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Die SPD will, dass der Bund die Länder in der Bildungspolitik finanziell unterstützen darf. © picture alliance / Frank May
Die Oppositionsfraktionen sprechen sich ebenso wie die FDP-Fraktion für eine Abschaffung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern im Bereich der Bildung aus. Es sei nicht zu verstehen, dass sich Bund und Ländern gegenseitig verbieten würden, an der Beseitigung von Missständen zu arbeiten, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Frank Walter Steinmeier während der ersten Beratung eines von seiner Fraktion eingebrachten Antrages (17/8455), der einen neuen Grundgesetzartikel vorsieht, der dem Bund dauerhafte Finanzhilfen im gesamten Bildungsbereich ermöglichen soll. Dass der Bund nicht helfen dürfe, sei ein Unding, urteilte auch der FDP-Abgeordnete Heiner Kamp.
Der Unionsabgeordnete Michael Kretschmer kritisierte hingegen, der Antrag sei eine Einladung an die Länder, „sich einen schlanken Fuß zu machen“. Die „Akteure im Bildungsbereich“ dürften jedoch nicht aus der Verantwortung entlassen werden. Für die Beibehaltung des Kooperationsverbotes sprach sich der bayrische Staatsminister für Unterricht und Kultus, Dr. Ludwig Spaenle (CSU), aus. „Die Bildung ist bei den Ländern in guten Händen“, sagte er.
Frank Walter Steinmeier räumte zu Beginn der Debatte ein, dass das 2006 mit der ersten Föderalismusreform eingeführte Kooperationsverbot ein Fehler gewesen sei. „Wir sollten sagen: Wir haben uns geirrt. Das Kooperationsverbot ist Blödsinn, es muss weg“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende. An der Zuständigkeit der Länder wolle seine Fraktion nicht rütteln. Gleichwohl müsse eine „Bündelung der Kräfte“ möglich sein.
Es sei nicht vermittelbar, dass trotz der schlechten Ergebnisse aus der OECD-Studie „nur über Zuständigkeiten geredet wird“. Gebraucht würden mehr Bildungsinvestitionen, forderte Steinmeier. „Das wird zu einer Überlebensfrage dieser Gesellschaft“, zeigte er sich überzeugt. Derzeit jedoch würden auf der Bundesseite Millionen verschwendet, die auf der Länderseite für bessere Bildung dringend benötigt würden, sagte er und verwies auf die „nicht laufenden Bildungsgutscheine, das falsche Betreuungsgeld und Steuersenkungen, auf die niemand wartet“.
„Wir haben ernst gemacht mit der Bildungspolitik“, sagte Michael Kretschmer (CDU/CSU). Keine Regierung habe mehr für die Bildung ausgegeben, als die unter Führung von Angela Merkel, betonte er. Dabei seien vor allen „nachhaltige Akzente“ gesetzt worden. Bei der Bildungspolitik, so Kretschmer, gehe es nicht zuerst um Geld, sondern um die Schaffung und den Ausbau von Strukturen. Was die SPD jedoch vorschlage sei eine reine „Geldverschiebeaktion“. Dabei habe sich gezeigt, dass in den Ländern Bundesmittel für den Bereich der Bildung „versickern“.
Kretschmer sprach sich für eine klare Verantwortungsteilung aus, da dies besser abrechenbar sei. „Wir sollten auf Augenhöhe mit den Ländern sprechen und nach Lösungen für die Kooperation suchen“, forderte der CDU-Politiker. Aus seiner Sicht sollte der Bund verstärkt in den Bereich der Wissenschaft investieren. Kaputte Toiletten und Unterrichtsausfall könne der Bund nicht regeln, sagte er. „Damit würden wir uns übernehmen.“
Ein Hin- und Herschieben der Schuldfrage sei dem Thema unangemessen, sagte Dr. Rosemarie Hein (Die Linke). Frage man den Bürger auf der Straße, so höre man immer wieder die Forderung, der Bund solle die Zuständigkeit für die Bildung übernehmen. Hintergrund dafür seien die verschiedenen Bildungssysteme der Länder, die einen Schulwechsel stark erschweren würden. „Das Kooperationsverbot hat der Bildung geschadet“, lautet daher das Urteil der Linkenabgeordneten.
Der Wettbewerbsföderalismus führe dazu, dass die Bildungschancen von der Finanzkraft der Länder abhängig seien. Die Rechnung für diese „verfehlte Bildungspolitik“ müssten Eltern und Kinder zahlen. Daher, so Hein, müsse die Föderalismusreform von 2006 komplett zurückgenommen werden.
Das Kooperationsverbot sei ein Fehler gewesen, sagte auch Heiner Kamp (FDP). Seinerzeit habe es einen Kuhhandel gegeben, bei dem die Beteiligten die Stärkung der Bildung offensichtlich nicht im Blick gehabt hätten. Dieser „schwarz-rote Fehler“ müsse dringend behoben werden, forderte Kamp. Die bei den Ländern herrschende Angst vor einer Zentralisierung sei unbegründet, betonte er.
Als gutes Beispiel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit nannte er den Hochschulbereich. Kamp lobte zugleich die von der christlich-liberalen Landesregierung in Schleswig-Holstein eingebrachte Bundesratsinitiative zur Änderung des Grundgesetzes in dieser Frage. Man werde nun sehr darauf achten, wie die SPD-geführten Länder mit dem Vorschlag umgehen, kündigte Kamp an.
Union und SPD hätten mit der Föderalismusreform 2006 den Bund aus jeder Verantwortung für den Schul- und Bildungsbereich herausgedrängt, sagte Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen). Damit habe man den föderalen Bildungsbereich geschwächt und der Ausfinanzierung des Bildungssystems geschadet. Zudem habe es mit dem Bildungs- und Teilhabepaket die „bürokratischte Sozialleistung aller Zeiten“ mit sich gebracht.
„Wer gute Ganztagsschulen mit individueller Förderung ausfinanziert, braucht keine Gutscheine für kommerzielle Nachhilfeinstitute auszugeben“, sagte Gehring. Dass Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) und die SPD ihren damals gemachten Fehler korrigieren wollten, erkenne er ausdrücklich an. „Wir brauchen nun im Bundestag und im Bundesrat einen gemeinsamen Kraftakt, um eine Zweidrittelmehrheit zu gewinnen“, sagte Gehring.
Die Übertragung der Kompetenzen in Schulfragen an die Länder sei richtig gewesen, urteilte hingegen der bayrische Bildungsstaatsminister Spaenle. Es sei wichtig, dass die Entscheidungen bei einem Thema, „von dem die Menschen so stark betroffen sind, auch nah bei ihnen gefällt werden“.
Die Länder, so Spaenle, trügen eine gesamtstaatliche Verantwortung und seien bei der Entwicklung gemeinsamer Standards auch „gemeinsam unterwegs“. Benötigt werde jedoch auch zusätzliches Geld für den Bildungsbereich. „Hier sprechen wir über die Finanzverfassung und über zusätzliche Umsatzsteuerpunkte“, sagte er. (hau)