Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2011 > Frauenquote
Der Bundestag will mehr Frauen in den Aufsichtsräten sehen - eine starre gesetzliche Quote lehnt er allerdings ab. Das wurde einmal mehr in der Debatte um einen „Entwurf eines Gesetzes zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten“ der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/3296) am Freitag, 2. Dezember 2011, deutlich. Mit den Stimmen der Koalition lehnte das Parlament in namentlicher Abstimmung sowohl den Entwurf der Grünen (17/3296) als auch einen Antrag der SPD für eine „Quotenregelung für Aufsichtsräte und Vorstände“ (17/4683) ab und folgte damit der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (17/6527).
Auf den Gesetzentwurf der Grünen entfielen 281 Nein-Stimmen bei 236 Ja-Stimmen und acht Enthaltungen, auf den Antrag der SPD 286 Nein-Stimmen bei 236 Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen. Ein Antrag der Bündnisgrünen für die „gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen“ (17/7953) wurde zur Beratung an den zuständigen Ausschuss überwiesen.
In dem Entwurf hatten die Grünen gefordert, dass es künftig in Aufsichtsräten und Vorständen eine „Mindestquote für beide Geschlechter in Höhe von 40 Prozent“ geben solle. In der Debatte betonte Renate Künast für die Fraktion, obwohl seit 60 Jahren im Grundgesetz die Gleichstellung von Männern und Frauen verankert sei, habe dies „nicht gereicht“. Gehe es bei der Gleichstellung in den Aufsichtsräten und Vorständen weiter wie bisher, dauere es „noch ein halbes Jahrhundert“ bis diese erzielt sei - dies sei „nicht mal Schneckentempo, sondern Faultiertempo“.
Auf dem gemeinsamen Gipfel von Regierung und Unternehmen zur Frauenquote im Oktober sei „eine Chance verpasst“ worden, weil dort in den Vorschlägen der Unternehmen die Vorstände und Aufsichtsräte nicht einmal benannt worden seien. Angesichts dessen, dass 2013 ein Großteil der Aufsichtsräte neu besetzt werde, sei es an der Zeit, eine gesetzliche Quote einzuführen, damit die Unternehmen sich nun bemühen könnten, geeignete Frauen zu finden.
Auch die SPD unterstützt die Forderungen nach einer verbindlichen Quote. Es sei fast ein Jahr vergangen, seit man den Entwurf der Grünen erstmals diskutiert habe, sagte die SPD-Abgeordnete Dr. Eva Högl. Seither habe die Bundesregierung nichts getan, es sei „verlorenes Jahr für die Frauen in Deutschland“ gewesen. Das Parlament habe über das Grundgesetz einen „klaren Handlungsauftrag“; zudem sei eine Mehrheit in der Bevölkerung dafür, den Frauenanteil in Führungspositionen gesetzlich zu regeln.
Eine Frauenquote werde dafür sorgen, dass Frauen „endlich auf die Plätze kommen, die ihnen zustehen“ - die Regierung dagegen setze etwa mit dem geplanten Betreuungsgeld „Signale in die falsche Richtung“. Högls Fraktionskollegin Christel Humme betonte, Ministerin Dr. Kristina Schröder (CDU) habe sich beim Gipfel im Oktober von den Unternehmen „an der Nase herumführen lassen“ - wer nichts Konkretes fordere, der bekomme auch nichts.
Auch die Fraktion Die Linke will eine gesetzliche Frauenquote - geht mit dem Anspruch, diese müsse 50 Prozent betragen, aber über die Vorschläge von SPD und Grünen hinaus. Es gehe zudem nicht nur um mehr Frauen in Führungsetagen, betonte Yvonne Ploetz, sondern um Gleichstellung auf allen Ebenen. Die Quote sei ein geeignetes Mittel und ein möglicher Türöffner zu einer geschlechtergerechten Gesellschaft.
Die von der Ministerin geforderte Flexiquote sei ein „Zeichen für die Biegsamkeit des politischen Rückgrats“. Sie könne noch nicht einmal im eigenen Haus für Gleichberechtigung sorgen: Das Familienministerium habe keine einzige Staatssekretärin, und nur eine von fünf Abteilungen werde weiblich geführt.
Die Koalitionsfraktionen lehnen eine „Zwangsquote“ dagegen vehement ab. Es sei zwar eine „traurige Tatsache“, dass Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert seien, so der CDU-Abgeordnete Dr. Stephan Harbarth. Das Problem lasse sich aber nicht, wie von der Opposition vorgeschlagen, über eine starre Quote lösen, sondern über den von der Koalition vorgeschlagenen Stufenplan „ohne gesetzgeberische Überregulierung“.
So müssten in einem ersten Schritt die Rahmenbedingungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am Erwerbsleben geschaffen werden. In einem zweiten Schritt solle es „transparente freiwillige Selbstverpflichtungen“ mit einer flexiblen Quote geben und erst dann, wenn die Unternehmen es bis 2013 nicht schaffen würden, ihren Frauenanteil in den Vorständen zu steigern, soll es „quantifizierbare Zielvorgaben“ geben, die die speziellen Bedingungen in den Branchen im Blick haben sollten. Die Flexiquote werde einen „öffentlichen Rechtfertigungsdruck“ auf die Unternehmen bringen.
Elisabeth Winkelmeier-Becker, CDU-Frauenpolitikerin, betonte hingegen, man dürfe nicht davon ausgehen, dass das Problem sich von alleine regeln werde - man brauche vielmehr eine „schnelle Regelung“. Zielvorgaben von 30 Prozent bis 2018 seien hier denkbar.
Die CDU-Frauenpolitikerin Rita Pawelski warf der SPD vor, indem sie eine namentliche Abstimmung zu den Initiativen durchgesetzt habe, habe sie „der Sache geschadet“, weil diese sie und ihre Kolleginnen damit gezwungen hätte, „in eine Richtung abzustimmen, die wir eigentlich nicht wollen“.
Die FDP lehnt eine gesetzliche Frauenquote strikt ab. Eine starre Quote sei „unverhältnismäßig“ und greife zu kurz, so die Liberale Nicole Bracht-Bendt. Man dürfe nicht alle Aktiengesellschaften wie Großunternehmen behandeln; vor allem die vielen Mittelständler stelle eine Quote vor ein Problem. Auch ohne staatliche Verordnungen sei der Druck auf Wirtschaft und Unternehmen groß, sich „ein frauenfreundliches Image“ zu geben.
Der liberale Rechtsexperte Marco Buschmann betonte, auf dem Gipfel im Oktober habe die Bundesregierung viel erreicht. Von den Vorschlägen von SPD und Grünen würde nur ein Bruchteil der gut ausgebildeten Frauen profitieren, sie würden damit nur „Symbolpolitik“ betreiben. (suk)
Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften sollen künftig per Quote besetzt und damit "geschlechtergerecht" werden: Das fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Gesetzentwurf (17/3296). Der Bundestag wird darüber am Freitag, 2. Dezember 2011, ab 11 Uhr 90 Minuten lang beraten und anschließend namentlich abstimmen. Deutschland habe "erhebliche Defizite in Sachen Gleichstellung in der Privatwirtschaft", heißt es zur Begründung, die „fortdauernde Diskriminierung“ schade den Unternehmen und der Wirtschaft insgesamt, Bildungsinvestitionen würden vergeudet und kreative Potenziale gingen verloren.
Zur Lösung des Problems schläft die Fraktion vor, auf Kapitalseite eine Mindestquote für beide Geschlechter in Höhe von 40 Prozent einzuführen und auf Arbeitnehmerseite bereits bestehende Regelungen zur geschlechtergerechten Besetzung auszuweiten und strenger zu fassen.
Die Abgeordneten schreiben, eine Vereinbarung aus dem Jahr 2001 zwischen Bundesregierung und Arbeitgeberverbänden zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft müsse "als gescheitert" angesehen werden. Weil auch die neuen Empfehlungen des Deutschen Corporate-Governance-Kodexes keinen verbindlichen Frauenanteil für die Aufsichtsräte festlegten, müsse der Gesetzgeber "seiner Schutzpflicht nachkommen".
Für die Debatte am Freitag hat die Fraktion einen weiteren Antrag zur "gleichberechtigten Teilhabe von Frauen in Führungspositionen" angekündigt.
Auch die SPD-Fraktion will eine gesetzlich festgeschriebene Quotenregelung für Aufsichtsräte und Vorstände. In einem Antrag (17/4683) schreiben die Sozialdemokraten, es sei "nicht nachvollziehbar", dass die Bundesregierung am Prinzip der Freiwilligkeit festhalte, wenn es darum gehe, die Beteiligung von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Man müsse feststellen: "Freiwilligkeit führt nicht zu mehr Gleichberechtigung", nach wie vor seien Aufsichtsräte und Vorstände "fest in der Hand von Männern".
Wie die Grünen will die SPD eine Quote von mindestens 40 Prozent festschreiben; die Umsetzung der Regelung will sie spätestens für das Jahr 2015 gesetzlich verankern. Zur Begründung heißt es, von 30 DAX-notierten Unternehmen habe der Frauenanteil bei Vorstandsmitgliedern im Jahr 2009 bei 0,55 Prozent und 2010 bei 2,16 Prozent gelegen. Nach der EU-Grundrechtecharta sei die Gleichheit von Männern und Frauen "in allen Bereichen, einschließlich der Beschäftigung, der Arbeit und des Arbeitentgeltes, sicherzustellen".
Der zuständige Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages hat die Ablehnung beider Anträge mit den Stimmen der Koalition empfohlen (17/6527).
Innerhalb der Koalition ist die Frauenquote umstritten: Während Familienministerin Dr. Kristina Schröder (CDU) eine flexible Quote favorisiert, die die börsennotierten Unternehmen selbst festlegen dürfen, setzt sich Arbeitsministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) für eine gesetzliche Frauenquote in den Führungspositionen aller Dax-Unternehmen ein. Die Liberalen lehnen gesetzliche Regelungen ab. (suk)