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Das freiwillige Engagement Jugendlicher ist rückläufig und verläuft damit gegen den Trend in der restlichen Bevölkerung. Zu dieser Einschätzung kommt die Sozialwissenschaftlerin Sibylle Picot in ihrer Studie „Jugend in der Zivilgesellschaft“, die sie am Mittwoch, 26. Oktober 2011, vor dem Unterausschuss "Bürgerschaftliches Engagement" des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorstellte. Picot, die sich in ihrer Studie auf Zahlen aus den Freiwilligensurveys 1999, 2004 und 2009 bezieht, machte in der Sitzung unter Vorsitz von Markus Grübel (CDU/CSU) deutlich, dass Jugendliche zwar durchaus aktiv seien. Engagement bedeute jedoch, „Aufgaben zu übernehmen, die über das reine Mitmachen hinausgehen“.
Dabei gehe das Engagement vor allem im Westen Deutschlands zurück, während es im Osten gering gestiegen sei, was damit zu tun habe, dass sich dort die Strukturen für freiwilliges Engagement verglichen mit 1999 stetig verbessert hätten. Grund für den Rückgang im Westen seien die veränderten Ansprüche in Schule und Studium.
Das habe mit „komprimierten Ausbildungszeiten und dem Trend zum Ganztagsunterricht zu tun“, sagte Picot. „Der Eindruck, dass Jugendliche vermehrt unter Zeitdruck stehen, verdichtet sich“, lautete ihre Einschätzung. Angesichts der „gewollten Entwicklung hin zur Ganztagsschule“ müsse Engagementförderung stärker im schulischen Kontext ansetzen, forderte sie.
Zugleich verwies sie darauf, dass es auf der einen Seite eine Abnahme der tatsächlich Engagierten zu verzeichnen gebe, gleichzeitig aber festzustellen sei, dass die Bereitschaft, sich freiwillig zu engagieren, im genannten Zeitraum gestiegen sei. „Der gute Wille ist also da“, anerkannte Picot. Gleiches gelte auch für die Bereitschaft schon Engagierter, sich für interessante neue Aufgaben zu engagieren.
ls „besorgniserregend“ schätzt die Sozialwissenschaftlerin das bei Jugendlichen besonders ausgeprägte Schichtenphänomen ein. Die Studie zeige, dass sich Jugendliche mit einem höheren Bildungsstatus stärker engagieren würden. „Jugendliche mit einem niedrigen Bildungsniveau sind weniger aktiv und somit für die Gesellschaft auch weniger gut erreichbar“, sagte Picot.
Dies sei umso bedauerlicher, als dass diese Gruppe auch nicht von den Lernchancen des bürgerlichen Engagements profitieren könne. Engagementförderung, so Picots Schlussfolgerung, sei also auch eine gesellschaftspolitische Aufgabe, deren Schlüssel im Bildungssystem liege.
Was die Gruppe der jugendlichen Migranten angehe, so habe sich seit 2004 nicht viel an der Situation geändert, dass diese zwar einerseits unterdurchschnittlich engagiert seien, andererseits jedoch eine sehr hohe Bereitschaft zum Engagement bekunden. Diese Potenziale gelte es zu heben, forderte Picot.
Dazu müsse die Erreichbarkeit der zivilgesellschaftlichen Strukturen verbessert werden. In ihrer Studie verweist sie auch auf Motive und den Motivwandel im freiwilligen Engagement. So gehe die Geselligkeits- und Spaßorientierung zurück, während es eine stärkere Interessen- und Gemeinwohlorientierung gebe.
Der Rahmen, in dem sich Jugendliche engagieren, sei auch heutzutage überwiegend durch Vereine geprägt, habe die Studie ergeben, sagte Sibylle Picot weiter. Stärker als in den vergangenen Jahren würden sie sich aber in Gruppen, Initiativen und Projekten, die vielfach von der Schule initiiert seien, engagieren. Und dennoch: „Es gibt bei den Strukturen viel weniger Wandel als angenommen“, schätzt Picot ein.
Immer größere Bedeutung für das Engagement Jugendlicher gewinne das Internet. Die 20- bis 30-Jährigen legten einen stärkeren Akzent auf Vernetzung als andere Altersgruppen. Die Netzwerkpflege im Internet habe Einfluss auf „reale“ soziale Netzwerke und Strukturen der Zivilgesellschaft und sei daher wichtig für die Entwicklung des sozialen Zusammenhalts, betonte die Sozialwissenschaftlerin.