Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Archive > 2009 > Florian Bernschneider (FDP)
622 Abgeordnete sitzen im neuen Bundestag. Einer von ihnen ist Florian Bernschneider, mit 22 Jahren jüngster Abgeordneter im Parlament. Platz sieben auf der niedersächsischen Landesliste reichte dem Studenten der Betriebswirtschaft, um eines der 93 FDP-Mandate zu ergattern. Im Interview mit der Wochenzeitung "Das Parlament" vom 5. Oktober 2009 schildert Bernschneider, Mitglied im Bundesvorstand der Jungen Liberalen, seine ersten Eindrücke.
Herr Bernschneider, wie viele Stunden haben Sie in den letzten Tagen im Durchschnitt geschlafen?
Ich denke, fünf oder sechs Stunden - also ein bisschen Schlafmangel habe ich schon.
Sie sind auf Platz sieben der niedersächsischen FDP-Landesliste als jüngster Abgeordneter ins Parlament gewählt worden. Wie bekommt man mit nur 22 Jahren einen so aussichtsreichen Platz?
Ich bin ja nicht der erste junge Abgeordnete in der Politik. Wir haben 16 junge Liberale in der Bundestagsfraktion. Und ich bin eben auch in der FDP, weil ich davon ausgehe, dass weder Alter noch Geschlecht oder Herkunft darüber entscheiden, ob jemand in der Lage ist, in den Bundestag zu gehen, sondern das, was man demjenigen zutraut.
Wie waren Ihre ersten Tage als Parlamentsneuling?
Vom Parlament habe ich noch gar nicht so viel gesehen. Wir hatten zwei spannende Fraktionssitzungen. In der ersten gab es ein Zusammentreffen der alten und der neuen Abgeordneten und in der zweiten haben wir Guido Westerwelle als Fraktionsvorsitzenden gewählt. Ansonsten habe ich viele Interviews als jüngster Abgeordneter des Deutschen Bundestages gegeben.
Wie ist das, wenn man plötzlich zu einer "öffentlichen Person" wird?
Viele Leute interessieren sich jetzt für mein Privatleben. Aber ich bin ja auch bei der FDP, weil ich eben auf Privatsphäre achte und da erstmal eine vernünftige Trennlinie ziehen möchte. An das große Interesse muss ich mich also noch ein wenig gewöhnen.
Haben Sie Angst, dass Sie abheben könnten?
Ich glaube, mein Umfeld hält mich da auf dem Teppich. Und aufgrund meiner niedersächsischen Wurzeln bin ich sowieso eher bodenständig.
Hilft Ihnen jemand bei ihrer neuen Aufgabe als Abgeordneter?
Die älteren, wiedergewählten Abgeordneten betreuen die neuen, denn von 93 FDP-Abgeordneten sind 40 das erste Mal dabei. Ich habe Patrick Döring als Paten und profitiere von seinen Erfahrungen. Bei dem sitze ich im Büro und er führt mich in den ersten Wochen in die parlamentarische Arbeit ein.
Im Rahmen Ihres Betriebswirtschaftsstudiums arbeiten Sie auch bei einer Bank. Jetzt sind Sie bald selber Chef. Haben Sie schon Ihre Mitarbeiter ausgesucht?
Nein, so weit ist das noch nicht. Ich muss erst mal sehen, welche Themengebiete ich betreue, um dann die richtigen Mitarbeiter zu finden. Bei der Bank bin ich beurlaubt worden und ich habe vorab auch Urlaub für die Politik aufgespart. Mein Studium will ich aber auf jeden Fall zu Ende bringen.
Welche Themen haben Sie sich auf Ihre eigene Agenda gesetzt?
Die Bereiche Bürgerrechte und Generationengerechtigkeit sind meine Schwerpunktthemen, aber ich interessiere mich natürlich auch für die Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Wer entscheidet eigentlich nach der Wahl, welcher Abgeordnete was macht?
Das macht bei uns der Parlamentarische Geschäftsführer. Bei dem gebe ich meine Wünsche an und der schiebt dann wahrscheinlich viele Karten umher und überlegt, wer am besten in welchem Ausschuss sitzen oder welche Positionen bekleiden könnte.
Sie sind seit 2002 bei den Jungen Liberalen, den Julis. Wie sind Sie zur Politik gekommen?
Durch mein Amt als Schulsprecher war ich oft in bildungspolitische Diskussionen verwickelt und habe immer gerne über Politik diskutiert. Meine Lehrer haben damals gesagt: Florian, Du bist doch der FDP-Mann. Und dann wollte ich sehen, ob sie Recht haben. Ich habe dann festgestellt, dass ich viele Positionen der Jungen Liberalen teile - und mit 16 bin ich schließlich in die FDP eingetreten. Ich habe mich also für Politik interessiert, andere meiner Freunde waren aktiv im Sportverein oder beispielsweise im Bereich Internet. So hatte eben jeder sein Hobby.
Ist Politik für Sie denn ein Hobby?
Bis vor drei Tagen hätte ich das gesagt. Das klingt vielleicht komisch, aber andere Leute stehen fünf Mal in der Woche auf dem Fußballplatz. Fragt man die nach ihrem Hobby, würden die sagen: Fußball. Politik besteht ja nicht nur darin, über Politik zu diskutieren, sondern zum Beispiel gemeinsam mit den Julis unterwegs zu sein, dabei geht es nicht ständig um demografischen Wandel oder Reformvorhaben.
Haben Sie politische Vorbilder?
Ich würde mich nicht auf einen Einzigen festlegen wollen. Denn Sie kennen ja das Sprichwort: Wer in die Fußstapfen eines anderen tritt, hinterlässt selbst keine Spuren. Ich will schon ich selbst bleiben.
Welches sind Ihre Fußstapfen?
Ich möchte als junger Mensch, dass Politik sich nicht am nächsten Wahlergebnis, sondern an der Zukunft unseres Landes orientiert. Ich habe immer das Gefühl, dass Politik zu kurzfristig denkt und dabei gerade die Interessen junger Menschen untergehen.
Stichwort Generationengerechtigkeit. Die FDP tritt für Steuererleichterungen ein, gleichzeitig gibt es aber eine enorme Staatsverschuldung. Müssen da nicht wieder kommende Generationen die Zeche zahlen?
Steuersenkungen bedeuten nicht automatisch weniger Geld in der Kasse, ganz im Gegenteil. Wir wollen das Steuersystem ja auch vereinfachen und Steuerschlupflöcher schließen. Der Staat muss, so wie Privatleute auch, darauf achten, was er ausgibt.
Welche Themen für junge Leute werden von der Politik zu wenig beachtet?
Für mich ist das der Bereich der Bürgerrechte. Viele junge Menschen kommen damit im Internet in Kontakt. Ein zweiter Punkt ist die Verbotskultur: Es wird über Alkoholverbotszonen oder das Verbot von Flatrate-Partys oder Killerspielen diskutiert. Ich denke, Verbote helfen hier tatsächlich wenig. Mit dem Verbot von Killerspielen verhindert man nicht einen einzigen Amokläufer an einer deutschen Schule. Auch im Bereich des Internets bin ich der Meinung, dass viele Verbote unsere Sicherheit nicht erhöhen, sondern immer stärker in unsere Privatsphäre eingreifen. Für junge Menschen sind der PC und das Internet aber immer wichtiger, denn dort tauschen wir uns über große Teile unseres Privatlebens aus.
Sie sind auf fünf Webplattformen vertreten und twittern. Können Sie so Politik besser oder nur anders vermitteln?
Man kann gerade junge Menschen damit zur Politik bringen. Ich glaube, die Leute sind interessiert, wenn man sie auch auf ihren Wegen anspricht.
Warum wird die Gruppe der Nichtwähler gerade bei jungen Leuten immer größer?
Das ist schwierig zu beantworten. Wenn man nach vier Jahren großer Koalition Bilanz zieht und feststellt, dass größtenteils Stillstand war, muss man sich nicht wundern, wenn immer mehr Menschen glauben, Politik ändert nichts und als Konsequenz bei Wahlen einfach Zuhause bleiben.
Denken Sie, dass Sie anders Politik machen als die Generationen vor Ihnen?
Im Wahlkampf bemerkt man beispielsweise einen Unterschied zwischen den Generationen. Ich habe mich abends auch mal vors Kino gestellt und direkt junge Menschen angesprochen - eben nicht nur auf dem Infostand in der Fußgängerzone oder auf dem Wochenmarkt.
Ist Politik nicht manchmal auch frustrierend?
Ja, zum Beispiel wenn mir jemand sagt, ich sei zu jung für die Politik. Natürlich weiß ich, dass ich mit 22 Jahren nicht die gleiche Lebenserfahrung haben kann wie ein 50-Jähriger. Aber ich wünsche mir, dass auch junge Leute die Chance haben, neue Ideen einzubringen. Wenn am Ende im alten Bundestag von 611 Abgeordneten nur zwei unter 27 Jahre alt waren, muss man sich schon fragen, ob das eine repräsentative Vertretung für die junge Generation ist.