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VI. Das geteilte Deutschland
Die Deutsche Demokratische Republik
3. Die Ära Honecker
Zu Beginn seiner Amtszeit nimmt sich der im Juni 1971 von seiner Partei zum Ersten Sekretär gewählte Erich Honecker vor allem der spürbaren Versorgungsengpässe an. Unter der Parole der "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" soll die Produktion rationalisiert und intensiviert und damit das "materielle und kulturelle Lebensniveau des Volkes" angehoben werden. Im Gegensatz zu Ulbrichts Ausgabenpolitik, die Wissenschaft, Technik und den Bau von Prestigeobjekten begünstigte, subventioniert Honecker Lohn- und Rentenerhöhungen ebenso wie die medizinische Versorgung und den Wohnungsbau. Der Anstieg des Wohlstands ist jedoch weniger einer Steigerung des "Entwicklungstempos der sozialistischen Produktion" zu verdanken, als vielmehr durch eine hohe Auslandsverschuldung erkauft. Zunächst gewinnt die SED mit ihrer sozialpolitischen Wende ein bislang unbekanntes Maß an Zustimmung, die sie durch eine begrenzte und kontrollierte kulturpolitische Offenheit festigen will. Auch ihre Bereitschaft, auf die deutschlandpolitischen Initiativen der Bundesrepublik einzugehen, sorgt eine Zeitlang für Optimismus in weiten Kreisen der ostdeutschen Bevölkerung. Nach wie vor geht es der Parteispitze aber in erster Linie um den Ausbau und die Festigung ihrer Macht im Staat. Ab Mitte der 1970er Jahre sieht sie ihren Herrschaftsanspruch aufgrund stagnierender Produktionszahlen und wachsender Kritik von Seiten der Intelligenz erneut gefährdet. Mit der Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann und zahlreichen Publikations- und Aufführungsverboten vollzieht sie schließlich eine kulturpolitische Wende, die die Hoffnung vieler DDR-Bürger auf die Reformbereitschaft der SED endgültig schwinden lässt. Vor dem Hintergrund des in den 1980er Jahren massiv einsetzenden wirtschaftlichen Niedergangs, der sich auch in der Verknappung ganz alltäglicher Waren manifestiert, kann Honecker seine Politik kaum noch glaubhaft vermitteln. Die SED-Spitze sieht sich seit 1985 überdies mit den Reformvorschlägen des neuen KPdSU-Chefs Michail Gorbatschow konfrontiert, der sie zum demokratischen Umbau der Partei- und Staatsstrukturen auffordert. Mit Ignoranz und Härte setzt sich das Politbüro über die von Gorbatschow in der Bevölkerung geweckten Hoffnungen hinweg. Aber erst die im Mai 1989 aufgedeckte Fälschung der Kommunalwahlen und die im Sommer zunächst über Ungarn einsetzende Massenflucht ermutigt immer mehr DDR-Bürger, für ihre Interessen auf die Straße zu gehen. Die von Leipzig ausgehenden Massendemonstrationen erzwingen schließlich die Absetzung Honeckers. Doch auch sein Nachfolger Egon Krenz vermag den Untergang der DDR nicht mehr abzuwenden, er wird vielmehr durch die von ihm veranlasste Öffnung der Mauer am 9. November 1989 beschleunigt.