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Zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen Regierungslager und Opposition geriet am Mittwoch, 29. Juni 2011, eine von Bündnis 90/Die Grünen beantragte Aktuelle Stunde mit dem Titel "Auswirkungen der Steuersenkungspläne der Koalition auf die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen und auf die Schuldenbremse". Sie war aus der Antwort der Bundesregierung in der vorangegangenen Fragestunde auf die Fragen 1 und 2 der Bundestagsdrucksache 17/6273 hervorgegangen. Fritz Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen) und Joachim Poß (SPD) betonten, dass es für die von der Koalition avisierten Steuersenkungen angesichts von notwendigen Investitionen etwa in die Energiewende und von Etatrisiken keine finanziellen Spielräume gebe. Für die Unionsfraktion erklärte deren haushaltspolitischer Sprecher Norbert Barthle, die Haushaltskonsolidierung werde weiterhin Priorität haben.
Der Liberale Dr. Volker Wissing sagte, nötig sei ein gerechteres Steuersystem, auch sollten die Bürger am Aufschwung teilhaben. Für die Linksfraktion trat Dr. Dietmar Bartsch dafür ein, kleine und mittlere Einkommen zu entlasten und dies über eine stärkere steuerliche Heranziehung Vermögender zu finanzieren.
"Der Wahnsinn geht weiter": Derart kommentierte Kuhn die Steuersenkungspläne, die politisch vor allem der FDP nutzen sollten. Er warf den Liberalen vor, die Konsequenzen eines solchen Vorgehens nicht zu bedenken. Durch Steuersenkungen, so der Grünen-Abgeordnete, werde die Umsetzung der Schuldenbremse zerstört. Diese Regel könne nur funktionieren, wenn in wirtschaftlich guten Zeiten höhere Steuereinnahmen antizyklisch zur Schuldentilgung verwandt würden, um in konjunkturell schlechten Phasen finanzielle Spielräume zu haben.
Laut Kuhn weist der Haushalt für 2012 ein Defizit von 30 Milliarden Euro auf. Die Steuereinnahmen lägen immer noch unter dem Niveau aus der Zeit vor der Finanzkrise. Zudem werde der Etat durch die Mittel für den Euro-Schutzschirm und durch Investitionen in die Energiewende belastet.
Barthle erklärte, den Grünen werde es nicht gelingen, einen Keil zwischen Union und FDP zu treiben. Sie würden es auch nicht schaffen, beim Thema Schuldenbremse die Glaubwürdigkeit der Koalition zu erschüttern. Heute würden sogar weniger Kredite aufgenommen als nach der Schuldenregel eigentlich erlaubt seien.
Union und FDP sei es gelungen, die Neuverschuldung unter 30 Milliarden Euro zu senken, so der CDU-Abgeordnete: "Wenn jemand den Haushalt konsolidieren kann, dann ist es diese Koalition." Barthle kündigte an, die Union und FDP würden eine Reform der "kalten Steuerprogression" in Angriff nehmen. Die sogenannte kalte Progression führt bei bestimmten Einkommen dazu, dass Zuwächse von der mitsteigenden Steuerbelastung aufgefressen werden. Diesem Prinzip wohnt laut Barthle "ein Stück Ungerechtigkeit" inne.
Poß kritisierte, in der Steuerpolitik veranstalte die Koalition "Klamauk" und eine "Gespensterdebatte". Bei der Steuersenkung gehe es um die "Rettung der FDP, und dies mit untauglichen Mitteln". Die Kanzlerin mache dabei aus Machtkalkül mit. Der SPD-Politiker beklagte, dass gegenwärtig "Haushaltsrisiken plötzlich keine Rolle mehr spielen".
Der Abgeordnete verwies zustimmend auf Äußerung von Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU), nach dessen Auffassung keine Spielräume für Steuersenkungen existierten und stattdessen erst einmal konsolidiert werden müsse. Auch habe Schäuble zu Recht erwähnt, so Poß, dass in Deutschland die Steuerbelastung unter dem Durchschnitt der Industrieländer liege.
Wissing warf Grünen und Linken "Scheinheiligkeit" vor, weil sie einst die Schuldenbremse abgelehnt hätten, heute aber das hohe Lied auf dieser Regel sängen. Der FDP-Politiker hielt der Opposition vor, von Einsparungen zu reden. In Nordrhein-Westfalen aber präsentiere Rot-Grün einen verfassungswidrigen Etat.
Die Liberalen "kämpfen um eine gerechtere Besteuerung der Beschäftigten", so der Abgeordnete. Auch betreibe die Koalition eine "Politik der Konsolidierung". Zudem habe man sich für die kommunale Ebene engagiert. Es sei jedoch "verantwortungslos", wie die Opposition die Bürger von der Teilhabe am Aufschwung ausschließen wolle.
Bartsch erklärte, in der Geschichte der Bundesrepublik habe noch keine Koalition in einer Legislaturperiode so viele Schulden angehäuft wie die jetzige Regierung. Auf den Haushalt, so der Abgeordnete der Linken, kämen noch viele Belastungen zu. Niemand habe etwas dagegen, bei kleinen und mittleren Einkommen die Steuern zu senken.
Die Linke sei auch bereit, an einer Reform der kalten Progression mitzuwirken. Allerdings sei es nötig, die Entlastungen für niedrigere Einkommen durch höhere Belastungen der Vermögenden zu finanzieren. Bartsch trat dafür ein, den Spitzensteuersatz anzuheben. Er kritisierte, dass die Koalition lieber bei der Städtebauförderung kürze statt bei Vermögenden "etwas abzuholen".
Für die Bundesregierung sagte Steffen Kampeter, mit dem Etatentwurf, der demnächst vorgelegt werde, wolle die Koalition ihre "wachstumsorientierte Politik fortsetzen" und überdies die Nettokreditaufnahme in den nächsten Jahren weiter zurückfahren. Die Konsolidierungspolitik schaffe Spielräume für neues Wachstum, so der parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.
Die momentan erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung dürfe nicht nur von vorübergehender Natur sein. Man müsse aber auch an eine Entlastung der Bürger denken. Der Opposition warf Kampeter vor, steuerpolitisch immer nur an zusätzliche Belastungen der Bürger zu denken. (kos)