Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2010 > Biopatente
Auch besonders gezüchtete Kühe sollen nicht mehr patentiert werden dürfen. © dpa picture alliance/dpa
Dürfen auf Tiere und Pflanzen Patentrechte vergeben werden? Diese Frage hat am Donnerstag, 1. Juli 2010, im Bundestag zu einer Diskussion geführt, in der die Positionen von Koalition und Opposition insbesondere in wichtigen Details aufeinanderprallten. Hintergrund für die 45-minütige Debatte waren Anträge von SPD (17/3016) und Bündnis 90/Die Grünen (17/2141), in denen die Fraktionen für ein generelles Verbot von Biopatenten auf Nutztiere, Pflanzen und traditionelle Züchtungsverfahren plädiert hatten (17/2016, 17/2141). CDU/CSU und FDP sahen darin zwar "diskussionswürdige“ Ansätze. Manche Forderungen gingen aber "viel zu weit“, zudem käme die Initiative zum falschen Zeitpunkt.
Dr. Matthias Miersch (SPD) hatte in seiner Rede zu Beginn der Debatte jedoch auf die Dringlichkeit des gesetzgeberischen Handels hingewiesen. Die Zahl der Biopatente, die darauf abzielten, die Rechte von Privatfirmen nicht mehr einfach nur auf ein bestimmtes Saatgut zu sichern, sondern auf die gesamte Ernährungskette vom Samen über die Pflanze bis zur Verwendung des Produkts, sei stark gestiegen. Dies stelle ein ernsthaftes Problem dar: "Wer sich Rechte auf Ernährung sichert, der hat das Werkzeug, um diese zu steuern und zu monopolisieren.“
Derzeit sei leider zu beobachten, dass das geltende Patentrecht keinen Schutz gegen diese Gefahr biete. Es gelinge den Firmen, die Regelungen zu umgehen, da die Begrifflichkeiten auslegungsfähig seien und Missbrauch ermöglichten. "Wir müssen hier Grenzen einziehen“, forderte Miersch. Problematisch sei auch, dass das Europäische Patentamt sich über erteilte Patente finanziere. Es fehle es an unabhängiger Kontrolle.
Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) verwies auf den Koalitionsvertrag von Union und FDP: Darin hätten die Koalitionäre sich klar zu einem Patentverbot auf Nutztiere und Nutzpflanze bekannt. Gleichzeitig müssten aber Erfindungen und Innovationen gefördert und geschützt werden - diese seien "gut für das ressourcenarme Deutschland und gut für den Wettbewerb“, außerdem sicherten sie Arbeitsplätze. Daher mache sich seine Fraktion auch für den Patentschutz stark, bekräftigte der Abgeordnete.
Auch dem Mittelstand müsse der Zugang zu Patenten erleichtert werden. "Wir stehen zum Schutz des geistigen Eigentums - allerdings nicht um jeden Preis“, setzte Harbarth hinzu. Ethische Grundsätze müssten gewahrt bleiben. Auch der CDU-Politiker sprach sich daher für Änderungen der europäischen Biopatentrichtline aus, plädierte aber dafür, zunächst die kommende Entscheidung der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes zum "Brokkoli-Patent“ abzuwarten. Dann könne man über die wirklich notwendigen gesetzliche Änderungen diskutieren.
Dr. Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion, war dies jedoch zu wenig. Bei der Erteilung von Patenten gehe es um nichts weniger als die Kontrolle über Wissen, stellte sie klar. Wer Biopatente besitze habe nicht nur Macht, sondern auch eine "Gelddruckmaschine“.
Die Linke sei deshalb der Meinung, dass Patente auf Leben nicht verhandelbar seien. "Wir wollen verhindern, dass die Grundlagen des Lebens privatisiert werden“, betonte die Abgeordnete. Der Zugang zu Wissen müsse der Allgemeinheit offenstehen.
Derzeit sei aber zu beobachten, dass immer mehr Forschungsergebnisse gar nicht mehr publiziert werden dürften, weil private Unternehmen um die Verwertbarkeit dieser Ergebnisse fürchteten. Zudem blockierten die großen Konzerne gerade auch die kritische Forschung. "Dies ist nicht akzeptabel“, so Tackmann.
Stephan Thomae (FDP) widersprach seiner Vorrednerin: Die Forderung nach einem vollständigen Verbot von Biopatenten "gehe zu weit“, so der Rechtspolitiker. Patente hätten eine wichtige Doppelfunktion, hob er hervor. Zum einen schützten sie den Erfinder und seine Investitionen, zum anderen sicherten sie der Allgemeinheit Einblicke in das Wissen des Erfinders.
Gäbe es keinen Patentschutz, wäre zu befürchten, dass immer mehr Forschungsergebnisse geheimgehalten würden, gab Thomae zu bedenken. Es sei aber im Interesse der Allgemeinheit, dass Forschungsergebnisse veröffentlicht würden. So gehe es bei Biopatenten auch nicht um Kontrolle, sondern um den Schutz des geistigen Eigentums - aber auch um die Zugänglichkeit von Wissen für die Allgemeinheit.
Die FDP plädiere dafür, dass die Biopatentrichtlinie überprüft werde. Ziel müsse sein, dass künftig nur Patente auf Erfindungen vergeben werden dürfen, nicht auf Endeckungen.
Ulrike Höfken, Sprecherin für Ernährungspolitik und Agrotechnik von Bündnis 90/Die Grünen unterstrich die Dringlichkeit der Initiativen von Grünen und SPD: Monatlich würden zehn bis 20 Patentanträge beim Patentamt gestellt, die die Sicherung sehr umfassender Rechte beanspruchten. Die derzeitige Vergabepraxis sei aber mehr als problematisch, kritisierte die Bündnisgrüne. Sie erinnerte etwa an die Erteilung des "Sonnenblumenpatents“, welches die Rechte an Züchtung, Saatgut, Pflanze und die Verwendung als Öl einem Konzern sichere. Dies sei nicht hinnehmbar, bemängelte Höfken.
Die Widerspruchsverfahren allein reichten nicht aus, um solche Patente zu verhindern. Zudem bedeuteten solche Beschwerdeverfahren für Firmen, Bauern oder andere Gruppierungen nicht nur einen enormen Aufwand, sondern auch hohe finanzielle Belastungen. Daher sei ein schnelles Handeln notwenig, appellierte Höfken: "Patente auf Leben müssen verboten werden. Ich hoffe, wir kommen bald zu einer besseren rechtlichen Grundlage.“
Dr. Max Lehmer (CDU/CSU) unterstützte diese Forderung. Auch seine Fraktion sehe die geltende Vergabepraxis von Biopatenten kritisch. Immer wieder seien dabei ethische Grenzen überschritten worden, monierte der CSU-Politiker. Zudem gehe es auch darum, dass die Landwirte traditionelle Züchtungsverfahren weiterhin uneingeschränkt nutzen könnten.
Lehmer plädierte trotz seiner Zustimmung zu den Kernforderungen der Opposition dafür, die Entscheidung des Europäischen Patentamtes abzuwarten. Zudem liege bald ein von Bundesagrarministerin Ilse Aigner angefordertes Gutachten vor. Dieses solle man als weitere Diskussionsgrundlage nutzen.
Der Abgeordnete sprach sich zudem für einen fraktionsübergreifenden Antrag mit dem Ziel einer Änderung der Patentrichtlinie aus. "Das wäre nicht nur ein wichtiges Signal, sondern würde auch die deutsche Position auf europäischer Ebene stärken.“