Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2010 > Kurzarbeitergeld
Über eine Verlängerung der Kurzarbeitergeld-Regelung entscheidet der Bundestag am Donnerstag, 8. Juli 2010, nach 45-minütiger Aussprache voraussichtlich gegen 15.25 Uhr. Die Bundesregierung hat dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem sie gleichzeitig auch andere arbeitsmarktpolitische Regelungen vorerst weiterführen möchte. Ebenfalls zur Abstimmung stehen drei Oppositionsentwürfe: Darin fordert die SPD zahlreiche Änderungen bei Arbeitsmarktinstrumenten, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen setzen sich für eine Entfristung der freiwilligen Arbeitslosenversicherung für Selbstständige ein.
Der dem Bundestag vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/1945) zielt darauf, die Kurzarbeitergeld-Regelung verlängern. Diese habe den deutschen Arbeitsmarkt stabilisiert und verhindere nach wie vor Arbeitslosigkeit in größerem Umfang, so die Begründung der Bundesregierung. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat dazu eine Beschlussempfehlung vorgelegt (17/2454).
Konkret geht es darum, die wesentlichen Erstattungsregelungen der Sozialversicherungsbeiträge bei Kurzarbeit, die Erleichterungen der gesetzlichen Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld sowie die Gleichstellung von Konjunktur- und Saisonkurzarbeitergeld fortführen. Aber auch die Regelungen zur Förderung der Teilnahme an Transfermaßnahmen und des Transferkurzarbeitergeldes sollen verbessert werden, um die Auswirkungen von Personalabbau in Zeiten der Wirtschaftskrise und des Strukturwandels abzufedern.
Gleichzeitig trifft der Gesetzentwurf weitere arbeitsmarktpolitische Regelungen: So soll es für Auslandsbeschäftigte und arbeitslose Existenzgründer weiterhin möglich sein, in der Arbeitslosenversicherung ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag einzugehen.
Darüber hinaus plant die Bundesregierung, einige bislang befristete Arbeitsmarktinstrumente noch einmal zu verlängern. Dabei handelt es sich um die Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer, den Eingliederungszuschuss für Ältere, die Weiterbildung beschäftigter älterer Arbeitnehmer in kleinen und mittleren Unternehmen, die erweiterte Berufsorientierung sowie den Ausbildungsbonus bei Insolvenz. 2011 sollen nach dem Willen der Bundesregierung dann allerdings sämtliche Arbeitsmarktinstrumente auf den Prüfstand gestellt werden.
Auch die SPD strebt Änderungen bei den Arbeitsmarktinstrumenten an: In ihrem Antrag fordert sie unter anderem eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes (17/2321). Aber auch für Transfergesellschaften, bei der Alten- und Krankenpflegeausbildung und der Freiwilligen Arbeitslosenversicherung wollen die Sozialdemokraten neue Regelungen eingeführen.
So plädieren sie dafür, zeitlich befristete Regelungen etwa im Bereich der Übernahme von Weiterbildungskosten aufzuheben. Das Kurzarbeitergeld solle zudem evaluiert werden. Bei den Transfergesellschaften müsse ein Verfahren zur Zertifizierung gesetzlich verankert werden, fordern die Abgeordneten. Auch die Zahlung von Transfer-Kurzarbeitergeld soll von der Vereinbarung gewisser Mindeststandards im Transfer-Sozialplan abhängig gemacht werden. Darüber hinaus will die SPD-Fraktion den Eingliederungszuschuss für Ältere und die Regelung zum Vermittlungsgutschein verlängern.
Die Initiativen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen zielen auf eine Entfristung der freiwilligen Arbeitslosenversicherung für Freiberufler und Selbständige. Die Linke hat dazu einen Gesetzentwurf im Bundestag eingebracht, mit dem sie die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung beibehalten will (17/1141).
Ohne eine Entfristung würde nämlich die seit Februar 2006 bestehende Regelung zum Ende des Jahres 2010 auslaufen. Selbstständige könnten sich dann nicht mehr - wie vorher - unter bestimmten Bedingungen freiwillig in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung versichern.
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat am Mittwoch, 7. Juli, dem "Beschäftigungschancengesetz“ zugestimmt. Dafür stimmten von Union und FDP, dagegen Bündnis 90/Die Grünen und die SPD, die Linksfraktion enthielt sich.
Vertreter der Union sahen sich durch die Anhörung zum Gesetzentwurf am 5. Juli bestätigt, dass das Gesetz und kleinere Änderungen, die im Änderungsantrag zuvor durch den Ausschuss angenommen worden waren, "der richtige W" seien. Vor allem die Verlängerung der Kurzarbeitergeld-Regelung sei "das richtige Instrument, um die Wirtschaftskrise gut zu überstehen“.
Als Ergebnis der Anhörung sei die Möglichkeit des Vermittlungsgutscheins nun noch einmal um ein Jahr verlängert worden, sodass auch dies in die von der Regierung geplante Überprüfung aller Arbeitsmarktinstrumente im kommenden Jahr mit einbezogen werden könne, hieß es bei der Union. Ein Vertreter der FDP nannte die Verlängerung der Kurzarbeitergeld-Regelung "maßvoll und richtig“ und betonte, es mache wenig Sinn, bestimmte arbeitsmarktpolitische Instrumente dieses Jahr auslaufen zu lassen, wenn im Jahr 2011 die Evaluation anstehe.
Dass die Antragsfrist für Selbstständige, die sich freiwillig über die Arbeitslosenversicherung versichern wollen, auf drei Monate ausgeweitet werde, sei eine "gute Verbesserung“, hieß es bei der FDP. Auch habe die Anhörung ergeben, dass der von der Opposition kritisierte Anstieg der Beiträge für diese Versicherten "maßvoll und im vernünftigen Rahmen“ sei.
Kritik an dem Gesetzentwurfkam von der Opposition. Zwar begrüßten SPD, Grüne und Die Linke grundsätzlich die Verlängerung der Kurzarbeitergeld-Regelung. Die SPD forderte jedoch die gänzliche Entfristung der Regelung; ein entsprechender Antrag (17/2321) wurde jedoch von der Mehrheit des Ausschusses abgelehnt. Sie bedaure das "Hick-Hack in der Koalition um das Kurzarbeitergeld“, sagte eine Abgeordnete der SPD-Fraktion. Sie befürchte, dass es durch den Zeitverzug bereits zu Kündigungen gekommen sei.
Die geplanten Regelungen zu den Transfergesellschaften würden zu erheblichen Problemen in der Praxis führen. Die SPD-Fraktion bezweifelte etwa, dass die Bundesagentur für Arbeit, die beim Profiling der in eine Transfergesellschaft zu überführenden Mitarbeiter beteiligt werden soll, diese Aufgabe in der Kürze der Zeit hinbekommen könne.
Eine Vertreterin der Linksfraktion betonte, sie habe "Bauchschmerzen“, wenn in der Arbeitslosenversicherung abgesicherte Selbstständige "den vierfachen“ Beitrag zahlen müssten und kritisierte die Verlängerung der Vermittlungsgutschein-Regelung. Die Anhörung habe ergeben, dass 50 Prozent der auf diese Weise vermittelten Arbeitslosen nicht länger als sechs Monate beschäftigt seien.
Eine Vertreterin der Grünen-Fraktion kritisierte, dass das konjunkturelle Kurzarbeitergeld nicht an Qualifizierungsmaßnahmen gebunden sei. Der Anstieg der Beiträge für versicherte Selbstständige sei der "Dolchstoß“ für diese Regelung, damit werde diese "praktisch kaputt gemacht“.
Das gleiche Ziel wie die Linksfraktion verfolgen auch die Bündnisgrünen mit einen eigenen Antrag (17/1166): Selbstständige sollen auch nach Jahresende freiwillig in der Arbeitslosenversicherung bleiben können. Allerdings fordert die Fraktion nicht nur die Entfristung der bisherigen Regelung, sondern auch eine Öffnung für die Selbstständigen, die direkt nach einem Ausbildungs- oder Hochschulabschluss oder aus dem Grundsicherungsbezug heraus ihr Unternehmen gründen.
Diesen Vorstoß begründen die Grünen damit, dass "prekäre und risikoreiche Beschäftigungsformen" zunähmen. Immer mehr Menschen gründeten aus der Arbeitslosigkeit heraus ihr eigenes Unternehmen. Zudem nehme der Wechsel zwischen Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung zu, oft auch unterbrochen von Phasen der Arbeitslosigkeit. Vor allem Selbstständige ohne Mitarbeiter unterlägen "einem hohen Armuts- und Beschäftigungsrisiko", heißt es im Antrag.
Beide Oppositionsinitiativen zur Arbeitslosenversicherung fanden jedoch bei der Beratung im Ausschuss für Arbeit und Soziales keine Mehrheit: In seiner Beschlussempfehlung an das Plenum rät der Ausschuss, den Gesetzentwurf der Linksfraktion und den Antrag der Grünen abzulehnen (17/1636). Abstimmen wird der Bundestag auch über einen Entschließungsantrag der Linken (17/2463) zum Regierungsentwurf.