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Rund 23 Millionen Bürgerinnen und Bürger, dies entspricht einem Drittel der Bevölkerung über 16 Jahren, engagieren sich in Deutschland bürgerschaftlich: in Verbänden, Vereinen und Jugendorganisationen, in Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Bürgerinitiativen, in sozialen Hilfsdiensten oder bei den freiwilligen Feuerwehren.
Ohne dieses Engagement seiner Bürger, darin waren sich die Vertreter aller Bundestagfraktionen am Donnerstag, 12. Mai 2011, einig, wäre der Staat längst nicht mehr fähig, alle gesellschaftlichen Aufgaben zu erfüllen.
Uneinigkeit herrschte zwischen Koalition und Opposition in der rund einstündigen Debatte darüber, wie das bürgerschaftliche Engagement weiterentwickelt und gestärkt werden soll. Grundlage der Aussprache war die Antwort der Bundesregierung (17/5135) auf eine Große Anfrage der SPD-Fraktion (17/3712).
Aus Sicht der Oppositionsfraktionen SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen verengt die Bundesregierung ihren Blick zu stark auf die Freiwilligendienste der Länder - etwa das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) und Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) - und den neu geschaffenen Bundesfreiwilligendienst. Die Koalitionsfraktionen hingegen bewerteten die Stärkung der Freiwilligendienste als großen Erfolg.
Rund 350 Millionen Euro stelle die Bundesregierung für die Freiwilligendienste zur Verfügung, führte der CDU-Abgeordnete Markus Grübel, Vorsitzender des Unterausschusses "Bürgerschaftliches Engagement", an. So viel Geld habe noch nie zur Verfügung gestanden.
In Zukunft gebe es 35.000 Plätze im Bundesfreiwilligendienst und weitere 35.000 Stellen bei den anderen Freiwilligendiensten.
Grübel kündigte an, dass Freiwillige unter 25-Jahren im Bundesfreiwilligendienst analog zu den anderen Diensten Kindergeld erhalten sollen.
Dies werde "zeitnah“ über die Steuergesetzgebung geregelt. Die Regierungskoalition werde die "Nationale Engagementstrategie“ , die das Bundeskabinett im Oktober 2010 beschlossen hatte, auch in diesem Jahr weiterentwickeln, Engagementpolitik sei "kein abgeschlossener Prozess“.
Doch an der "Nationalen Engagementstrategie“ der Regierung entzündete sich die mitunter schärfste Kritik der SPD-Fraktion. Diese sei, so argumentierten die Abgeordneten Ute Kumpf und Sönke Rix, weitestgehend nur eine Ansammlung von bereits bestehenden Initiativen, die bereits in der Zeit der Großen Koalition vor allem auf Betreiben der Sozialdemokraten auf den Weg gebracht worden seien.
Es fehle aber an einer Gesamtstrategie, monierte Kumpf. Bürgerschaftliches Engagement sei nicht allein über die Freiwilligendienste der Länder und den Bundesfreiwilligendienst zu organisieren. Gute Projekte wie der Freiwilligendienst aller Generationen würden von der Regierung nicht weitergeführt, sondern gingen nun im Bundesfreiwilligendienst auf.
Die einseitige Konzentration auf die Freiwilligendienste stehe zudem im Widerspruch zu dem Argument der Regierungskoalition, dass bürgerschaftliches Engagement nicht verstaatlicht werden dürfe. Zudem stehe noch immer das angekündigte und überfällige Freiwilligendienstestatusgesetz aus, das einheitliche Rahmenbedingungen und Rechtssicherheit für die Freiwilligen schaffen soll.
Der Unionsabgeordnete Klaus Riegert wies diese Kritik zurück und argumentierte, die ständig von der Opposition geforderten neuen Gesetze sorgten nur für noch mehr Bürokratie.
Der FDP-Parlamentarier Florian Bernschneider hielt der SPD entgegen, dass sie es in ihrer Regierungszeit selbst nicht geschafft habe, das Freiwilligendienstestatusgesetz auf den Weg zu bringen. Die Koalition werde dies wie angekündigt nun nachholen.
Zudem habe die Regierung bereits die Rahmenbedingungen für die Freiwilligendienste angeglichen. Sein Fraktionskollege Heinz Golombeck widersprach dem Vorwurf, die Regierung konzentriere sich einseitig auf die Freiwilligendienste. So habe beispielsweise das Verkehrsministerium dafür gesorgt, dass Ehrenamtliche bei den Freiwilligen Feuerwehren zukünftig auch Fahrzeuge bis 7,5 Tonnen fahren dürfen.
Für die Fraktion Die Linke monierte der Parlamentarier Harald Koch, die Regierung tue zu wenig, um es auch den sozial Schwachen in der Gesellschaft zu ermöglichen, sich bürgerschaftlich zu engagieren.
Bürgerschaftliches Engagement dürfe aber "keine Frage des Geldbeutels“ sein. Es gehe nicht an, dass künftig Ehrenamtsentschädigungen wie Erwerbseinkommen behandelt und auf die monatliche Regelleistung für Erwerbslose angerechnet werden sollen.
Die Abgeordnete Britta Haßelmann (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte, die Debatte um das bürgerschaftliche Engagement werde von Seiten der Regierung "völlig leidenschaftslos“ und ohne Begeisterung geführt.
Zudem werde die aktuelle gesellschaftliche Diskussion über mehr Beteiligung der Bürger an politischen Entscheidungsprozessen - ausgelöst beispielweise durch die Auseinandersetzungen um das Bahnprojekt Stuttgart 21 - völlig ausgeblendet. (aw)