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Ein turbulentes erstes Halbjahr 2011 liege hinter dem Landwirtschafts-ministerium, das ohne Verbraucher und Landwirte gegeneinander auszuspielen und ohne ideologische Grabenkämpfe Dioxin- und Lebensmittelkrisen meistern musste, sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) am Donnerstag, 8. September 2011, als sie ihren 5,28 Milliarden Euro großen Etat (Einzelplan 10) im Parlament vorstellte. Der Entwurf sei "auf die Zukunft ausgerichtet und ein Garant für Stabilität".
Selbst die Senkung des Etats um mehr als 200 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr zeuge von erfolgreicher Politik, so die Ministerin. "Denn das Grünlandmilchprogramm wurde mit Erfolg abgeschlossen." Zweck des Sonderprogramms war es, seit 2010 entstandene wirtschaftliche Nachteile für Milchviehhalter, die von unterdurchschnittlichen Preisen auf dem Milchmarkt betroffen waren, auszugleichen.
Der Etat werde auch gegenüber der landwirtschaftlichen Sozialpolitik gerecht. "Auch künftig wird es ein eigenständiges soziales Sicherungssystem für Landwirte geben", versprach Aigner. Die Ministerin kündigte an, in den nächsten Jahren vier Modellregionen zu schaffen, in denen unbürokratisch Förderungsmaßnahmen erprobt werden sollen, um Herausforderungen wie dem demografischen Wandel gerecht zu werden.
Weiterhin fließe Geld in die Energieforschung, damit die Landwirtschaft ihren Beitrag zur Deckung des Bedarfs nach erneuerbaren Energien beitrage. Außerdem werden Internetportale für den Verbraucherschutz wie www.Lebensmittelklarheit.de und www.Lebensmittelwarnung.de gefördert.
Die SPD überzeugte der vorgestellte Landwirtschaftshaushalt nicht. Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) kritisierte, dass in den vergangenen Jahren rund 750 Millionen Euro an zusätzlichen Subventionen ausgegeben worden seien. "Und damit zukünftige Spielräume vernichtet wurden", sagte er. So würden die Sozialdemokraten allein 85 Millionen Euro Agrardieselsubvention zur "Disposition" stellen wollen.
"Landwirtschaft soll einen Beitrag zum Klimaschutz leisten", mahnte Priesmeier. Doch auf diese Weise würde Diesel billiger gemacht als das Pflanzenöl vom Acker. Auch die über die Jahre verringerten Mittel der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes würden durch die Schaffung von Modelregionen nicht kompensiert.
Lob erntete die Ministerin hingegen für ihre Ankündigung mit Hilfe der "Charta für Landwirtschaft und Verbraucher" diskutieren zu wollen, wie die Landwirtschaft in Zukunft aussehen soll. Mit ungenügend bewerte Priesmeier jedoch, dass kein Ansatz für Forschungsmittel im Bereich des Tierschutzes zu erkennen sei. "Die SPD fordert das", sagte er.
Heinz-Peter Haustein (FDP) sprang seiner Koalitionspartnerin, der Bundesministerin, bei und verteidigte die Agrardieselsubventionen. "Die SPD will die Subvention abschaffen und die Bauern in den Ruin treiben", sagte er. Die Preise seien in Deutschland vier Mal höher als im EU-Durchschnitt. "Deshalb sind mit der Koalition Kürzungen nicht zu machen." Landwirte seien Unternehmer und die Hilfen dienten nur der Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit.
Darüber hinaus beweise der Etat, dass die Landwirte sich auf die Koalition verlassen könnten. "Konstant und sicher steht Geld bereit", sagte Haustein und stellte fest, dass ein Großteil der Mittel für soziale Aufgaben aufgebracht werde.
"Insgesamt bescheiden", bewertete Roland Claus (Die Linke) den Haushaltsentwurf. Das insgesamt positive Bild, das die Ministerin gezeichnet habe, entspreche nicht der Wirklichkeit. "Mit Nahrungsgütern wird spekuliert, die Selbstausbeutung von Landwirten steigt und nach wie vor werden dubiose Finanzprodukte an Verbraucher verkauft", sagte er.
Die Linke fordert Mindestlöhne für die Landwirtschaft und die Förderung des Modells der landwirtschaftlichen Genossenschaften, die sich in Ostdeutschland erfolgreich bewährt hätten. Problematisch sah Claus Millionen registrierter Fälle von Internetbetrug. "Es ist wichtig, sich diesem Problem zuzuwenden."
Einen Vorschlag der Linksfraktion zur Stärkung des Etats unterbreitete Claus auch und erinnerte daran, dass das Ministerium für Landwirtschaft sowohl in Berlin als auch in Bonn beheimatet ist und forderte in Sinne der Effizienz "die Wiedervereinigung der Bundesregierung in Berlin".
Scharf ins Gericht zog Friedrich Ostendorff (Bündnis 90/Die Grünen) mit dem Entwurf: "Der Agraretat verwaltet das Nichtstun." Einseitig werde der Industrialisierung der Landwirtschaft Vorzug vor der bäuerlich geprägten Landwirtschaft gegeben. "Bauernhöfe oder Agrarfaberiken? Das ist die Schicksalsfrage in Europa", spitzte er zu.
Die Regierung solle die Chance der kommenden EU-Agrarstrukturreformen nutzen, um nachhaltiges Wirtschaften zu fördern. Herausforderungen der Landwirtschaft müsse sein, sich von fossiler Energie zu verabschieden. Doch während die EU tendenziell in die "richtige Richtung geht", blockiere Deutschland.
„Die Landwirtschaft soll Menschen Perspektive und Beschäftigung bieten“, widersprach Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) seinem Vorredner. Die Grünen würden bewusst "nachhaltig wirtschaftende konventionelle Betriebe verunglimpfen". Doch die Koalition beweise durch ihre Agrarpolitik die Weiterentwicklung moderner Landwirtschaft auf Basis der Schöpfung und Nachhaltigkeit.
"Bei uns gibt es keine Denkverbote und keine Gegen-alles-partei", sagte er in Richtung Grüne. So werde auch die Förderung des ökologischen Landbaus ohne ideologische Scheuklappen fortgesetzt und der eigenverantwortlich handelnde Verbraucher durch die Unterstützung von Stiftung Warentest und der Deutschen Stiftung Verbraucherschutz gestärkt. (eis)