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Die gesetzlichen Krankenkassen haben den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (17/2413) grundsätzlich begrüßt. In einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses am Mittwoch, 29. September 2010, sprach der Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), Johann-Magnus von Stackelberg, von "einem Schritt in die richtige Richtung“. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann, fügte hinzu, er unterstütze "nachdrücklich“, dass sich die Preisbildung neuer Medikamente künftig stärker am belegten therapeutischen Nutzen orientieren soll.
Zugleich warnten beide die Koalition, mit geplanten Änderungsanträgen das Einsparziel des Gesetzentwurfs zu gefährden. Die Änderungsanträge machten den Nutzen des Gesetzes "eher fragwürdig“, sagte Stackelberg auf eine Frage der Fraktion Die Linke.
Er bezog sich unter anderem auf den Plan von Unions- und FDP-Fraktion, die Kriterien und Methoden der Nutzenbewertung nicht dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu übertragen, sondern per Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums zu regeln.
Graalmann kritisierte, dass die private Krankenversicherungen künftig an den Sonderkonditionen und Verhandlungsergebnissen der gesetzlichen Krankenkassen teilhaben sollen. Grundsätzlich skeptisch äußerten sich die GKV-Vertreter auch zu dem Vorhaben der Koalition, das Kartellrecht auf die gesetzlichen Krankenkassen anzuwenden.
Unterstützt wurden sie in dieser Haltung auf Nachfrage der SPD-Fraktion vom Regensburger Rechtsprofessor Dr. Thorsten Kingreen, der die Neuregelung für "unvereinbar“ mit EU-Recht einstufte. Dem widersprach auf Fragen der FDP-Fraktion der Direktor des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht, Professor Dr. Helge Sodan. Die Anwendung des Kartellrechts sei "unbedingt erforderlich“, betonte Sodan.
Breiten Raum in der Anhörung nahm ein Änderungsantrag ein, wonach der G-BA, also das oberste Entscheidungsgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen, die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels nicht mehr wegen eines fehlenden Nutzennachweises ausschließen darf. "Das dürfen Sie uns nicht aus der Hand schlagen“, unterstrich der G-BA-Vorsitzende Rainer Hess.
Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) und der GKV-Spitzenverband warfen sich gegenseitig vor, künftig ihre "Stellung als Monopolist“ bei den Preisverhandlungen ausnutzen zu wollen. Die vfa-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer sagte, dem GKV-Spitzenverband werde es nur um die Höhe der Erstattungsbeträge, nicht um die Sicherheit der Patienten gehen.
Hingegen sagte der Vizevorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Wolfgang Kaesbach, "faire Erstattungsverhandlungen“ seien mit dem vfa "kaum vorstellbar“.
Die schwarz-gelbe Koalition strebt mit einer Neuordnung des Arzneimittelmarktes jährliche Einsparungen bei den gesetzlichen Krankenkassen in Milliardenhöhe an. Allein bei neuen Medikamenten, zu denen es keine therapeutischen Alternativen gibt, soll die Entlastung 1,7 Milliarden Euro betragen.
Wie aus dem Gesetzentwurf hervorgeht, soll die pharmazeutische Industrie künftig den Nutzen neuer Arzneimittel nachweisen und den Preis, den sie dafür von den Kassen erstattet bekommt, mit diesen aushandeln.
Der Anhörung lagen auch die Anträge der SPD-Fraktion (17/1201), der Fraktion Die Linke (17/2322, 17/2324) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/1985, 17/1418) zugrunde. (mpi)