Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2011 > Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität
Umweltsteuern erhöhen und im Gegenzug Abgaben auf Arbeit verringern: Dieser Vorschlag gehört zu den zentralen Ideen, die von den Referenten aus den Reihen von EU, UNO und OECD am Montag, 19. September 2011, zum Auftakt der Sitzung der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" im Sinne einer Förderung von grünem Wachstum (Green Growth) unterbreitet wurden. Die Gremiumsvorsitzende Daniela Kolbe machte sich für die Entwicklung eines Wachstumsmodells stark, das ökonomische Prosperität mit dem Schutz der Umwelt in Einklang bringt. Auf diese Weise, so die SPD-Abgeordnete, könne der „diametrale Widerspruch" des bisherigen Wirtschaftskonzepts aufgelöst werden, bei dem Wachstum zulasten von Ökologie und Nachhaltigkeit gehe.
Karl Falkenberg warnte bei seiner Erläuterung der EU-Wachstumsstrategie „Europa 2020" davor, bis zum Jahr 2050 den bisherigen Trend beim Ressourcenverbrauch angesichts des zu erwartenden Bevölkerungswachstums auf neun Milliarden Menschen samt einem großen Konsumnachholbedarf in der Dritten Welt fortzusetzen. „Auch nachwachsende Generationen müssen noch auf dem Planeten leben können", mahnte der Leiter der Generaldirektion Umwelt bei der EU-Kommission.
Er bezeichnete die Stärkung der Kreislauf- und besonders der Abfallwirtschaft als wesentliches Element eines Umsteuerns. So könne man aus einer Tonne elektronischem Müll 150 Gramm Gold gewinnen, bei einer Tonne Erde aus einem Bergwerk seien es hingegen nur fünf Gramm. Falkenberg wandte sich gegen staatliche Subventionen für umweltschädliches Produzieren. Knappe Ressourcen solle man stärker, die Arbeit hingegen weniger besteuern.
Für Viola Groebner ist ein ressourcenschonendes Wirtschaften Teil eines Wachstumsmodells, das auf hohe Beschäftigung und sozialen Zusammenhalt zielt. Den heutigen Ressourcenverbrauch kritisierte die Direktorin bei der Generaldirektion Unternehmen und Industrie der EU-Kommission als nicht nachhaltig. Die EU wolle mit ihrer Rohstoffstrategie die Versorgung der Industrie verbessern.
Wissenschaftler und Forscher hätten bereits „viele Ideen für ressourcenschonendes Produzieren in der Schublade", doch müsse dies effizienter in die Praxis umgesetzt werden. Groebner betonte, beim ökologischen Umsteuern dürfe die Industrie nicht überlastet werden, man müsse stets deren Wettbewerbsfähigkeit im Auge behalten. Sie plädierte für einen „fairen und ausgewogenen" Klimaschutz auf internationaler Ebene.
Felix Hüfner, der für die Green-Growth-Strategie der OECD warb, wies auf den Trend zur Entkoppelung von Wachstum und Ressourcenverbrauch hin, der inzwischen in vielen Staaten zu beobachten sei. Als weiteren Beleg für Fortschritte führte er an, dass seit dem Kyoto-Protokoll von 1997 die Zahl der Patentanmeldungen in ökologisch wichtigen Sektoren wie etwa bei der Windenergie oder bei Brennstoffzellen spürbar gestiegen sei.
Eine etwa über fiskalische Abgaben betriebene Politik der Reduzierung von Schadstoffemissionen werde dazu führen, dass in einigen Bereichen Jobs verloren gingen, andernorts aber neue Stellen entstünden. Beim ökologischen Umsteuern müsse man, so Hüfner, die „Sicherung von Beschäftigung, nicht von einzelnen Arbeitsplätzen" im Auge haben. Laut dem OECD-Vertreter liegt Deutschland bei Einnahmen aus Umweltsteuern international im Mittelfeld, bei der Höhe der Sozialabgaben jedoch auf vorderen Rängen.
Leitbild des Green-Economy-Konzepts des UN-Umweltprogramms UNEP sei, wie Vera Weick erläuterte, eine Wirtschaft, die „kohlendioxidarm, ressourcenschonend und sozial gerecht ist". Wohlstand und Beschäftigung wolle man durch Investitionen in die Umwelt und in die Ressourceneffizienz fördern.
Als Instrumente nannte die UNEP-Sprecherin unter anderem den Ausbau der ökologischen Landwirtschaft, die Ausweitung des öffentlichen Verkehrs, die Stärkung der Abfall- und Kreislaufwirtschaft oder die Verringerung umweltschädlicher Subventionen. Investitionen in die Umwelt, so Weick, bewirkten positive wirtschaftliche Impulse. (kos)