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Das könnte auch das Motto von Leonie Joppich sein. Gerade hat es in ihrer Schule, der Berliner Kopernikus-Oberschule, geklingelt. Die 14-Jährige verlässt schnell die Klasse und läuft die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Sie muss sich beeilen, schon am Nachmittag fährt sie auf eine Mediatorenfortbildung. „Streitschlichterkurs”, sagt Leonie er klärend und schließt die Tür zu einem großen Raum auf, in den die Streithähne normalerweise zum klärenden Gespräch gebeten werden. Nicht immer gelänge es, für Frieden und Annäherung zu sorgen — aber versuchen müsse man es zumindest, findet Leonie.
Die Arbeit als Vermittlerin macht ihr Spaß. Auf Dialog und Verständigung kommt es schließlich an — nicht nur innerhalb der Klasse. Des halb gefällt Leonie das Pro jekt „Young in Europe”, eine Schulpartnerschaft, die ihre Schule zusammen mit einer dänischen, einer estnischen und einer tschechischen Schule gegründet hat. Dass zwei Partner aus osteuropäischen Ländern kommen, die zu den EU-Neulingen gehören, war eine bewusste Entscheidung der Schulleitung. „Ist doch wichtig, dass man sich kennenlernt in Europa”, sagt Leonie. „Wenn man neue Nachbarn hat, geht man doch auch hin und begrüßt sie.”Im Vordergrund des über drei Schuljahre laufenden Schulprojektes, das im Rahmen des Comenius-Programms von der EU gefördert wird, steht der Austausch der Schüler. Jedes Jahr wird ein Besuch bei einer der Partnerschulen organisiert. In der Zwischenzeit halten die Schüler per E-Mail Kontakt, stellen sich und ihr Land vor, lernen die unterschiedlichen Schulsysteme kennen oder erarbeiten für die anderen ein Länderquiz, das im Unterricht gelöst wird.
Als Leonie vor eineinhalb Jahren zum ersten Mal mit ihrer Klasse die Partnerschule im süd estnischen Võru besuchte, war ihr das Land dann doch ziemlich fremd. „Italien oder Frankreich kennt man ja, aber ich hatte überhaupt keine Idee, wie es in Estland aussieht”, erinnert sich Leonie. Doch was sie dort sah, gefiel ihr — besonders die Natur. „An einem Wochenende habe ich mit meiner Gast familie eine Wanderung gemacht”, sagt Leonie, holt ihren iPod aus der Tasche und zeigt Fotos: Viel Wald sieht man da, Wiesen, Seen, Schluchten. Ein Bild zeigt Leonie mit zwei dicken Pilzen.
Auf dem Programm stand natürlich auch ein Ausflug in die Hauptstadt Tallinn. Dazu viele gemeinsame Unternehmungen mit den estnischen Austauschschülern: Spiele, Sport — alles, was die Kommunikation fördert. Trotzdem kam die manchmal ins Stocken. Aber für Leonie kein Problem: „Wenn es mit Englisch nicht klappte, dann redete man eben mit Händen und Füßen. Erstaunlich, wie gut man sich trotzdem versteht!” Zum Abschied tauschten die deutschen und die estnischen Schüler T-Shirts, die sie zuvor mit den Wahrzeichen ihrer Heimatländer bemalt hatten. „über den Austausch bin ich wirklich froh”, sagt Leonie rückblickend. „Ich glaube nicht, dass ich sonst diesen Kontakt bekommen hätte.”
„Das ‚Nein’ in Frankreich und den Niederlanden zum Europäischen Verfassungsentwurf hat gezeigt, dass die große Mehrheit der Menschen kein Europa möchte, in dem Wirtschaftsinteressen im Vordergrund stehen. Unser Ziel muss deshalb ein soziales Europa sein. Eine gemeinsame europäische Bildungspolitik spielt hierfür eine wichtige Rolle. Durch Auslandsaufenthalte während Schule, Studium oder Ausbildung kann miteinander und von einander gelernt werden. Gemeinsam sollten wir uns dafür einsetzen, europaweit das Recht auf Bildung zu verankern, den Zugang zu Bildung zu öffnen und die Qualität der Bildung zu verbessern.”
Nele Hirsch, Jahrgang 1980, ist seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages. Davor war die gebürtige Stuttgarterin Studentin, unter anderem in Jena und Osaka (Japan). Sie ist ordentliches Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung.
cornelia.hirsch@bundestag.de
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