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Laute und leise Töne wechselten sich ab, als die Abgeordneten in der Aktuellen Stunde am Mittwoch, 1. Dezember 2010, im Deutschen Bundestag nach Heiner Geißlers Schlichterspruch am Vortag zu Stuttgart 21 über die möglichen Nachbesserungen im Rahmen von "Stuttgart 21 plus" stritten, während andere in ihrer Nachbetrachtung der Ereignisse eine bemerkenswerte Nachdenklichkeit und Selbstkritik an den Tag legten und anregten, aus den Ereignissen zu lernen und die Bürger in ähnliche Großprojekten künftig stärker einzubeziehen.
Thomas Strobl (CDU/CSU), der die Aktuelle Stunde eröffnete, bezeichnete die Schlichtungsrunden als "Erfolg unserer Demokratie". Dabei hob Strobl insbesondere Heiner Geißlers Leistung als Schlichter hervor. Dafür verdiene er "unseren Respekt und herzlichen Dank".
Doch habe das Land nicht nur von der Person Geißler gelernt, sondern auch vom Prozess der Schlichtung selbst. "Einen Kommunikationsgau wie bei Stuttgart 21 darf es nie wieder geben", mahnte Strobl. Die Vorschläge, die nun zur Nachbesserung von Stuttgart 21 auf dem Tisch lägen, müssten sorgfältig geprüft werden. Zukünftig müssten Planungsverfahren zudem unter breiterer Bürgerbeteiligung unter dem Motto "Beteiligung und Beschleunigung" stattfinden, so Strobl weiter.
Gleichzeitig griff er SPD und Grüne für ihre Kritik am Schlicherspruch an. Es gehe nicht, dass diejenigen, die zuvor Geißler als Schlichter ins Gespräch gebracht hätten, nun an diesem herummäkelten. Die Grünen seien eben eine "Dagegen-Partei", sagte Strobl.
Gegen diesen Vorwurf verwahrte sich Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen). "Wir sind in diesem Fall gegen etwas, weil wir für etwas Besseres sind: Wir sind gegen das mistige Konzept von Stuttgart 21 und für das bessere Konzept K 21", sagte Hermann und bezog sich auf das alternative Konzept der Stuttgar-21-Gegner für einen modernisierten Kopfbahnhof in Stuttgart, "K 21“.
Zudem legte er Wert auf den Umstand, dass Geißler nicht an Stuttgart 21 festhalte, weil es besser, sondern weil es "schon so weit fortgeschritten sei". Geißler befürworte einzig "Stuttgart 21 plus", das viele sinnvolle Verbesserungsansätze beinhalte. "Nur - wenn alle Verbesserungen ernst genommen würden, stellt sich die Frage: Wer soll das bezahlen?" Es müsste, so Hermann, in diesem Fall ein komplett neues Planfeststellungsverfahren beginnen und eine "neue Rechnung aufgemacht werden". Vieles sei schlicht nicht finanzierbar, und das Projekt in seiner Form verkehrlich und wirtschaftlich nicht sinnvoll.
Christian Lange (SPD) stellte ebenfalls die Finanzierbarkeit des Milliardenprojekts in Frage und mahnte die Regierungskoalition und die Bahn, nicht auf Zeit zu spielen und den Schlichterspruch zu unterlaufen und etwa den nach der Schlichtung vorgesehenen Stresstest, der maßgeblich über eine Nachbesserung des Projekts entscheidet, über den 27. März hinauszuzögern.
"Die Erkenntnisse müssen noch vor der Wahl auf den Tisch", sagte Lange und forderte, die Menschen "nicht noch einmal zu täuschen" und ihnen klar zu sagen, ob Mehrkosten entstehen. Zudem kritisierte er, Heiner Geißler habe die Chance versäumt, durch eine Volksabstimmung eine Brücke zwischen beiden Seiten zu bauen.
Drastischer drückte Sabine Leidig (Die Linke) ihre Enttäuschung über das Ergebnis der Schlichtungsrunden aus. "Die Leute fühlen sich nun beschissen, nachdem sie monatelang auf die Straße gegangen sind." Obwohl Stuttgart 21 ein "schlechtes und viel zu teures Projekt" sei, habe Geißler am Ende dennoch seine Umsetzung befürwortet.
Unter anderem auch, weil die Deutsche Bahn andernfalls mit Klagen gedroht habe. Dies sei ein demokratischer Skandal. "Wenn die Macht immer am längeren Hebel sitzt, dann ist die Demokratie verloren", rief Leidig und kündigte gleichzeitig an: "Wir werden weiter auf die Straße gehen." Der Souverän sei das Volk und nicht Heiner Geißler, "und schon gar nicht die Bahn.“
Demgegenüber bemühte sich Patrick Döring (FDP), mehr Ruhe in die Debatte zu bringen. Es sei nun klug, sich nach diesem langwierigen Schlichtungsprozess nicht "unbelegte Fantasiezahlen“ zu eigen zu machen, sagte er an die Adresse der Opposition. Es sei auch nicht angemessen, kaum dass die Schlichtung zu Ende sei, zu verlangen, "jetzt und sofort" alles zu prüfen.
Die Verbesserungsvorschläge würden nun eine sorgfältige und gewissenhafte Prüfung durchlaufen. "Wir gehen verantwortungsbewusst mit diesem Verfahren um", betonte Döring. An die SPD gewandt, kritisierte er mit Blick auf die Forderung der Sozialdemokraten nach einer Bürgerbefragung, von einem ehemaligen "verdienten Kollegen", wie es Geißler sei, Dinge zu verlangen, die unrechtmäßig sind, werde dem Schlichter und seiner Leistung nicht gerecht.
Döring mahnte gleichzeitig an, aus dem Schlichtungsverfahren und von Stuttgart 21 im Allgemeinen zu lernen. Künftig könne er sich vorstellen, bei größeren Infrastukturprojekten Bürgerbefragungen durchzuführen, ähnlich wie etwa in der Schweiz. Diese müssten jedoch vor dem Planfeststellungsverfahren stattfinden. Der offene Dialog mit dem Bürger dürfe nicht gescheut werden. (jmb)