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Der Gorleben-Untersuchungsausschuss unter Vorsitz von Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) hat sich am Donnerstag, 19. Januar 2012, mit den Enteignungsdebatten der neunziger Jahre auseinandergesetzt. Hierfür vernahmen die Abgeordneten Walter Kühne, Regierungsdirektor im Arbeitskreis Recht der nuklearen Ver- und Entsorgung im Bundesumweltministerium. Kühne arbeitete seinerzeit als Referent in der Rechtsabteilung des Ministeriums. „Die Frage der faktischen Beschaffung der Salzrechte war nicht Aufgabe des Rechtsreferats“, sagte Kühne gleich zu Eingang seiner Vernehmung.
Der Bund verfügt in Gorleben für eine Erkundung des Salzstocks nicht über alle Salzrechte. Einige private Rechteinhaber verweigern die Herausgabe bis heute. „Wir haben mit dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) überlegt, wie man die Salzrechte erlangen kann“, sagte Kühne. „So wurde die Begründung einer Untersuchung aus wissenschaftlichen Zwecken erörtert. Dies ist aber von uns verneint worden.“
Der Gorleben-Ausschuss geht der Frage nach, ob es bei der Entscheidung der Bundesregierung für Gorleben als einzigen Erkundungsstandort für ein atomares Endlager zu Einflussnahmen oder Manipulationen seitens der Politik gekommen ist.
Auf Vorhalt eines selbst verfassten Vermerks, wonach das Vorliegen von Enteignungsvorschriften das Erwerben der Salzrechte erleichtern würde, sagte Kühne: „Wenn es keine Vorschriften gibt, ist die Stellung des Rechteinhabers absolut.“ Mit entsprechenden Vorschriften wären Verhandlungen möglicherweise anders verlaufen.
Kühne betonte, man sei im Bundesumweltministerium (BMU) immer davon ausgegangen, für den Zeitraum der Erkundung nur Nutzungsrechte erwerben zu wollen. „Es widerspricht dem Ziel, wenn endgültige Rechte erworben werden. Das Ergebnis war ja immer noch offen.“
Einen weiteren Schwerpunkt der Zeugenbefragung bildete der Umfang der geplanten Erkundung im Gorlebener Salzstock. Aufgrund fehlender Salzrechte hatte sich das BfS in den neunziger Jahren dafür ausgesprochen, sich bei der Erkundung vorerst auf die Nordostpassage zu beschränken. „Man hat im Rahmenbetriebsplan die Erkundung der Südwestroute aus fachlichen Erwägungen heraus genommen. Das war das Stichwort ‚Konzeptänderung‘“. Schließlich sei nur die Reihenfolge der Erkundungsbereiche geändert worden.
Abgeordnete konfrontierten Kühne mit Vermerken, wonach in seinem Beisein ein Wissenschaftler des BfS seine Bedenken dazu geäußert hatte. „Ich weiß nicht mehr, was ich damals mitbekommen habe“, sagte Kühne.
Ferner untersuchten die Ausschussmitglieder Gespräche, welche die damalige Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) mit Vertretern der Energieversorgungsunternehmen (EVU) zwischen 1996 und 1997 geführt hatten.
Ein damaliger Vermerk des BMU beschrieb die Zweifel der EVU ob der Belastbarkeit einer auf den Nordosten beschränkten Erkundung. Dies hätten sie für ein Erkundungsrisiko gehalten und für ein Moratorium plädiert. „Die Überlegungen der EVU sind nicht durchschlagend gewesen“, sagte Kühne. Diese hätten Kostengesichtspunkte vorgetragen.
Schließlich beleuchteten die Abgeordneten eine interministerielle Debatte über die rechtliche Einordnung. Während das BMU in den neunziger Jahren für die Anwendung des Bergrechts plädierte, bestand das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) auf Atomrecht. „Das ist eine rein politische Angelegenheit. Die Erkundung von atomaren Endlagern ist ein gewisser Fremdkörper im Bergrecht. Wo, ist egal. Es geht um den materiellen Inhalt.“
Angesprochen auf den Einlenkungsprozess des BMU, antwortete Kühne, er könne sich daran nicht erinnern. „Ich weiß, dass das BMWi es nicht in seinem Bergrecht haben wollte.“ Abgeordnete hielten Kühne einen Vermerk aus dieser Debatte vor, auf dem sich der handschriftliche Zusatz des damaligen Unterabteilungsleiters im BMU, Arnulf Mattings, befand, in dem er vorschlug, einen Ergebnisvermerk aus den Akten zu entfernen. Es handelte sich um eine Jahre zurück liegende Absprache auf Abteilungsleiterebene zwischen BMWi und BMU, wonach das BMU eine Enteignung der Salzrechte nach Bergrecht nicht fordern würde.
„Ich erinnere mich nicht, diesen Vermerk gesehen zu haben“, sagte Kühne. Immerhin habe er den Brief samt Mattings Zusatz zu den Akten genommen. „Wenn ich alles hinterfragen würde, hätte ich viel zu tun.“ Allerdings sei der Vorschlag kein üblicher Vorgang. „Ich nehme nichts aus den Akten.“
Auf die Frage von Abgeordneten, warum der Ausschuss bisher keine Protokolle oder Vermerke über die Gespräche Angela Merkels mit den EVU gefunden habe, antwortete Kühne lediglich: „Ich habe an den maßgeblichen Gesprächen nicht teilgenommen. Ich und meine Vorgesetzen haben alle Unterlagen zu den Akten gegeben, die zu den Akten sollten.“ (jr)