Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > Juni 2012 > Sachverständige sehen Euratom-Vertrag kritisch
Hans-Gerd Marian („NaturFreunde Deutschlands“) forderte, Euratom endlich aufzulösen. Die Organisation beklagte, dass die EU-Kommission ein europäisches Volksbegehren gegen die Atomkraft als unzulässig bezeichnet habe, weil der die Förderung der Atomenergie beinhaltende Vertrag eine Bürgerinitiative gegen Atomkraft verhindere. „Ein weiteres Mal erweist sich damit der Euratom-Vertrag als ein Vehikel der Atomlobby, die sich über demokratische Prinzipien stellen will“, kritisierte die Organisation „NaturFreunde“.
Der Sachverständige Wolfgang Renneberg (Büro für Atomsicherheit) bezeichnete die Europäische Union im Bereich der nuklearen Sicherheit aus eigener rechtlicher und technischer Kompetenz als nicht handlungsfähig. „Ganz im Gegensatz dazu steht der politisch medial vorgetragene Anspruch der Kommission, die nukleare Sicherheit in Europa garantieren zu wollen“, kritisierte der Sachverständige, der als Beleg den europäischen Stresstest für Kernkraftwerke anführte: „Die ,Prüfung‘ wurde von denjenigen durchgeführt, die die Kernkraftwerke seit Jahren betreiben und beaufsichtigen.“
„Euratom und seine Instrumente sind nicht mehr tragbar“, erklärte Patricia Lorenz (Antinuclear Campaigner). Sie warf den europäischen Institutionen vor, unter dem Vorwand von Sicherheitsverbesserungen Kredite zu gewähren, „die jedoch dem Neubau und zum Beispiel jetzt beim aktuellen Vorhaben der Lebensdauerverlängerung sowjetischer Reaktoren in der Ukraine dienen“. Ein Austritt aus Euratom bei gleichzeitigem Verbleib in der EU hielt sie für möglich.
Für ein Festhalten am Euratom-Vertrag argumentierte Frank. J. Scheuten (Kanzlei Kümmerlein Rechtsanwälte und Notare Essen). Der Vertrag akzeptiere die souveräne Entscheidung jedes Mitgliedsstaates über das Ausmaß der friedlichen Nutzung der Kernenergie in seinem Hoheitsgebiet. Über das Einstimmigkeitserfordernis habe jeder Mitgliedsstaat bei wichtigen Entscheidungen wie Vergabe von Krediten oder Investitionshilfen eine sehr weitgehende Mitgestaltungsmöglichkeit. „Auch die Tatsache, dass die Bundesrepublik Deutschland mit dem kurzfristigen Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie in der Europäischen Gemeinschaft einen Sonderweg geht, ist keine Rechtfertigung für die Überlegung, den Euratom-Vertrag grundlegend zu überarbeiten oder gar zu kündigen“, erklärte Scheuten. Professor Thomas Fanghänel (Institut für Transurane) verwies auf die große Bedeutung von Euratom für Standards und Sicherung der nuklearen Sicherheit.
Grundlage der Anhörung waren zwei Anträge von Oppositionsfraktionen. So fordert die SPD-Fraktion in einem Antrag (17/8927), den Euratom-Vertrag an die Herausforderungen der Zukunft anzupassen. Deshalb soll sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass „schnellstmöglich“ eine Regierungskonferenz einberufen wird, die den Vertrag grundlegend überarbeitet. Dabei soll die Sonderstellung der Atomenergie abgeschafft werden. Alle Passagen des Euratom-Vertrages, die Investitionen in die Atomenergie begünstigen, sollen gestrichen werden, fordern die Abgeordneten. Die freiwerdenden Mittel sollen stattdessen außerhalb des Euratom-Rahmens für die Forschung und Entwicklung von erneuerbaren Energien eingesetzt werden.
Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will den Euratom-Vertrag grundlegend überarbeiten lassen und fordert außerdem Vorbereitungen zu einem europaweiten Ausstieg aus der Kernenergie (17/7670). In dem Antrag verlangen die Abgeordneten unter anderem die Schaffung einer „Europäischen Gemeinschaft für erneuerbare Energien“. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich für die Abschaffung der in dem Euratom-Vertrag festgeschriebenen Sonderstellung der Kernenergie einzusetzen.
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