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Mit der ersten Lesung startet der Bundestag am Donnerstag, 25. März 2010, in die parlamentarische Beratung über den Plan der Koalition, vom Sommer an die von den Bürgern über einen Aufschlag auf die Stromrechnung finanzierte Förderung der Elektrizitätsgewinnung aus Sonnenkraft (Photovoltaik) angesichts sinkender Preise für Solaranlagen spürbar zu kürzen. Die Opposition kritisiert die avisierten Einschnitte als zu weitgehend, derart werde die besonders in Ostdeutschland stark vertretene Solarbranche gefährdet. Einwände gegen das Konzept von Union und FDP kommen auch aus einzelnen Bundesländern. Über einen Gesetzentwurf von CDU/CSU und FDP zur Änderung des EEG, des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (17/1147), sowie über einen Antrag der Linken, die Solarstromförderung wirksam auszugestalten (17/1144), berät der Bundestag ab 14.25 Uhr eine Stunde lang.
Nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetzes müssen Stromversorger für die ins öffentliche Netz eingespeiste Sonnenelektrizität eine deutlich über den Marktpreisen liegende Vergütung überweisen, die auf die Verbraucher umgelegt wird, was sich in der Summe zu Milliardenkosten addiert. Die zum Zeitpunkt der Installierung eines Photovoltaiksystems gewährte Förderung wird 20 Jahre lang garantiert. Diese Subventionierung soll helfen, die Produktion von Solarstrom auszuweiten.
Schon Anfang des Jahres waren die Fördersätze turnusgemäß um rund neun Prozent reduziert worden. Nach dem Willen der Koalition soll nun die EEG-Vergütung vom 1. Juli an für Sonnenstrom von Dächern zusätzlich um 16 Prozent und für größere Anlagen auf freien Flächen in der Regel um 15 Prozent sinken. Die Förderung von Photovoltaik auf Ackerland soll zu diesem Zeitpunkt ganz wegfallen. Für Anlagen auf Konversionsböden wie etwa ehemaligem Militärgelände oder früheren Müllhalden ist eine Minderung der Fördersätze um elf Prozent vorgesehen.
Anders als bisher sollen Solaranlagen auf freien Flächen in Gewerbegebieten oder an Autobahnen und Bahnstrecken künftig in den Genuss der Förderung kommen. Besserstellen will die Koalition Selbstnutzer von Sonnenstrom, denen für die Kilowattstunde ein "Bonus" von acht Cent gewährt werden soll, der sich etwas kompliziert errechnet: Eigenverbraucher erhalten 20 Cent, sparen zudem 20 Cent für den wegfallenden Kauf einer Kilowattstunde auf dem Markt, was zusammen 40 Cent macht - und damit acht Cent über den vom 1. Juli an etwa 32 Cent liegt, mit denen die Einspeisung ins Netz vergütet wird.
Die bisherige "Überförderung" (der CDU-Abgeordnete Dr. Joachim Pfeiffer) war in die Kritik geraten, weil die Preise für Photovoltaiksysteme inzwischen "drastisch gefallen sind" (der FDP-Parlamentarier Michael Kauch), die Förderung jedoch nur in geringerem Umfang beschnitten wurde. Dies hat bei Betreibern für Solaranlagen zu Extragewinnen geführt. Kauch: "Es muss Schluss damit sein, dass Anleger Traumrenditen zu Lasten der Verbraucher erzielen."
Die Koalition wolle Überförderungen vermeiden, "ohne das Wachstum der Solarenergie zu gefährden". Aus Sicht Pfeiffers steht die hohe Subventionierung des Sonnenstroms "in keinem Verhältnis" zu dessen geringem Anteil an der Elektrizitätserzeugung, zu der die Photovoltaik bislang nur etwa ein Prozent beisteuere. Der CDU-Abgeordnete Arnold Vaatz sieht im Modell der Koalition einen "fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Hersteller und Betreiber von Solaranlagen sowie den Stromkunden".
Das Gesetz ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig. Gleichwohl wollen einige Länder noch Änderungen durchsetzen. So geht einigen ostdeutschen Ländern, die negative Auswirkungen auf ihre heimische Solarwirtschaft fürchten, das Ausmaß der Kürzungen zu weit. Bayern dringt darauf, dass Ackerflächen nicht ganz aus der Förderung herausfallen. Korrekturen speziell in diesem Punkt will sich die FDP laut Kauch im parlamentarischen Verfahren nicht verschließen, der aber betont, dass die Herausnahme von Ackerterrain aus der Förderung ursprünglich vor allem von der CSU verlangt worden sei.
Die Opposition sieht zwar auch Spielräume für Reduzierungen bei der Förderung der Photovoltaik, lehnt jedoch das Ausmaß der Einschnitte als entschieden zu hoch ab. Nach Meinung der SPD-Parlamentarierin Dagmar Ziegler gefährdet die Koalition "die Zukunft der ostdeutschen Solarwirtschaft und den Bestand Tausender Arbeitsplätze".
90 Prozent der in Deutschland produzierten Solarzellen würden in den neuen Ländern hergestellt. Ulrich Kelber (SPD) kritisiert ein "existenzgefährdendes Streichen bei der Förderung von Solarstrom". Für eine "maßvolle Absenkung der Vergütung" plädiert der SPD-Abgeordnete Dirk Becker.
Für Dorothee Menzner von der Linksfraktion widerspricht die Kürzungspolitik von Union und FDP "allen industrie- und klimapolitischen Zielen". Die Linke will einen eigenen Gesetzentwurf einbringen. Zum einen sollen zusätzliche Einschnitte bei der Förderung nicht auf einen Schlag am 1. Juli, sondern in Teilschritten bis April nächsten Jahres erfolgen. Zum andern soll sich diese Reduzierung in der Summe bei Solaranlagen auf Dächern auf knapp neun Prozent und bei Freiflächen auf etwas über neun Prozent belaufen und damit deutlich unter dem Niveau der Koalition liegen.
Auf Konversionsgelände soll die Absenkung lediglich rund sieben Prozent betragen. Zudem will die Linksfraktion die pro Jahr turnusgemäß ohnehin fällige Absenkung der Subventionierungssätze um neun bis zehn Prozent nicht mehr wie bislang üblich komplett am jeweiligen 1. Januar in Kraft setzen, sondern aufs ganze Jahr in Reduzierungen von 2,5 Prozent pro Quartal verteilen.
Aus Sicht von Hans-Josef Fell (Grüne) riskiert die Koalition mit ihren Plänen "massive Arbeitsplatzverluste in einer der zukunftsfähigsten Branchen Deutschlands".
Die Parlamentarierin Kerstin Andreae: "Die Solarförderung muss in kalkulierbaren und maßvollen Schritten abgesenkt werden." Die Grünen fordern eine Aufstockung der Bundesmittel für die Forschung in diesem Sektor.