den Atomkonflikt nicht irgendwohin treiben“, sagte Illi. ”Das haben die Beteiligten aber damals nicht so gesagt.“
Letztlich habe dieses Vorgehen für ihn kein Problem dargestellt, sagte Illi. Schließlich sei die PTB laut Atomgesetz nicht unabhängig gewesen, sondern habe entsprechend den Weisungen des zuständigen Ministeriums gehandelt.
Unzufrieden zeigte sich Illi darüber, dass das Bundesumweltministerium im September 2009 im Rahmen einer Internet-Publikation zur Gorleben-Entscheidung einen Brief Illis samt Adresse und Telefonnummer ins Netz gestellt habe. ”Das kann ich nicht gutheißen“, sagte er. Er habe daraufhin seine Telefonnummer geändert. Der Datenschutzbeauftragte habe ihm die Unrechtmäßigkeit bestätigt, das Bundesumweltministerium sich dafür bei ihm entschuldigt.
Grundsätzlich plädierte Illi dafür, die Aufgabe der atomaren Endlagerung aus der Diskussion um eine Kernkraftnutzung herauszulösen. Illi sagte: ”Eine Verlagerung der Endlagerungsfrage auf künftige Generationen ist unverantwortlich.“