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"Der Afghanistaneinsatz ist nicht populär, aber er bleibt in unserem eigenen Interesse." Dies erklärte Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle (FDP) am Freitag, 9.Juli 2010, in seiner Regierungserklärung zum weiteren deutschen Engagement in Afghanistan gut eine Woche vor der internationalen Afghanistan-Konferenz am 20. Juli in Kabul.
"Dies wird die erste Afghanistan-Konferenz in Afghanistan sein und zeigt, dass wir im Friedensprozess eine neue Etappe erreicht haben", betonte Westerwelle und erklärte, trotz des ehrgeizigen Sparhaushaltes der Bundesregierung sei am deutschen Engagement in Afghanistan nicht gespart, sondern seien vielmehr zivile und militärische Aufbaumaßnahmen verstärkt worden.
"Deutschland hält seine Zusagen", sagte der Außenminister. Trotz der "guten Bilanz" des letzten halben Jahres nach der Londoner Afghanistan-Konferenz Ende Januar blieben wichtige Herausforderungen bestehen. Dabei nannte er insbesondere Drogenanbau und Korruption als Beispiele.
"Es ist in Afghanistan nicht alles gut, aber wir wollen dort einen Zustand schaffen, der gut genug ist", sagte Westerwelle und betonte, eine Stabilisierung des Landes lasse sich nur herbeiführen, wenn sowohl zivile als auch militärische Aufbauhilfe geleistet werde. Voraussetzung hierfür sei jedoch, den politischen Versöhnungsprozess zu fördern.
Hierfür müssten sich die verschiedenen Ethnien und gesellschaftlichen Gruppen ausbalancieren. "Nur die afghanische Regierung selbst kann Frieden mit denen schließen, die sie bekämpfen. Afghanistan braucht eine afghanische Lösung."
Westerwelle schränkte allerdings ein, die bevorstehende Konferenz in Kabul werde keine Geberkonferenz sein. Vielmehr werde von der afghanischen Regierung Rechenschaft erwartet über ihre bisher unternommenen Schritte. Weitere Themen in Kabul werden laut Westerwelle Reintegration und Versöhnung sein sowie die Vorstellung konkreter Pläne durch die afghanische Regierung zur Bekämpfung von Korruption. Die Perspektive der Bundesregierung bleibe, noch in dieser Legislaturperiode mit dem schrittweisen Abzug der deutschen Soldaten zu beginnen.
Frithjof Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen) zeigte sich enttäuscht über die Regierungserklärung des Außenministers. "Ich hätte mir mehr Mut zu einem offenen Wort von Ihnen gewünscht", sagte Schmidt, der gleichzeitig einräumte, dass die Lage in Afghanistan für die Bundesregierung nicht einfach sei.
"Umso mehr besteht daher die Notwendigkeit, die verschiedenen Dilemmata anzusprechen und den Menschen reinen Wein einzuschenken." Gleichzeitig sei ein Konzept, aus dem hervorgehe, wie die Regierung den sich verschärfenden Problemen begegnen wolle, nicht erkennbar.
Scharfe Kritik an der gegenwärtigen Situation in Afghanistan äußerte auch Dr. Gernot Erler (SPD). Ein halbes Jahr nach der Londoner Konferenz seien keinerlei Verbesserungen der Lage festzustellen. "Unsere Geduld wird auf eine harte Probe gestellt", sagte Erler und verwies insbesondere auf die schwierige Sicherheitslage im Land.
"Die Anschläge haben nach der Konferenz im Januar nicht ab-, sondern weiter zugenommen. Der Juni war der bisher blutigste Monat überhaupt", betonte er. Zu den offenen Fragen bei der Vorbereitung der Konferenz in Kabul gehöre jedoch auch, dass wichtige Verbündete wie Kanada, Polen oder die Niederlande einen Abzug ihrer Truppen bekanntgegeben hätten, und außerdem die Frage, wie die Korruption überhaupt zu kontrollieren sei. Daher müsse man fraktionsübergreifend schnellstmöglich eine Evaluierung der Lage auf den Weg bringen.
Jan van Aken (Die Linke) warf Westerwelle vor, Gelder für humanitäre Hilfe sowie für zivile Vorbeugung von Konflikten in seinem Budget zu kürzen und stattdessen in Afghanistan einseitig auf den Einsatz von Soldaten zu setzen.
"Das Einzige, das uns in Afghanistan bleibt, sind Friedensverhandlungen", betonte van Aken und sprach sich dafür aus, deutsche Waffenexporte generell zu stoppen.
Demgegenüber verteidigte Elke Hoff (FDP) die Afghanistanpolitik des Außenministers und warf ihrem Vorredner van Aken vor, das Thema für "seinen politischen Klamauk" zu nutzen. Erler hielt sie entgegen, dass niemand innerhalb der vergangenen sechs Monate nach der Londoner Konferenz ernsthaft mit nachhaltigen Erfolgen rechnen konnte.
"Man muss der internationalen Gemeinschaft die Zeit geben, um Dinge umzusetzen." Für die Bundesregierung bleibe dabei der Maßstab aller Dinge, die eigenen Zusagen einzuhalten, sagte Hoff und verwies auf die Regierungserklärung des Außenministers.
Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) betonte, dass Fortschritte im Friedensprozess für die Menschen in Afghanistan sichtbar gemacht werden müssten. "Hierfür wären etwa 100-Tage-Programme ein gutes Instrument, um Erfolge greifbarer zu machen", regte Schockenhoff an.
Auch bei der Korruptionsbekämpfung müssten "spürbare Verbesserungen" erreicht werden, forderte er und schlug vor, künftig keine unkonditionierten Budgethilfen mehr zu gewähren, sondern stattdessen Gelder jeweils an konkrete Projekte zu koppeln.