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Im Bundestag gibt es nicht nur 22 Ausschüsse, 12 Unterausschüsse und jede Menge offizielle Parlamentarier-Vereinigungen, die etwa bilaterale Kontakte zu anderen Parlamenten pflegen. Viele Abgeordnete schließen sich über die Fraktionsgrenzen hinweg auch zu sogenannten Parlamentarischen Gruppen (PG) zusammen, die sich einem bestimmten Anliegen verschreiben. Eine davon ist die PG Klassische Sprachen. Warum es sie gibt, welche Ziele sie verfolgt und wie sie bei Kollegen und in der Öffentlichkeit ankommt, erzählt ihr Vorsitzender Patrick Meinhardt (FDP) im Interview.
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Herr Meinhardt, als Sie Ende 2007 die Parlamentariergruppe (PG) "Klassische Sprachen" ins Leben gerufen haben, hat das über den Bundestag hinaus für einiges Aufsehen gesorgt.
Ja, selbst die Mitglieder des Altphilologen-Verbandes, vor denen ich damals auf einem Kongress in Göttingen gesprochen habe, wollten es kaum glauben, dass es jetzt im Bundestag eine tatkräftige Gruppe gibt, die sich für die Belange der humanistischen Bildung einsetzt.
Auch in der Presse wurde darüber berichtet - und sogleich gemutmaßt, auf den Treffen der Parlamentariergruppe würde nur auf Latein oder Griechisch parliert.
(lacht) Dazu sind wir leider nicht in der Lage, obwohl ich natürlich sehr gerne fließend Latein sprechen können würde. Aber im Ernst: Durch die Berichterstattung in Zeitungen wie der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", der "Süddeutschen" oder der "Zeit" haben wir viel Aufmerksamkeit bekommen. Das war gut für uns.
Wie waren denn die Reaktionen Ihrer Abgeordneten-Kollegen?
Also, ich würde es mal so formulieren: Es gab einige, die das Ganze für ziemlich skurril gehalten haben. Sehr viele waren aber auch sehr angetan von der Idee. Immerhin sind damals 70 Parlamentarier aus allen Fraktionen der PG beigetreten.
Und wie viele Mitglieder hat die PG heute?
Die Zahl ist ungefähr gleich geblieben. Leider sind aber in dieser Wahlperiode bislang noch keine Kollegen von Bündnis90/Die Grünen dabei und auch niemand von der Partei Die Linke. Deshalb werden wir nach der Sommerpause noch einmal verstärkt um Mitwirkung werben, da uns sehr daran liegt, dass wirklich alle Fraktionen mit an Bord sind.
Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, eine PG "Klassische Sprachen" zu gründen?
Das hat natürlich mit meiner eigenen Biografie zu tun. Ich habe selbst Latein und Griechisch in der Schule gehabt und später in Heidelberg auch studiert. Schon als Schüler habe ich diese Fächer sehr geschätzt, weil sie mein Verständnis der deutschen Sprache sehr verbessert und mir einen ganz anderen Zugang zur Philosophie und Geschichte des Abendlandes ermöglicht haben. Als ich dann 2005 erstmals in den Bundestag gewählt wurde, habe ich über das Gebetsfrühstück…
… ein regelmäßig stattfindendes interfraktionelles und überkonfessionelles Treffen von Parlamentariern, die sich über religiöse Themen austauschen…
… zwei Kollegen von Union und SPD kennen gelernt, die meine Begeisterung für die klassischen Sprachen teilten. Und daraus ist dann die Idee entstanden, gemeinsam eine Parlamentarische Gruppe zu gründen, als eine Art Lobby für Latein, Altgriechisch und Hebräisch im Bundestag.
Wie sieht diese Lobby-Tätigkeit konkret aus?
Nun, nach der Sommerpause werden wir eine Große Anfrage an die Bundesregierung richten, wie es um die Humanistische Bildung in Deutschland bestellt ist. Dazu wird es dann im Parlament auch eine Debatte geben. Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass im Nationalen Bildungsbericht endlich die humanistische Bildung berücksichtigt wird, etwa der Stand der Lehrerversorgung in den Fächern Latein und Altgriechisch. Bislang ist das nämlich nicht der Fall - und das, obwohl die Zahl der Lateinschüler seit 2001 um 31 Prozent gestiegen ist. Neben diesen genuin politischen Zielen haben wir aber auch noch eine Reihe anderer Pläne.
Zum Beispiel?
Erstens ist es unser Wunsch, jedes Jahr gemeinsam mit dem Altphilologen-Verband zu einem Empfang einzuladen, um dem Thema humanistische Bildung mehr Öffentlichkeit zu verschaffen. Zweitens wollen wir in den Länderparlamenten dafür werben, dass dort ebenfalls Parlamentariergruppen für Klassische Sprachen gegründet werden. Denn Bildung ist ja in erster Linie Ländersache. Drittens wollen wir einen Schülerwettbewerb Klassische Sprachen ins Leben rufen. Und viertens planen wir, eine Art Prospekt herauszugeben, in dem einige Parlamentarier erzählen, warum sie froh sind, die alten Sprachen gelernt zu haben.
Wäre es aber in Zeiten von Globalisierung und zunehmender länderübergreifender Mobilität nicht sinnvoller, über einen Ausbau des modernen Fremdsprachen-Unterrichts nachzudenken, als über eine verstärkte Förderung von "toten" Sprachen wie Latein und Alt-Griechisch?
Das eine schließt das andere ja nicht aus, im Gegenteil: Die Erfahrung lehrt, dass dort, wo ab der fünften Klasse Latein und zum Beispiel Englisch gleichzeitig gelehrt werden, die Schülerinnen und Schüler Englisch deutlich leichter lernen, als an Schulen, wo nur Englisch unterrichtet wird. Und ein Modellprojekt an einer Schule in Berlin-Neukölln, wo der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund besonders hoch ist, hat gezeigt, dass diese Schüler über den Lateinunterricht einen besseren Zugang zur deutschen Sprache haben. Darüber hinaus bin ich ohnehin der Meinung, dass es in der Schule nicht nur darum gehen sollte, die Schülerinnen und Schüler eins zu eins auf das Berufsleben vorzubereiten.
Sondern?
Im besten Fall soll der Schulunterricht dazu befähigen, sich mit den grundlegenden Fragen des Lebens auseinanderzusetzen. Und dafür sind Latein und Altgriechisch ein wichtiger Schlüssel, denn über die Beschäftigung mit diesen Sprachen eröffnet sich ein ganz anderes Verständnis für philosophische, ethische und historische Fragen. (nal)