Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2011 > Mehr Lärmschutz bei der Rheintalbahn
Mit dem im Kern übereinstimmenden Verlangen nach einem besseren Lärmschutz beim Ausbau der Rheintalbahn zwischen Karlsruhe und Basel von zwei auf vier Schienentrassen gehen die Koalitionsfraktionen und die SPD in eine für Freitag, 18. März 2011, anberaumte Plenardebatte über dieses Verkehrsprojekt von europaweiter Tragweite. In jeweils eigenen Anträgen richten Union und FDP (17/4861) sowie die SPD (17/4856) entsprechende Forderun- gen an die Bundesregierung.
Appelle dieser Art enthalten auch eine Vorlage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/2488) und eine gemeinsamer Antrag von SPD und Grünen (17/5037). Darin wird verlangt, die Finanzierung und den anwohnerfreundlichen Ausbau sicherzustellen. Die Linke plädiert ebenfalls für einen besseren Lärmschutz im Rheintal und andernorts: Einen solchen Antrag (17/5036) mit dem Verlangen unter anderem nach einer Reform des Bundes-Immissionsschutzgesetzes hat die Fraktion kurz vor der Plenarsitzung eingebracht, ein älterer Antrag (17/3659) war im November vorgestellt worden. Die Debatte beginnt um 9 Uhr und soll bis gegen 10.40 Uhr dauern.
Im Vertrag von Lugano hat sich die Bundesrepublik 1996 gegenüber der Schweiz verpflichtet, die Linie zwischen Karlsruhe und Basel als Zulaufstrecke zu den Alpen-Eisenbahntunneln am Lötschberg und am Gotthard viergleisig zu erweitern.
Ziel dieses Vorhabens, dessen Kosten auf vier bis fünf Milliarden Euro geschätzt werden, ist eine spürbare Verlagerung vor allem der Gütertransporte in dem zentralen europäischen Verkehrskorridor am Oberrhein von der Straße auf die Schiene.
Wegen dieses Projekts tobt zwischen Offenburg und der Schweizer Grenze ein heftiger politischer Kampf: Zahlreiche Bürgerinitiativen fordern im Schulterschluss mit vielen Kommunen einen besseren Schutz vor dem Lärm, der von einer Erhöhung der Zahl der Schienentransporte ausgehen dürfte.
Beim südbadischen Regierungspräsidium wurden 170.000 Einsprüche eingereicht. Die Kritiker lehnen den Ausbau der Rheintalbahn nicht ab, verlangen jedoch eine spürbare Eindämmung der Lärmbelastung.
Unter dem Namen "Baden 21“ wurde ein Konzept vorgelegt, das die künftige Trassenführung umweltfreundlicher machen soll: Dazu gehören eine Umfahrung Freiburgs, der Bau des dritten und vierten Gleises weitgehend entlang der Autobahn und nicht wie von der Bahn geplant neben den jetzigen Trassen sowie die teure Errichtung eines Tunnels in Offenburg anstelle der zunächst vorgesehenen Linienführung durch die Stadt. Letztere wurde in der von der Bahn vorgelegten Form vom Regierungspräsidium als nicht genehmigungsfähig verworfen.
Inzwischen sind Bahn und Landesregierung auf Bürgerinitiativen und Kommunen zugegangen. Dabei spielen Erfahrungen mit den Massenprotesten gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 mit eine Rolle. Ministerpräsident Stefan Mappus erklärte auch im Blick auf die Rheintalbahn, er wolle "kein zweites Stuttgart 21 mehr“ erleben.
Rüdiger Grube will ebenfalls "verhindern, dass es hier ein zweites Stuttgart 21 gibt“. Der Bahnchef kündigte an, die Vorschläge der Kritiker zu prüfen. In Offenburg sind Testbohrungen geplant, um die Eignung des Untergrunds für einen Tunnel zu erkunden. Grube sagte zu, die Eigenmittel der Bahn für die Rheintalbahn im Interesse des Lärmschutzes aufzustocken.
Die Stuttgarter Regierung will Lärmschutzmaßnahmen mitfinanzieren, sofern sie über den gesetzlich geforderten Standard hinausgehen. Sollte dies beim Offenburger Tunnel der Fall sein, so will Stuttgart die Hälfte dieser Kosten übernehmen, wodurch der Etat um etwa 200 Millionen Euro belastet würde.
Die finanzielle Hilfe durch das Land wird im Landtag von CDU, SPD und FDP unterstützt. Die Grünen lehnen dies aus verfassungsrechtlichen Gründen ab: Bei der Rheintalbahn handele es sich um eine Bundesaufgabe, die vom Land nicht kofinanziert werden dürfe.
In dem für die Plenardebatte am 18. März von der SPD formulierten Antrag wird an die Bundesregierung appelliert, das Land "in die Pflicht zu nehmen“, die über den gesetzlichen Rahmen hinausreichenden Lärmschutzmaßnahmen mitzufinanzieren. Im Antrag von Union und FDP heißt es, man begrüße die Bereitschaft des Landes, sich an Mehrkosten zu beteiligen.
Die Koalitionsfraktionen fordern die Regierung auf, sich weiterhin "für eine spürbare Verbesserung der Planungen für Mensch und Umwelt entlang der Rheintalbahn einzusetzen“. Dazu gehörten "akzeptable Formen sowohl der Trassenführung wie des Lärmschutzes“.
Die Rheintalbahn solle durch eine "Vielzahl von innovativen Maßnahmen faktisch ein Modellprojekt des anwohnerfreundlichen Ausbaus der Schiene werden“. Die Regierung solle sich für eine baldige Finanzierung und Realisierung der bereits planfestgestellten Abschnitte der Rheintalbahn einsetzen. Lob finden Union und FDP für die Bürgerinitiativen vor Ort, die sich "vorbildlich an einer konstruktiven Lösungssuche“ beteiligten.
Auch die SPD würdigt dieses Engagement für einen "menschen- und umweltverträglichen Ausbau der Rheintalbahn“, das im Konzept "Baden 21“ seinen Niederschlag gefunden habe.
Im Einzelnen spricht sich der Antrag für einen Güterzugtunnel bei Offenburg, für eine Trassenführung parallel zur Autobahn zwischen Offenburg und Riegel am Kaiserstuhl, für eine Optimierung der Umfahrung von Freiburg oder auch für eine Teil-Tieferlegung der Gleise bei Weil am Rhein aus.
Die Regierung solle die Bahn in die Pflicht nehmen, die Planfeststellungsbeschlüsse "im Sinne des Anwohner- und Lärmschutzes zu überprüfen und nachzubessern“, so die Fraktion.
Die Bahn solle alte Planungen zurückziehen und bestehende Planfeststellungsbeschlüsse nachbessern, fordern die Grünen. Im Einzelnen verlangen sie unter anderem einen Güterzugtunnel in Offenburg, eine bessere Umfahrung Freiburgs sowie eine "autobahnparallele Trassenführung“ zwischen Offenburg und Riegel.
Koalition, SPD, Linke und Grüne sprechen sich übereinstimmend für eine Abschaffung des sogenannten Schienenbonus aus, der bislang die Bahn beim Lärmschutz entlastet. Unterschiede zwischen den Fraktionen gibt es bei der Frage, wann dieser Bonus getilgt werden soll.
Der Verkehrsausschuss hat zu den Vorlagen am 16. März eine Beschlussempfehlung vorgelegt (17/5091). (kos)