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Das menschliche Leid, das Hepatitis-C-InfiÂzierte nicht nur durch ihre Krankheit, sondern auch durch mediÂzinische Gutachter, langjährige Verfahren und Behörden widerÂfährt, ist in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses unter Vorsitz von Dr. Carola Reimann (SPD) am Mittwoch, 28. September 2011, deutlich geworden: „Man fühlt sich wie eine Bittstellerin“, sagte Gabriele Deuse vom Deutschen Verein für HCV-Geschädigte. HCV ist die Abkürzung für das Hepatitis-C-Virus.
Gabriele Deuse wurde wie etwa 3.000 andere Frauen in der DDR in den Jahren 1978 und 1979 mit Anti-D-Immunglobulinen, also aufgrund einer passiven Immunisierung, angesteckt. Jede dieser Frauen wurde nach Geburten wegen Rhesusfaktur-UnverträgÂlichkeit behandelt.
Die Fraktion Die Linke will nun mit einem Gesetzentwurf (17/5521) die Beweislast für die Betroffenen umÂkehren. Nach den Vorstellungen der Linksfraktion würden finanÂzielle Hilfen in Zukunft nur dann nicht gewährt, wenn die InfekÂtion als Ursache weiterer Krankheiten auszuschließen ist.
Gabriele Deuse schilderte den Abgeordneten, dass sie im Jahr 1999 einen so genannten Verschlimmerungsantrag gestellt habe. Dem sei erst in diesem Jahr, also zwölf Jahre später, stattgegeben worden.
Davor habe sie, wie viele andere Betroffene auch, ein Spießrutenlaufen bei Ärzten, Gutachtern, Behörden und Gerichten durchgemacht. „Man kommt sich vor wie eine SimuÂlantin“, klagte sie.
Eine andere Betroffene, Sabine Schley, berichtete, dass ihr Antrag nach 15 Jahren abgelehnt worden sei. Oft sei gerade bei multimorbiden Patienten, also Menschen, die an einer Vielzahl von Krankheiten leiden, eine Zuordnung der Schädigungsfolgen zur Infektion durch den Gutachter nur schwer möglich.
Den Patienten werde nicht oder nur unzureichend geholfen. „Der Befund bezieht sich oft nur auf die Leber und nicht den gesamten Patienten“, sagte der Einzelsachverständige Elmar Lersch, der auch den Deutschen Verein HCV-Geschädigter vertrat.
Im Laufe der Anhörung wurde deutlich, dass es für die Hepatitis-C-Fälle zu wenige spezialisierte Gutachter gibt. Letztlich seien nur Hepatologen, also Experten für Leber, in der Lage, fachlich die Situation der Erkrankten richtig einzuschätzen, waren sich der Vertreter der fBundesärztekammer (BÄK), Prof. Michael Roggendorf, und der Vertreter der Deutschen Leberhilfe, Bernd Kronenberger, einig: „Es gibt Gutachter, die noch nicht mal wissen, das Hepatitis C bei einigen Patienten heilbar ist“, verÂdeutlichte Kronenberger die Situation.
Die Deutsche Leberhilfe, die den Antrag der Linksfraktion unterstützt, tritt zudem für eine „Überarbeitung der gutachterlichen Kriterien ein“.
Mittlerweile ist es gelungen, die eindeutige Infektion der Frauen durch dasselbe Virusisolat nachzuweisen. Deshalb lehnt die BÄK den so vorliegenden Gesetzentwurf ab. In der Konsequenz bedeutet das, dass Frauen, die an der chronischen Hepatitis C leiden, durch Untersuchung ihres Blutes der für das Anti-D-Hilfegesetz maßgeblichen Infektionsquelle zugeordnet werden können.
Die Anhörung drehte sich daher auch immer wieder um die Frage, wie und ob man Spätschäden auf die damalige Hepatitis-C-Infektion zurückführen könnte. Es sei vor allem eine Frage der Abwägung, ob eine Folgekrankheit wie eine Depression auf die Infektion zurückzuführen sei, machte Roggendorf deutlich.
Denn selbst in Fällen, in denen die eigentliche Krankheit Hepatitis C ausgeheilt sei, könne es Folgekrankheiten geben. In der WissenÂschaft sind 15 extrahepatische Erkrankungen, also außerhalb der Leber auf andere Organe übergreifende Erkrankungen anerkannt.
Dazu gehören Einschränkungen der Leistungsfähigkeit, GelenkÂbeschwerden, autoimmune Schilddrüsenkrankheiten sowie Schilddrüsen- und Prostatakarzinom. Immerhin betreffen Hepatitis-C-Erkrankungen 400.000 Menschen in Deutschland. Das Virus selbst ist erst seit 1989 bekannt.
Der Deutsche Anwaltsverein lehnte die Umkehrung der BeweisÂlast in der Anhörung ab. „Das hat eine Ungleichbehandlung anderer Patientengruppen zur Folge“, sagte Prof. Dr. Hermann Plagemann.
Der Deutsche Richterbund, der dem Antrag ebenfalls nicht folgte, ging zudem davon aus, dass der derzeitige GesetzÂentwurf keine große Hilfe für die Betroffenen sei. „Letztlich kommt es auf die Beantwortung der medizinischen Frage an“, betonte Bernhard Joachim Scholz.