Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2011 > Enquete Wachstum
Eine kritische Debatte über den Wachstumsbegriff hat den Auftakt der ersten öffentlichen Arbeitssitzung geprägt, zu der die neue Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" am Montag, 14. März 2011, zusammenkam. Zu den Schwer- punkten der wissenschaftlich geprägten Diskussion, geführt vorwiegend von den 17 berufenen Sachverständigen, gehörte die kontrovers erörterte Frage, wie sich die zunehmende Alterung der Gesellschaft auf die Wirtschaftsleistung auswirkt.
Während etwa der Experte Prof. Dr. Henrik Enderlein in diesem demografischen Faktor eine Ursache für künftig geringere Wachstumsraten ausmachte, äußerten sich andere Stimmen optimistischer: Die älteren Generationen der Zukunft könnten anders als in früheren Zeiten durchaus innovative Beiträge zum ökonomischen Fortschritt leisten.
Die Enquete-Kommission hat die Aufgabe, das rein ökonomisch und quantitativ ausgerichtete Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Messgröße für gesellschaftliches Wohlergehen weiterzuentwickeln und um etwa ökologische, soziale und kulturelle Kriterien zu ergänzen. Die Arbeit der 17 Abgeordneten und 17 Sachverständigen soll in die Definition dessen münden, was als qualitatives Wachstum gelten kann.
Sich abflachende BIP-Raten oder gar ein Sinken der Wirtschaftsleistung stufte Enderlein auch als Folge der künftig sinkenden Zahl von Berufstätigen ein, deren Rückgang mit der Alterung einhergeht. Denkbar sei es, diesem Trend durch eine Steigerung der Produktivität und durch eine Erhöhung der Erwerbstätigenquote entgegenzuwirken - etwa durch Zuwanderung oder durch die Integration einer größeren Zahl von Frauen in den Arbeitsmarkt.
Aus Sicht des Sachverständigen Norbert Reuter dürfte eine Kompensierung rückläufiger Wachstumsraten durch mehr Produktivität von einer Ausweitung des Dienstleistungssektors abgeschwächt werden, der eine geringere Produktivität als die Industrie aufweise. Im Blick auf die Alterung der Gesellschaft erklärte der Experte Prof. Dr. Meinhard Miegel, vom 45. Lebensjahr an seien die Leute anders als Jüngere weniger daran interessiert, einen Beitrag zur Steigerung der Wirtschaftskraft zu leisten.
Solchen Thesen widersprachen andere Sachverständige. Wie Prof. Dr. Kai Carstensen betonte auch Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué, dass eine alternde Gesellschaft durchaus innovativ sein könne. In früheren Epochen habe sich die ältere Generation auf die vielen Jungen verlassen können, weswegen Ältere wenig Anreize zu einem wirtschaftlichen Engagement verspürt hätten. Dies stelle sich in Zukunft jedoch anders dar. Für Prof. Dr. Christoph Schmidt ist eine Antwort auf die unsicheren Wachstumsraten der Zukunft, sich um eine Steigerung des Innovationspotenzials Älterer zu bemühen
Grundsätzlich warnte Paqué davor, die ökonomischen Risiken einer sinkenden Bevölkerungszahl überzubewerten. So stehe dieser Tendenz entgegen, dass auch der wirtschaftliche Bedarf zurückgehe, "da weniger Mäuler zu stopfen sind“.
Die Abgeordnete Kerstin Andreae (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte diese These mit dem Hinweis, dass der wachsende Anteil Älterer in der Gesellschaft die Kosten für entsprechende Versorgungsmaßnahmen explodieren lassen werde.
Paqué konterte, zwar würden sich die Ausgaben für das Gesundheitssystem erhöhen, doch sei dies nicht nur negativ zu sehen, da sich dieser Sektor seinerseits zu einem Wachstumsmotor entwickeln könne. (kos)