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I. Französische Revolution und deutscher Frühparlamentarismus
1. Französische Revolution und napoleonische Herrschaft
Als sich im Juni 1789 die Abgeordneten des Dritten Standes in Versailles zur Nationalversammlung erklären, um für die Bürger Frankreichs eine gerechte Verfassung zu erstreiten, bahnt sich der Umbruch der politischen und sozialen Ordnung in ganz Europa an. Bereits nach zwei Monaten liegt die "Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte" vor: eine Liste der natürlichen und unveräußerlichen Rechte des Individuums, die politische Freiheit und Gleichheit vor dem Gesetz garantieren soll und zum Vorbild der liberalen Verfassungen in ganz Europa wird.
Binnen weniger Tage erreichen die Nachrichten aus Frankreich auch das "Heilige Römische Reich Deutscher Nation", das trotz des Vordringens der französischen Revolutionsarmeen und -ideen zunächst noch in den politischen und gesellschaftlichen Strukturen des monarchischen Obrigkeitsstaates verharrt. Erst unter dem Ansturm der Truppen des seit 1799 quasi allein herrschenden Napoleon Bonaparte zerfällt das Reich, dessen Oberhaupt, Franz II., 1806 die deutsche Kaiserkrone niederlegt.
Während in den von Napoleon dirigierten süd- und mitteldeutschen Rheinbundstaaten das Verwaltungs-, Wirtschafts- und Rechtssystem nach französischem Vorbild vereinheitlicht wird, wird gleichzeitig auch in Preußen mit einem großen Reformwerk begonnen. Neben der Bauernbefreiung zählen die Emanzipation der Juden, die diesen den Weg zur bürgerlichen Gleichberechtigung ebnet, und die Städteordnung von 1808, die den Gemeinden weit reichende Selbstverwaltungsrechte einräumt sowie die politische Mitwirkung der Bürger stärkt, zu den wichtigsten gesellschaftspolitischen Errungenschaften in Preußen. Nicht nur die von den Reformen ausgehenden patriotischen Impulse, auch die der deutschen Bevölkerung aufgebürdeten Lasten der napoleonischen Eroberungskriege lösen den entscheidenden Befreiungsschlag aus. In der Hoffnung damit die nationale Einheit zu erringen, kämpfen auch zahlreiche in Freikorps organisierte Patrioten an der Seite der regulären Truppen, die Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 vernichtend schlagen. Napoleon muss sich über den Rhein nach Frankreich zurückziehen, der Rheinbund bricht auseinander.