Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > Januar 2012 > Streit über Liberalisierung des Führerscheinerwerbs bei Sportbooten
Zentrales Anliegen des Antrags der Koalitionsfraktionen (17/7937) ist die Forderung, eine Führerscheinpflicht erst für Boote mit einer Mindeststärke von 15 PS vorzuschreiben, bislang liegt diese Schwelle bei fünf PS: „Dies bedeutet keinen Verlust an Sicherheit.“ Die geltende restriktive Regelung könne sogar kontraproduktiv sein, so Union und FDP: Boote mit weniger als fünf PS könnten in manchen Gefahrensituationen eine stärkere Leistung benötigen, doch würden die Eigner ihre Fahrzeuge nicht mit stärkeren Motoren ausrüsten, um eine Führerscheinpflicht zu vermeiden. Die Koalition plädiert dafür, Unterrichtung und Prüfung mehr auf praktische Fähigkeiten abzustellen. Erforderlich sei auch die Schaffung eines einheitlichen Qualitätssiegels für Ausbildungsstätten. Ausgeweitet werden soll die Fläche jener Gewässer, für die seit 2000 die sogenannte Charterregelung gilt: In diesen Gebieten können Touristen nach einer mehrstündigen Einweisung eine Charterbescheinigung erwerben, die das Fahren eines Bootes erlaubt. Dies habe zu einer „Belebung des Tourismus geführt“.
Tracht widersprach BUND-Sprecher Lücking, aus dessen Sicht Sportboote die Gewässer schon jetzt ökologisch immer stärker belasten. Als Konsequenz der demographischen Entwicklung sinke die Zahl der Freizeitkapitäne vielmehr zusehends, „von einer Übernutzung der Gewässer sind wir weit entfernt“, so der Sachverständige. Der Wassertourismus benötige Impulse, „die rigiden Führerscheinvorschriften schrecken ab“. Bewährt habe sich die Charterregelung, da 40 Prozent der Inhaber eines solchen Zertifikats anschließend auch den Führerschein erwerben würden. Tracht sieht „keine erheblichen Sicherheitsprobleme“ durch eine Heraufsetzung der Führerscheinschwelle von fünf auf 15 PS. Dies zeige sich auch in Skandinavien oder in Großbritannien und Holland, wo liberalere Vorschriften in Kraft seien oder gar kein Führerschein verlangt werde.
Häbich assistierte, der Einstieg in den Wassersport müsse erleichtert werden. Der ADAC-Vertreter sagte, dass in der Ausbildung mehr Wert auf die Vermittlung praktischer Fähigkeiten gelegt werden müsse. Dringend erforderlich sei auch eine einheitliche Qualifizierung der entsprechenden Schulungsstätten.
Lücking lehnte eine Ausweitung des Wassertourismus mit dem Argument ab, dass die Sportboote mit ihrem Schadstoffausstoß die Wasserqualität und die Pflanzen schädigten sowie mit ihrem Lärm die Brutzeit der Vögel und Passanten in Ufernähe störten. Es gelte, den „natürlichen Reichtum“ der Gewässer zu erhalten. Wie Lücking verlangte Roeder die Beibehaltung der Fünf-PS-Schwelle. Werde der Führerscheinerwerb erst von 15 PS an zur Pflicht, „so wagen sich viele Leute aufs Wasser, bei denen das nicht sinnvoll ist“. Man müsse auch an die Sicherheit von Kanus und Ruderbooten denken, mahnte der Experte. Eine Liberalisierung bewirke zudem, dass zahlreiche Bootsfahrer nicht mehr über ökologische Aspekte unterrichtet würden. Kritik an den Plänen der Koalition mit dem Ziel einer Förderung des Wassertourismus übte auch Gerhard Philipp Süß vom Deutschen Segler-Verband. Schon jetzt seien besonders die Bundeswasserstraßen in hohem Maße frequentiert. Die geltende Führerscheinpraxis sei ein „bewährtes Modell der Befähigungsnachweise“.
Hans-Joachim Werner von der Wasserschutzpolizei Brandenburg plädierte dafür, die Schwelle für den Führerscheinerwerb auf zehn PS heraufzusetzen und eine Probezeit von drei oder vier Jahren einzuführen. Die Altersgrenze solle bei 18 Jahren liegen. Sinnvoll sei eine obligatorische Haftpflichtversicherung. Für Brandenburg zog Werner eine „insgesamt positive Bilanz“ der Charterregelung. Gleichwohl habe es im zurückliegenden Jahrzehnt in diesem Bereich durchschnittlich 25 Unfälle jährlich gegeben.
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