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Unter dem Eindruck der Euro-Krise haben sich Spitzenvertreter der schwarz-gelben Regierungskoalition und der Opposition im Bundestag gegenseitig schwere Fehler in der Europapolitik vorgeworfen. In der Generaldebatte über die Politik der Bundesregierung begrüßten Politiker beider Seiten am Mittwoch, 7. September 2011, zugleich das kurz zuvor verkündete Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Euro-Hilfen. Damit hätten die Karlsruher Richter den von ihr verfolgten Weg bestätigt, sagte Regierungschefin Dr. Angela Merkel (CDU) in der ersten Lesung des Kanzleretats 2012.
Recht habe nicht derjenige, der "jeder Hilfsanfrage sofort nachgibt", sondern derjenige, der "den Weg zur Stabilitätsunion aufzeigt". Dazu brauche man "Solidarität und Eigenverantwortung", fügte die Kanzlerin hinzu. Zugleich erteilte sie sogenannten Eurobonds eine klare Absage. Eurobonds seien die "Vergemeinschaftung der Schulden" der beteiligten Staaten und der "Weg in die Schuldenunion". Diesen Weg werde die Bundesregierung nicht mitgehen.
Deutschland gehe es gut, doch könne die Bundesrepublik auf Dauer nicht erfolgreich sein, wenn es nicht auch Europa gut gehe, betonte Merkel. So wie Deutschland aus der Finanz- und Wirtschaftskrise gestärkt herausgekommen sei, müsse "jetzt auch Europa stärker aus der Krise herauskommen, als es hineingekommen ist". Dies sei die zentrale Aufgabe dieser Legislaturperiode.
Als Hauptproblem der Krise nannte die Kanzlerin die hohe Verschuldung einzelner Länder. Notwendig sei, nicht auf Kosten künftiger Generationen zu wirtschaften. Zu dieser Erkenntnis müssten alle Euro-Staaten gelangen.
Sie seien durch die gemeinsame Währung "untrennbar miteinander verbunden", doch besage die Rechtssituation zugleich, dass jedes Land seine Haushaltshoheit habe und seinen Etat mit nationalen Entscheidungen gestalten könne. Wenn man aber keinen Einfluss auf die nationalen Haushalte der Euro-Länder habe und dann mit der Forderung nach Eurobonds "die Schulden in einen Topf werfen" und die Zinssätze vergemeinschaften wolle, sei dies die falsche Antwort.
Merkel forderte zugleich Griechenland zu Strukturreformen auf und mahnte eine engere Zusammenarbeit in der Euro-Zone mit mehr Verbindlichkeit an. Um "ein Mehr an Verbindlichkeit" zu erreichen, dürften auch Vertragsänderungen kein Tabu sein.
SPD-Fraktionschef Dr. Frank-Walter Steinmeier warf der Koalition vor, sie habe in der Europa-Politik keine gemeinsame Linie. Die Regierung sei in der Euro-Krise immer mit sechsmonatiger Verzögerung auf die von der SPD vertretenen Linie eingeschwenkt. "Keine ihrer Botschaften hat länger als sechs Monate gehalten". Wenn die Regierung jetzt Eurobonds ablehne, dürfe sie sich nicht wundern, wenn das in der Öffentlichkeit als Ankündigung gemeinsamer Anleihen verstanden werde. Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) mache den Menschen etwas vor , wenn er Eurobonds in jeglicher Form ausschließe.
Steinmeier wandte sich zugleich gegen die Darstellung, dass die SPD für eine "unkonditionierte Einführung dieses Instruments"sei. Das gehe nur, wenn "Rückgriffsmöglichkeiten auf das Ausgabenverhalten jener Staaten bestehen, die es in Anspruch nehmen".
Um aus der Krise zu kommen, brauche man eine "klare Orientierung" und eine "Roadmap für eine Währungsunion, die diesen Namen wirklich verdient", fügte er hinzu. Während das europäische Schiff führungslos herumtreibe, komme von der Bundesregierung nur "dröhnendes Schweigen".
Dies gelte auch für die Regulierung der Finanzmärkte. Wenn es nicht gelinge, wieder Regeln an die Stelle von Regellosigkeit zu setzen, blieben "die Leute bei den Wahlen zu Hause". Dies gehe "an die Grundfesten der Demokratie.
Der Vorsitzende der Linksfraktion, Dr. Gregor Gysi, sagte, man habe es mit einer "Systemkrise" und "Diktatur der Finanzmärkte" zu tun, ohne dass die Regierung die Kraft habe, etwas dagegen zu tun. Es sei höchste Zeit, eine öffentlich-rechtliche Ratingagentur in Europa zu schaffen.
Zudem müssten die Banken auf ihre eigentliche Funktion als Dienstleistungsunternehmen zurückgeführt werden. Die großen privaten Banken müssten "dezentralisiert und öffentlich-rechtlich" gestaltet werden. Auch würden Eurobonds den Euro stabilisieren, betonte Gysi. Statt Kürzungen sei es das richtige Rezept für Griechenland wie für Deutschland, Löhne, Renten und Sozialleistungen anzuheben und für mehr Investitionen zu sorgen.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warnte Merkel davor, eine europäische Wirtschaftsregierung "im Mechanismus der Kungelei zwischen den Regierungschefs" beim Europäischen Rat anzusiedeln. Dies würde die Europamüdigkeit im Lande befördert. Eine europäische Wirtschaftsregierung dürfe nicht "in abgeschlossenen Hinterzimmern passieren". Sie müsse die nationalen Parlamente und das Europaparlament beteiligen und unter anderem darauf abzielen, dass man zu einer vernünftige Regulierung der Finanzmärkte komme.
Zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes sagte Trittin, dieses Urteil sei gut für Europa, "weil es den Weg frei macht, diese Krise europäisch zu lösen". Es sei auch ein gutes Urteil für die Rechte des Bundestages, weil es klarstelle, dass das Haushaltsrecht des Parlaments nicht in Frage gestellt werden dürfe.
Für die FDP-Fraktion lehnte ihr Vorsitzender Rainer Brüderle Eurobonds entschieden ab. Sie seien ökonomisch, politisch und rechtlich "ein Holzweg", sagte er. Europa brauche die "klare Konstruktion einer Stabilitätsgemeinschaft". Die Schuldenkrise zwinge zu mehr Koordinierung. Leider sei der Stabilitätspakt unter Rot-Grün "zerrissen" worden. Deshalb brauche man nun einen neuen Stabilitätspakt .
Brüderle sagte zudem, das griechische Verhalten sei "nicht in Ordnung". Athen müsse sich an die Vereinbarungen halten: "Ohne Leistung keine Gegenleistung - so einfach ist es", betonte der FDP-Fraktionsvorsitzende.
Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Volker Kauder, wandte sich gleichfalls gegen Eurobonds. Eine Vergemeinschaftung der Schulden führe "eben nicht die Staaten, die Schulden gemacht haben, auf den richtigen Weg", sagte er. Geld ohne Gegenleistung habe noch nie zur Besserung geführt. Die Botschaft, dass unabhängig davon, wie gewirtschaftet wird, eine Finanzierung zu einem bestimmten Zinssatz möglich sein soll, sei falsch. Nur durch die unterschiedlichen Zinsen werde "den betreffenden Ländern klar, dass sie handeln müssen", argumentierte er. (sto)