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Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 28. November 2011)
– bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung –
Gesine Lötzsch, haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke und Co-Vorsitzende der Partei Die Linke, hält den am vergangenen Freitag verabschiedeten Bundeshaushalt 2012 für unsolide und unausgewogen. Dies betont sie in einem Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 28. November).
Darüber hinaus forderten sie vor dem Hintergrund des Rechtsterrorismus , eine unabhängige Beobachtungsstelle Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums einzurichten. „Alle drei Maßnahmen würden Mehrausgaben von 15,5 Millionen Euro bedeuten“, betonte sie. Finanziert werden solle die Beobachtungsstelle durch eine Rücknahme der Erhöhung der Zuschüsse für den Verfassungsschutz um über 14 Millionen Euro.
Das Interview im Wortlaut:
Frau Lötzsch, der Bundestag hat am vergangenen Freitag den Haushalt 2012 verabschiedet. Gegenüber dem Regierungsentwurf gab es nur wenig Änderungen. Worauf führen Sie das zurück?
Die Regierungsfraktionen folgen gehorsam dem Finanzminister ohne Wenn und Aber. Das ist eine besorgniserregende Entwicklung. Wir haben mit unseren Anträgen einen großen Handlungsbedarf formuliert. Keiner unserer Anträge wurde von der Regierungskoalition angenommen. Diese Bunkermentalität muss CDU/CSU und FDP ablegen. Ich wünsche mir mehr Offenheit gegenüber Vorschlägen der Opposition.
Was halten Sie insgesamt am Haushalt für falsch?
Das Grundproblem ist die ungerechte Steuerpolitik der Bundesregierung. Die Einnahmen aus Gewinnsteuern gehen seit Jahren zurück, dafür steigt der Anteil der Lohn- und Mehrwertsteuer kontinuierlich. Die Vermögenden werden durch die Bundesregierung geschont. Auf der Ausgabenseite stellen wir fest, dass vor allem bei den Arbeitslosen gekürzt wird, aber nicht bei neuen, hochdotierten Stellen in der Ministerialbürokratie oder bei Rüstungsprojekten.
Woran denken Sie konkret?
Das aktuelle Beispiel für eine falsche Steuerpolitik ist das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz. Milliarden von unversteuertem Geld haben Deutsche in die Schweiz gebracht. Der Finanzminister denkt gar nicht daran, diese Leute angemessen zur Kasse zu bitten. Im Gegenteil, die Quellensteuer soll nur 26 Prozent betragen, obwohl die EU 35 Prozent fordert. Das ist reine Klientelpolitik.
Wo hätten Sie Geld eingespart?
Durch die Beendigung sämtlicher Auslandseinsätze der Bundeswehr sowie durch den Verzicht auf militärische Offensivmittel, insbesondere auf die Resttranchen des Kampfflugzeuges Eurofighter. So könnten insgesamt 4,7 Milliarden Euro eingespart werden. Allein für den Eurofighter sollen zukünftig noch 8,4 Milliarden Euro ausgegeben werden. Kein einziges großes Rüstungsprojekt, das im kalten Krieg begonnen wurde, wurde in Anbetracht einer völlig veränderten Weltsituation abgebrochen. Ein Beispiel ist der deutsch-französische Kampfhubschrauber Tiger. Er wird seit 1984 geplant und ist bis heute nicht einsatzfähig. Allein im nächsten Jahr soll für diese Investitionsruine 285 Millionen Euro ausgegeben werden.
Auch die Neuverschuldung bleibt hoch. Worauf führen Sie das zurück?
Die Bundesregierung belehrt die Regierungen in Griechenland, Spanien und Italien, dass sie doch endlich ihre Schulden abbauen und ihre Haushalte in Ordnung bringen sollen. Doch sie denkt gar nicht daran, ihren Empfehlungen im eigenen Land zu folgen. Eine Neuverschuldung wäre überhaupt nicht nötig, wenn die Regierung ihre Einnahmen in Ordnung bringen würde. Wir fordern unter anderem eine Vermögenssteuer für Millionäre und eine höhere Erbschaftssteuer. Von diesen Steuererhöhungen würde kein Millionär verarmen, aber sie würden einen wichtigen Beitrag leisten, um die Folgen der Krise zu verringern.
Die Steuereinnahmen sollen kommendes Jahr rund 250 Milliarden Euro betragen. Mehr als je zuvor. Wo sehen Sie noch Möglichkeiten, im Sinne der soziale Gerechtigkeit Steuern zu erheben?
60 Prozent des Vermögens ist in Deutschland in der Hand von 10 Prozent der Bevölkerung. Gleichzeitig haben in Westdeutschland 26,4 Prozent und im Osten sogar 29,7 Prozent kein Vermögen oder sogar Schulden. Deshalb fordern wir, kleine Einkommen zu entlasten und hohe Einkommen stärker zu besteuern. In Anbetracht höherer Steuereinnahmen schlagen wir vor, dass ein Drittel der Steuermehreinnahmen für den Abbau von Armut sowie die Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen zu nutzen. Die Sozialkürzungen müssen jetzt vollständig zurückgenommen werden. Ein Drittel der Steuermehreinnahmen muss in eine soziale Energiewende investiert werden. Das letzte Drittel sollte für den Schuldenabbau genutzt werden.
Wo könnten sie gesenkt werden?
Wir wollen zum Beispiel einen Grundfreibetrag von 9.300 Euro im Jahr. Damit entlasten wir ganz konkret die kleinen Einkommen. Die geplante 6-Milliarden-Euro- Steuerreform der Bundesregierung wird vor allem Besserverdienende entlasten. Die, die keine Einkommenssteuer zahlen müssen, aber Mehrwertsteuer und andere Verbrauchssteuern, würden steuerlich gar nicht entlastet.
Die Haushaltsberatungen wurden überlagert von der Diskussion zum Euro-Rettungsschirm. Ihre Fraktion hat geschlossen dagegen gestimmt. Warum?
Die Bundesregierung macht die gleichen Fehler wie in der Krise 2008. Sie behauptet wieder, dass erst der Krisenherd beseitigt werden muss, bevor die Finanzmärkte reguliert werden können. Wir wissen, dass nach der Bankenkrise von 2008 die Finanzmärkte nicht reguliert wurden. Schon damals wurde von der Kanzlerin gefordert, dass Banken, die zu groß sind, um zu scheitern, aufgespalten werden müssen. Doch weder die Deutsche Bank noch eine andere Bank wurden per Gesetz zerlegt. Alles läuft weiter, wie bisher. Schon wieder mussten Banken in Europa mit Steuergeldern gerettet werden. Die Spekulanten können ungestört weiter ihre Spiele auf Kosten der Europäerinnen und Europäer betreiben und mit Wetten gegen ganze Staaten Menschen in Angst und Schrecken versetzen.
Warum hat die Bundesregierung daraus nichts gelernt?
Ich befürchte, dass sie die Finanzmärkte nie regulieren wollte. Wir hätten dem Rettungsschirm zugestimmt, wenn damit auch eine Regulierung der Finanzmärkte beschlossen worden wäre. Doch das hat die Bundesregierung nicht einmal im Ansatz versucht. Sie hat nicht den Mut aufgebracht, sich mit den Banken und Versicherungen anzulegen. Das ist ein Armutszeugnis.
Welche Alternativen gibt es?
Die Realwirtschaft muss von den Finanzmärkten entkoppelt werden. Wir brauchen eine öffentlich-rechtliche Bank, die Geld der EZB an die europäischen Staaten zu vernünftigen Zinsen vergibt. Bestimmte Finanzinstrumente, die nicht umsonst auch als Massenvernichtungswaffen bezeichnet werden, müssen verboten werden. Laut Bundesbank hat die Finanzkrise 2008 den deutschen Steuerzahler 335 Milliarden Euro gekostet. Die Banken und Versicherungen, die bisher noch keinen Cent für die von ihnen mit verursachte Finanzkrise 2008 gezahlt haben, müssen zur Kasse gebeten werden. Eine Finanztransaktionssteuer ist schon lange überfällig, doch der Finanzminister kann sich gegenüber der FDP nicht durchsetzen. Wir werden auch zukünftige Finanzkrise nicht verhindern können, ohne die Ursachen der Krise zu beseitigen.
Abschließend noch ein Frage zum Terror von rechts. Halten Sie die Mittelausstattung im Haushalt zur Bekämpfung des Rechtsextremismus für ausreichend und richtig eingesetzt?
Nein. Die Absenkung der Mittel zur Extremismusprävention und die Halbierung der Mittels des Entschädigungsfonds für Opfer rechtsextremistischer Übergriffe im Haushaltsentwurf der Regierung hielt ich für skandalös. Erst recht vor dem Hintergrund der jüngsten Erkenntnisse über das rechtsextreme Terrornetzwerk. Wir haben eine Rücknahme der Kürzungen und eine Aufstockung der Mittel gefordert. Das wurde von der Koalition jetzt zugesagt. Darüber hinaus fordern wir, eine unabhängige Beobachtungsstelle Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums einzurichten. Alle drei Maßnahmen würden Mehrausgaben von 15,5 Millionen Euro bedeuten. Durch eine Rücknahme der unnötigen Erhöhung der Zuschüsse für den Verfassungsschutz um über 14 Millionen Euro wären diese dringend erforderlichen Ausgaben fast vollständig gedeckt.
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