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Unisono haben sich die Redner aller Fraktionen am Donnerstag, 8. Juli 2010, im Bundestag für ein entschlossenes Eintreten für die Religions- und Glaubensfreiheit weltweit ausgesprochen. Während CDU/CSU und FDP, wie auch in ihrem gemeinsam eingebrachten Antrag (17/2334), insbesondere die Situation verfolgter Christen in den Mittelpunkt stellten, plädierte die Opposition in der 90-minütigen Debatte "für mehr Ausgewogenheit". Die schwarz-gelbe Bundesregierung dürfe in ihrem Menschenrechtsdialog nicht einseitig das Augenmerk auf eine religiöse Gruppe legen, so ihre Kritik.
Bündnis 90/Die Grünen verwiesen zudem auf die bestehende rechtliche Ungleichbehandlung in Deutschland von Christentum und Islam. In ihrem Antrag (17/2424), den der Bundestag nach der Aussprache ebenso zur weiteren Beratung in den zuständigen Ausschuss überwies, forderten sie die Bundesregierung auf, ein Konzept zur Gleichstellung vorzulegen.
Volker Kauder, Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, hatte zu Beginn der Debatte auf die Christenverfolgungen im indischen Bundesstaat Orissa sowie die Repressalien gegen syrisch-orthodoxe Mönche in der Türkei hingewiesen. In beiden Ländern handele es sich zwar um keine staatliche Verfolgung, dennoch schienen die Behörden diese zu dulden oder ihr nichts wirkungsvoll entgegensetzen zu können.
"Das ist nicht hinnehmbar, kritisierte der Unionspolitiker und fügte mit Blick auf die Türkei hinzu: "Ich erwarte schon von einem Land, das zur EU gehören will, dass es die Religionsfreiheit gewährleistet." In Deutschland garantiere das Grundgesetz die Würde des Menschen - und dazu gehöre auch die Religionsfreiheit, betonte Kauder.
Die Koalitionsfraktionen setzten sich dafür ein, dass in Deutschland jeder seine Religion leben könne. Dazu gehöre auch, dass Moscheen in Deutschland gebaut werden dürften. Die bedeute im Gegenzug aber auch, dass Christen in der Türkei Kirchen bauen dürften, so Kauder. Religionsfreiheit müsse zentrales Thema im Dialog mit Staaten und in der Entwicklungshilfe sein, forderte Kauder. "Nicht als Anklage, sondern als Aufforderung, dass dieses elementare Menschenrecht durchgesetzt wird."
Christoph Strässer (SPD), Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, unterstrich das Einverständnis seiner Fraktion in "vielen Punkten" des vorliegenden Koalitionsantrags, betonte aber dennoch, dass dieser "an manchen Stellen zu kurz springe". So kritisierte der Sozialdemokrat insbesondere die Fokussierung der Vorlage auf die Situation der Christen. "Diese Konzentration trägt nicht zur Glaubwürdigkeit der deutschen Menschenrechtspolitik bei", gab Strässer zu bedenken.
Auch der Hinweis darauf, dass die Christen die am stärksten verfolgte religiöse Gruppe sei, stelle keine ausreichende Begründung für den Fokus dar: "Wenn wir über die Verletzung von Religionsfreiheit sprechen, darf es nicht unter dem Aspekt der Quantität geschehen", bemängelte er.
Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle (FDP) stellte zu Beginn seiner Rede klar, dass der Einsatz für "Religionsfreiheit, Menschenrechte und Pluralität" nicht nur ein Anliegen des Parlaments, sondern auch der christlich-liberalen Bundesregierung sei. Staatliche Repressionen, "aber auch das Zulassen von Repressionen" durch staatliche Behörden, wie es etwa die Christen oftmals erlebten, seien Formen der Verfolgung.
"Die Freiheit seine Religion auszuüben - oder auch nicht - muss aber für Christen ebenso wie für andere Religionen gelten", forderte Westerwelle. Der Staat dürfe Verfolgungen nicht zulassen und sei verpflichtet, die Freiheit des Glaubens zu schützen. In Deutschland sei es selbstverständlich, dass der Staat die Religionsfreiheit gewährleiste, sagte der Außenminister.
"Das ist aber mehr als eine Frage von Gebäuden", betonte er mit Blick auf den Bau von Moscheen, "sondern eine Frage des gesellschaftlichen Klimas." Es sei zudem eine Lehre aus der deutschen Geschichte, sich für Religionsfreiheit einzusetzen.
Raju Sharma, religionspolitischer Sprecher der Linksfraktion, betonte, seine Fraktion unterstütze die Kernforderung der beiden vorliegenden Anträge, die Religionsfreiheit als Menschenrecht zu schützen. Doch trotz dieser grundsätzlichen Zustimmung kritisierte der Linkspolitiker die Vorlage der Koalition als unausgewogen. Sie sei zu stark auf die Christen fokussiert und spare etwa die Situation der Tibeter in China, die aufgrund ihrer Religion und Kultur unterdrückt würden, völlig aus.
Auch verurteilte Sharma die öffentliche Beschimpfung des Islams im Koalitionsantrag: "Islam-Bashing bringt doch nur die einzelnen Religionen gegeneinander in Stellung." Zudem sei ein Blick ins eigenen Land angeraten: "Bedingungslose Religionsfreiheit findet man hier nicht", sagte der Abgeordnete. Auch von einer Gleichbehandlung von Christen und Muslimen könne keine Rede sein.
Dieser Meinung war auch Volker Beck, menschenrechtspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen: Er forderte von der Bundesregierung ein Konzept zur rechtlichen Gleichstellung von Christentum und Islam. Es könne nicht sein, dass Christen und Muslime in der Inanspruchnahme der Religionsfreiheit nicht gleichbehandelt würden, so der Politiker.
Auch die Konzentration der Koalitionsfraktionen auf die Verfolgung von Christen beurteilte er als problematisch: "Wir tun ihnen einen Bärendienst, wenn wir uns so einseitig auf unsere Leute fokussieren." Der Bündnisgrüne mahnte zudem zu mehr Selbstkritik: Zu Recht seien zwar die Beschlüsse des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen - wie etwa im Antrag von CDU/CSU und FDP geschehen - zu kritisieren. Dieser hatte unter der Begründung, den Islam schützen zu wollen, den Versuch unternommen, die Meinungsfreiheit einzuschränken.
"Doch wie passt die Kritik an diesen Beschlüssen mit dem Paragrafen 166 unseres Strafgesetzbuches zusammen, der ebenfalls die Beschimpfung von Religionsgesellschaften unter Strafe stellt?"
Pascal Kober (FDP), Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, betonte, Religionsfreiheit dürfe nicht mit relativistischer Toleranz verwechselt werden: "Wenn einem etwas gleich gültig ist, ist es ihm auch gleichgültig." Dies sei aber das Gegenteil des universellen Menschenrechts der Religionsfreiheit, so Kober, selbst evangelischer Theologe und Pfarrer.
Toleranz, wie sie die Liberalen verstünden, bedeute also nicht, jedem Recht zu geben und es jedem recht machen zu wollen. Toleranz dürfe den "Dialog um Werte" nicht ausschließen, forderte der FDP-Angeordnete.
Dies betonte auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Johannes Singhammer. Er wies darauf hin, dass Religionsfreiheit zwar eine Wertneutralität des Staates voraussetze. "Wertneutralität heißt aber nicht Werteneutralität", differenzierte der CSU-Politiker.
Es gebe in Deutschland zwar keine Staatskirche, dennoch seien sich die "Väter und Mütter des Grundgesetzes" einig gewesen, dass erst das "Abfallen von Gott" Nationalsozialismus und Holocaust möglich gemacht hätten.
Angelika Graf (SPD), Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, unterstrich die Bedeutung der Religionsfreiheit als universelles Freiheitsrecht. "Zu seinem Glauben muss man sich öffentlich bekennen dürfen - oder eben auch nicht", erklärte die Abgeordnete.
Erschreckend nannte Graf in diesem Zusammenhang etwa das Minarettverbot in der Schweiz. "Das Minarett gehört wie der Turm zur Kirche", so Graf. Sie zeigte sich daher froh über das klare Bekenntnis des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Kauder zum Bau von Moscheen in Deutschland.
Graf plädierte darüber hinaus aber für eine staatliche Islam-Ausbildung und kündigte einen eigenen Antrag der SPD-Fraktion zu diesem Thema an.