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Die Frage, ob es richtig ist, dass die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, den dritten Sitz des BdV im Stiftungsrat der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ einnimmt, hat der Bundestag am Mittwoch, 25. November 2009, in einer von der SPD beantragten Aktuellen Stunde kontrovers diskutiert. Ausgelöst wurde die jüngste öffentliche Debatte darüber durch die Äußerung von Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle (FDP) bei dessen Antrittsbesuch in Polen, Deutschland werde alles unterlassen, was das deutsch-polnische Verhältnis belasten könnte.
"Versöhnen statt provozieren – Das deutsch-polnische Verhältnis nicht beschädigen“ lautete das Thema der Aktuellen Stunde. Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD) ging die Bundeskanzlerin direkt an: "Frau Merkel macht Frau Steinbach zum Opfer, indem sie ihr nicht rät, sich zurückzuziehen.“ Die Regierung schüre bei den Nachbarn in Mittel- und Osteuropa Misstrauen.
Es gehe nicht darum, das Leid der Vertriebenen zu leugnen oder ihnen das Recht streitig zu machen, inmitten der Gesellschaft an dieses Leid zu erinnern. Erika Steinbach könne aber aufgrund ihrer Äußerungen im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt Polens oder der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze nicht beanspruchen, für alle Vertriebenen zu sprechen. Die Kanzlerin solle die Erwartungen der Polen nicht enttäuschen und sich darum bemühen, dass "Frau Steinbach sich zurückzieht“.
An sein eigenes Schicksal als Vertriebener aus Schlesien erinnerte Dr. Wolfgang Thierse (SPD). Er habe das Konzept der Stiftung ausdrücklich begrüßt. Kern sei immer der Gedanke der Versöhnung gewesen. "Das Projekt kann, darf nicht gegen Polen verwirklicht werden“, sagte der Bundestagsvizepräsident. Es dürfe gerade nicht zu neuem Zwist und zu neuer Spaltung führen. Auch Thierse forderte die Kanzlerin auf, der "Hängepartie“ ein Ende zu bereiten.
Der sächsische Unionsabgeordnete Klaus Brähmig, der als Vorsitzender der Gruppe der Aussiedler und Flüchtlinge seiner Fraktion sprach, meinte hingegen, der Außenminister hätte in Warschau besser schweigen sollen. Die Stiftung gehe auf eine gemeinsame Initiative Erika Steinbachs und des verstorbenen SPD-Politikers Peter Glotz zurück.
Ohne die Heimatvertriebenen dürfe es eine Dokumentations- und Gedenkstätte nicht geben. "Es würde dem deutsch-polnischen Verhältnis sehr nützen, wenn die Leistungen von Erika Steinbach endlich zur Kenntnis genommen würden“, sagte Brähmig.
Änlich argumentierte der CSU-Abgeordnete Stephan Mayer. Versöhnung setze Verständigung auf Augenhöhe voraus. Das Zentrum sei das "geistige Kind“ von Steinbach und Glotz, daher müsse Erika Steinbach auch im Stiftungsrat mitarbeiten dürfen.
Man müsse dem BdV erlauben, selbst zu bestimmen, welche Vertreter er in den Stiftungsrat entsendet. Die Vertriebenen dienten als Brückenbauer in Europa, betonten sowohl Mayer als auch Brähmig. Der SPD warf Mayer Heuchelei vor.
"Der deutsch-polnische Motor läuft“, stellte Michael Link (FDP) fest, der dem Außenminister in dieser Frage ausdrücklich Rückendeckung gab. Westerwelle setze nur den Kurs der alten Bundesregierung fort. Die FDP trage die Stiftung mit und stehe zu deren Zielen, der BdV sei ein wichtiger Partner.
Durch Personalentscheidungen sollte die wachsende Bereitschaft in Polen, sich in Flucht und Vertreibung hineinzufühlen, nicht aufs Spiel gesetzt werden, so Link. Die SPD erinnerte er daran, sie habe in der rot-grünen Regierungszeit durch die Ostsee-Pipeline und die privilegierte Partnerschaft mit Russland mehr Probleme mit Polen geschaffen.
Für Die Linke machte Dr. Lukrezia Jochimsen deutlich, dass die Fraktion die Stiftung wegen deren Konzeption, wegen des Standortes in Berlin und wegen der Zusammensetzung des Stiftungsrates ablehnt. Das Projekt habe seit Jahren die deutsch-polnischen Beziehungen schwerwiegend belastet.
Wenn man wirklich versöhnen statt provozieren wolle, sollte man nicht über eine Personalie streiten, sagte Jochimsen. Kardinalfehler des Projekts sei, dass es den Fokus auf die Folgen des Krieges und nicht auf dessen Anfang richte. Sie riet dazu, das Projekt grundsätzlich zu überdenken. Die SPD habe es mitgetragen, weshalb ihr heutiger Appell "sonderbar“ anmute, "auch wenn er richtig ist“.
Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen), der ebenfalls aus einer Vertriebenen-Familie kommt, unterstrich, dass es wichtig sei, Menschenrechtsverletzungen an Vertriebenen aufzuarbeiten und dieses "Unrecht in unser Geschichtsbild zu integrieren“. Man müsse aber nicht jede Position des BdV oder von Frau Steinbach übernehmen. Er verstehe, dass die Personalie Steinbach in Polen nicht "als Versöhnungsgeste ankommt“.
Im Stiftungsgesetz sei festgehalten, dass die Bundesregierung letztlich über die Sitze im Stiftungsrat entscheide - wegen der außenpolitischen Bedeutung. Der Bundesregierung riet Beck, eine Bestellung Steinbachs abzulehnen. Der freie Sitz sollte an die Gesellschaft für bedrohte Völker abgetreten werden.