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Wie geht es weiter mit dem Arabischen Frühling und was sind die Handlungsoptionen der Europäischen Union? Das waren die Leitfragen einer Podiumsdiskussion im Informationsbüro des Europäischen Parlaments in Berlin, an der der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU/CSU), am Freitag, 16. Dezember 2011, teilnahm. Zusammen mit der Grünen-Europaparlamentarierin Barbara Lochbihler, Vorsitzende des Unterausschusses für Menschenrechte des Europäischen Parlaments, und Dr. Sonja Hegasy vom Zentrum Moderner Orient diskutierte er die Umstürze in der arabischen Welt. Anlass für die Veranstaltung war die Verleihung des Sacharow-Preises am Mittwoch, 14. Dezember 2011, in Straßburg.
Der Sacharow-Preis für geistige Freiheit wird seit 1988 jedes Jahr im Dezember verliehen. Damit würdigt das Europäische Parlament Persönlichkeiten oder Organisationen, die sich für Menschenrechte und Meinungsfreiheit einsetzen.
In diesem Jahr wurden fünf Aktivisten des Arabischen Frühlings ausgezeichnet: die Ägypterin Asmaa Mahfouz als Repräsentantin der Demonstranten auf dem Tahrir-Platz, Ahmed al-Zubair Ahmed al-Sanusi, Libyens am längsten inhaftierter politischer Gefangener, die syrische Menschenrechtsaktivistin Razan Zaitouneh und der syrische Karikaturist Ali Farzat. Posthum erhielt der Tunesier Mohamed Bouazizi den Sacharow-Preis. Seine Selbstverbrennung löste die Proteste des Arabischen Frühlings aus.
„Das Europäische Parlament hat mit der Verleihung ein Zeichen gesetzt“, betonte Ruprecht Polenz. Dennoch müsse man sich bewusst sein, dass nicht Europa die Revolution mache, sondern diese lediglich unterstützen könne. Hierzu sei ein genaues Bild von der Situation vor Ort wichtig.
Polenz wies jedoch darauf hin, dass Europa die arabischen Länder verzerrt wahrnehme. „Wir müssen unsere Zerrbrillen abnehmen“, forderte er. Insgesamt nannte er drei solcher Brillen: die „Mubarak-Assad-Brille“ – nämlich die Vorstellung, dass die Länder nur autoritär regiert werden könnten –, die „Kelek-Sarrazin-Brille“ – die Überzeugung, dass Muslime keine Demokratie beherrschten – und die „Huntington-Brille“ – nämlich die Angst, dass die europäische Welt in einem Zivilisationskonflikt mit der islamischen stehe.
Europa müsse nach seinen Werten und auch nach seinen Interessen handeln, sagte Polenz. Interessen wie wirtschaftliche Kooperation oder die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des transnationalen Terrorismus hätten auch bei der Zusammenarbeit mit den arabischen Diktatoren eine Rolle gespielt. Nun sei es aber vor allem wichtig, nach dem europäischen Interesse an der Stabilität der Region durch Modernisierung, gute Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit zu handeln.
Das Europäische Parlament beschäftige sich derzeit mit der verfehlten Politik gegenüber den Diktatoren der arabischen Welt, berichtete Barbara Lochbihler. Man habe zu lange auf eine falsche Stabilität gesetzt und Menschenrechte nur so lange unterstützt wie es den anderen Staat nicht gestört habe. „Daraus müssen wir lernen“, forderte sie. Europa habe sich zu lange auf die Falschen konzentriert.
Auf die Frage, wer nun die Richtigen seien, sagte sie: „Wir dürfen die Wahlergebnisse nicht in Auftrag geben.“ Europa müsse mit allen sprechen, die gewählt werden. Wahlprogramme müssten analysiert und mit den entsprechenden Parteien besprochen werden. Als wichtiges Instrument nannte sie die Menschenrechtsklausel, die eingelöst werden könne. Gleichzeitig müssten zivilgesellschaftliche Strukturen unterstützt werden, sagte Lochbihler.
Dr. Sonja Hegasy wies darauf hin, dass die Veränderungen in der arabischen Welt ein langer Prozess seien und nicht mit der kommenden Wahl beendet seien. „Eventuell werden die Früchte erst in fünf Jahren, also bei der nächsten Wahl, geerntet“, meinte sie. So hätten vermutlich viele Wähler erst dann ein deutlicheres Bild von der Situation.
Zurzeit sei es noch sehr schwierig, die Situation klar einzuschätzen. Es gebe wöchentlich neue Akteure und Gruppen. In Ägypten sei zudem unklar, wie sich der Militärrat weiter verhalte: Werde er die Macht abgeben oder weiter regieren? Hier müsse der Druck auf den Militärrat erhöht werden und gleichzeitig genau beobachtet werden, wie er mit den Menschenrechten umgeht. (tyh)