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Er ist der derzeit wohl umstrittenste Etat, über den der Bundestag in dieser Haushaltswoche diskutiert hat: der Haushalt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (17/7123, 17/7124, 17/7125). Die Beratungen am Donnerstag, 24. November 2011, gestalteten sich außergewöhnlich turbulent. Besonders umstritten waren die Planungen des Ministeriums für Mittel zur Extremismusbekämpfung, der Ansatz für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und das Betreuungsgeld.
Für die SPD-Fraktion warf die Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Familie, Caren Marks, Familienministerin Dr. Kristina Schröder (CDU) vor, sie könne die Probleme - etwa eine mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die zu geringe Anzahl von Betreuungsplätzen, eine mangelnde Gleichstellungspolitik und eine Fremdenfeindlichkeit in der Gesellschaft - nicht lösen. Die Ministerin wolle zwar Programme gegen den Rechtsextremismus fördern, gleichzeitig aber die Mittel der entsprechenden Projekte zugunsten der Bekämpfung des Linksextremismus und des Islamismus kürzen.
Es sei "verantwortungslos", Gruppen innerhalb der Bevölkerung gegeneinander auszuspielen und so zur "Spaltung der Gesellschaft" beizutragen. Familien bräuchten ein verlässliches und den Bedarf deckendes Betreuungsangebot; das geplante Betreuungsgeld sei hingegen eine "gesellschaftspolitische Katastrophe". Dies unterstrich auch die Grünen-Abgeordnete Katja Dörner: Das Betreuungsgeld, das jährlich mit bis zu zwei Milliarden Euro zu Buche schlagen werde, strafe alle Beteuerungen zur Haushaltsdisziplin Lügen und sei eine "reine Fernhalteprämie", die vom Versagen beim Kita-Ausbau ablenken solle.Â
Für die Fraktion Die Linke sagte der Haushälter Steffen Bockhahn, es sei sehr gut, dass die geplanten Kürzungen bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus um zwei Millionen zurückgenommen worden seien, es sei jedoch "schlimm, dass es dazu eines solchen Anlasses bedurfte". Es sei unverständlich, warum Projekte zur Bekämpfung des Rechtsextremismus nur bis maximal 50 Prozent gefördert werden könnten, Projekte zur Bekämpfung des Linksextremismus jedoch bis 90 Prozent.
Diese "objektive Ungleichbehandlung" sei ein „falsches Signal“. Bockhahn kritisierte die Kürzungen bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Dass Schröder in einem Interview behauptet habe, die Opposition habe dem zugestimmt, sei eine "Lüge", die die Ministerin zurücknehmen solle. Bockhahn kritisierte zudem die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die sich einem gemeinsamen Änderungsantrag verweigert hätten. Dies sei "kleingeistiges parteipolitisches Denken".
Die Grünen-Familienpolitikerin Monika Lazar sagte, mit ihrer Extremismusklausel erschwere die Ministerin vielen Initiativen die Arbeit und erschwere ihnen die Arbeit. Die Kürzungen bei der Antidiskriminierungsstelle, die mit 2,9 Millionen Euro ohnehin schon "nicht üppig ausgestattet“ gewesen sei um circa 12 Prozent seien "nicht nachvollziehbar".
Die Koalition dagegen bescheinigte dem Familienministerium den richtigen Kurs. Die Antidiskriminierungsstellle habe einen großen Teil der Mittel nicht abgerufen - es sei auch nun noch "genug Luft für die Realisierung von Projekten", stellte der CDU-Haushaltspolitiker Andreas Mattfeldt fest. Er lobte, es sei eine "erfreuliche Entwicklung", dass sich der Ansatz im Etat für das Haushaltsgeld erhöht habe. Auch die Unterstützung ungewollt kinderloser Paare mit sieben Millionen Euro komme "den Menschen zugute". Mattfeldt nannte die Kritik an den geplanten, nun aber wieder gekippten Kürzungen im Extremismustitel "abstrus". Es habe sich hier um Kosten für Verwaltungsakte gehandelt, die zunächst von externen Dienstleistern erbracht worden seien, jetzt aber intern erledigt würden.
Auch die Familienexpertin der FDP, Miriam Gruß, betonte, seit dem Ende von Rot-Grün hätten sich die Ausgaben für die Extremismusbekämpfung „fast verdreifacht“. Sie verfolge "mit Interesse" die Debatte innerhalb der Union um das Betreuungsgeld - die "Rahmenbedingungen" seien gesteckt, nun gehe es um die konkrete Ausgestaltung.
Familienministerin Kristina Schröder (CDU) warf der Opposition vor, sich an den 29 Millionen Euro abzuarbeiten, die in ihrem Etat für die Extremismusprävention vorgesehen seien und dabei die 4,9 Milliarden Euro für das Elterngeld zu vernachlässigen. Dessen hoher Anteil am Gesamtetat von 6,7 Milliarden Euro beweise, dass ihr Haus die richtigen Prioritäten setze. Väter definierten ihre Rolle neu - die entspreche dem Bedürfnis der Menschen.
Schröder betonte, es seien Änderungen beim Kitaausbau dringend erforderlich. Sie werde deshalb nicht wie bislang einmal jährlich die Ausbaustatistik abfragen, sondern sich künftig monatlich von den Ländern darüber unterrichten lassen, wie viele Plätze sie geschaffen und wie viel Geld sie dafür eingesetzt hätten. Auch der von der Opposition viel kritisierte Bundesfreiwilligendienst habe sich als großer Erfolg erwiesen. Zur umstrittenen Demokratieklausel sagte Schröder, es sei nicht zu viel verlangt, wenn Initiativen, die Staatsgelder beantragten, sich zum Grundgesetz und zur Demokratie bekennen sollten. Es mache sie sehr "nachdenklich“, mit welchen Methoden nun einige versuchten "parteipolitischen Gewinn" aus der Neonazi-Mordserie zu ziehen.
Nach der Debatte nahm der Bundestag den Einzelplan 17 des Bundeshaushalts 2012 (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) mit der Mehrheit von CDU/CSU und FDP gegen das Votum von SPD, Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen an. Der Etat umfasst Ausgaben von 6,79 Milliarden Euro (17/7116, 17/7123).
Bereits am 22. November hatte ein Änderungsantrag der Koalition (17/7826), der eine Aufstockung des Haushaltstitels "Maßnahmen zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie" um zwei Millionen Euro auf 29 Millionen Euro vorsieht, die Mehrheit der Abgeordneten gefunden. Abgelehnt wurden am 24. November die Änderungsanträge von SPD (17/7816, 17/7817) SPD und Grünen (17/7818), der Linken (17/7819, 17/7820) und der Grünen (17/7821). Den Änderungsantrag der SPD (17/7817) lehnten in namentlicher Abstimmung 312 Abgeordnete ab, 137 stimmten ihm zu, es gab 122 Enthaltungen. Den Änderungsantrag der Linksfraktion (17/7819) lehnten in namentlicher Abstimmung 313 Abgeordnete ab, 257 stimmten zu, es gab eine Enthaltung. 314 Abgeordnete lehnten in der dritten namentlichen Abstimmung einen Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen (17/7821) ab, 258 stimmten ihm zu. (suk)