Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2011 > Podiumsdiskussion: 25 Jahre IPS
"Bis zu meinem letzten Atemzug werde ich daran glauben", sagte Günter Verheugen auf die Frage, ob Austauschprogramme ein effektives Mittel zur Völkerverständigung sein können. Bei der Podiumsdiskussion zum 25. Geburtstag des Internationalen Parlaments-Stipendiums (IPS), moderiert von der ehemaligen Stipendiatin Hana Scharffova aus Tschechien und dem Mitbegründer des IPS-Programms, dem CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Börnsen, betonte der ehemalige EU-Kommissar Verheugen die Wichtigkeit von Austauschprogrammen.
Gerade erlebe Europa ein erneutes Aufflammen von Nationalismus. Initiativen wie das IPS könnten diesem Trend entgegenwirken. "In meiner Heimat treffe ich immer noch auf Menschen, die stolz darauf sind, noch nie in den Nachbarländern Polen oder Tschechien gewesen zu sein. Aber sie sind schnell dabei zu sagen, die Polen sind so und die Tschechen sind so", sagte Verheugen. Aus Austauschprogrammen könnten die Teilnehmer lernen, dass "Sätze, die mit 'Die Deutschen’ oder 'Die Franzosen’ anfangen, meistens falsch" seien.
Die Menschen lernten, eine andere Kultur in ihrer Andersartigkeit nicht als Bedrohung aufzufassen, sondern sie zu respektieren. Der aufflammende Nationalismus hänge mit einer "mangelnden Bereitschaft zur Begegnung" zusammen. "Ich habe deswegen immer alles unterstützt, was Begegnungen fördert", sagte Verheugen, der inzwischen Honorarprofessor an der Europa-Universität Viadrina ist.
Dr. Gunter Pleuger, Präsident der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder und ehemaliger Staatssekretär im Auswärtigen Amt, schloss sich Verheugens Meinung an. Wer andere Kulturen kenne, der wisse auch, wie er beispielsweise in schwierigen Verhandlungen helfen könne.
Vladimir Esipov, Chefredakteur der Zeitschrift GEO in Russland und IPS-Stipendiat von 1998/99, hob hervor, dass er von seinem Aufenthalt im Bundestag mitgenommen habe, "wie Politik auch anders gehen kann". Er nannte ein Beispiel zur Völkerverständigung. Eine russische Mitstipendiatin habe ihn zu Beginn des Programms vor den amerikanischen Kollegen gewarnt. Denn die Amerikaner hätten geplant, Russland zu zerstören und die Russen zum Katholizismus zu bekehren.
"Nach fünf Monaten ist die zum Abschied allen Amis um den Hals gefallen und hat gesagt, sie hätte nicht gedacht, dass Amerikaner so nett sind", schloss Esipov.
Witold Stankowski, Professor für Europakunde an der Jagiellonen Universität Krakau und Stipendiat von 1996/97, sagte, der Aufenthalt in Deutschland sei "sehr tief in meinem Herzen geblieben". Sein Vater habe in der Zeit zwischen den Kriegen das Lehrerseminar in Danzig besucht. Während der Nazizeit seien fast alle Lehrer umgebracht worden. Sein Vater aber wurde von einer deutschen Familie gewarnt.
Nach dem Krieg habe ihn eine ehemalige deutsche Schülerin besucht. Über sie sei der Kontakt nach Deutschland entstanden. Inzwischen habe er über die Vertreibung der Deutschen aus Polen geforscht, in beiden Ländern.
Zum Abschluss verabschiedeten die Stipendiaten eine Resolution. Sie bedankten sich beim Deutschen Bundestag für die Möglichkeit, seine Arbeit unmittelbar kennenlernen zu dürfen. Die Teilnehmer drückten ihren Wunsch aus, dass diese Chance auch deutschsprechenden Hochschulabsolventen aus arabischsprachigen Ländern eingeräumt werde.
Als wünschenswert bezeichneten sie vergleichbare Partnerprogramme, bei denen Deutsche ausländische Parlamente kennenlernen könnten. Die Stipendiaten stellten einen neuen Verein, den Internationalen Alumni-Club, vor. Die Mitglieder verpflichten sich zu aktiver politischer Teilhabe in ihrem Heimatland. (ske)