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Mit deutlicher Kritik haben die Oppositionsfraktionen auf den von Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) vorgelegten Entwurf für den Bundeshaushalt 2011 und die mittelfristige Finanzplanung bis 2014 reagiert. Im Rahmen der allgemeinen Finanzdebatte am Dienstag, 14. September2010, nannte der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider den Etatentwurf ein "Handbuch für die soziale Spaltung in Deutschland", während Gesine Lötzsch (Die Linke) ein "Katzbuckeln" der Bundesregierung vor Lobbyinteressen kritisierte. Der Haushaltsexperte der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Alexander Bonde, sprach von einem "peinlichen Schauspiel bei der Prioritätensetzung".
Union und FDP verteidigten hingegen die Vorlagen. Wer angesichts eines Ausgabenvolumens von über 50 Prozent des Haushaltes für soziale Belange von Sozialabbau rede, betreibe Populismus, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion Michael Meister.
Der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke betonte, der Koalition gehe es bei den Haushaltsplanungen um das "Sparen und Stabilisieren", auch wenn er wisse, dass man sich damit nicht beliebt machen könne.
Mit dem vorgelegten Etatentwurf würde die "soziale Schieflage" in Deutschland vorangetrieben, befand der SPD-Abgeordnete Carsten Schneider. "Wir werden dem in dieser Form nicht zustimmen", machte er deutlich. Einzig bei der Kürzung von Sozialmaßnahmen sei die Bundesregierung "konsequent", sagte Schneider.
Kaum erkennen könne er hingegen die angekündigte Belastung der Wirtschaft. Diese halte sich in "sehr mageren und überschaubaren Grenzen". Auch dass die Verursacher der Wirtschafts- und Finanzkrise "keinen Beitrag" leisten müssten, kritisierte er. Weder sehe die Bundesregierung einen "höheren Spitzensteuersatz" noch eine "wirkliche solide Durchsetzung einer Finanztransaktionssteuer" vor.
Über die aktuelle positive Entwicklung der Konjunktur, so Schneider, freue sich auch seine Fraktion. Gleichwohl sei es "dreist", wenn die Regierungskoalition so tue, als wäre das ihr Verdienst. "Ihr Anteil an der wirtschaftlichen Erholung ist gleich Null", urteilte der SPD-Politiker.
Um nicht in die Lage Griechenlands zu geraten müsse der Sozialstaat "nachhaltig handlungsfähig" gemacht werden, sagte Michael Meister (CDU/CSU). Dies bedeute, dass zur richtigen Zeit Konsolidierung betrieben werden müsse, damit der Staat in der Not helfen könne. "Das ist verantwortungsvolle Sozialpolitik", sagte Meister.
Es sei ihm bewusst, dass die Arbeitslosigkeit die "größte Sorge im Land" sei. Deshalb sei klar: "Wir müssen mehr Menschen in Arbeit bringen, statt die Arbeitslosigkeit nur zu verwalten." Dass die Krise die Menschen in Deutschland weniger getroffen habe, als in anderen Ländern sei dem Beitrag der Arbeitnehmer wie der Arbeitgeber aber auch den von der Politik geschaffenen Rahmenbedingungen geschuldet, befand Meister.
Daran habe auch die SPD mitgewirkt, räumte er ein und äußerte zugleich sein Unverständnis darüber, dass sich die Sozialdemokraten heute von dem distanzierten, was sie einst mitbeschlossen hätten. Das gelte auch für die Rente mit 67, die von einem SPD-Arbeitsminister entwickelt worden sei und von der die SPD trotz der Folgen der demografischen Entwicklung heute behaupte, sie sei nicht notwendig.
Es sei absurd, dass die Koalition mit größter Selbstzufriedenheit auf die Konjunktur schaue und die FDP erneut von Steuersenkungen spreche, befand Gesine Lötzsch von der Linksfraktion. Die Wirtschafts- und Finanzkrise habe riesige Löcher in die Haushalte des Bundes und der Länder gerissen, die nun nicht etwa mit dem Geld der "Banker und Spekulanten", sondern mit jenem der "normalen Steuerzahler" gestopft werden sollen. "Das ist ein Skandal", sagte sie.
Der vorgelegte Haushalt entfällt aus ihrer Sicht in zwei Teile: den Kürzungs- und den Lobbyteil. So müsse eine alleinerziehende Mutter mit einem Kind auf bis zu 32 Prozent ihrer Einnahmen verzichten. "Stellen Sie sich einmal vor, der Deutsche-Bank-Chef Ackermann müsste auf 32 Prozent seiner Einnahmen verzichten", sagte Lötzsch.
Ihre Fraktion sei da "bescheidener" und fordere lediglich eine fünfprozentige Vermögensabgabe für Millionäre sowie eine Finanztransaktionssteuer und eine Bankenabgabe zur Finanzierung der Krisenschäden. Die Bundesregierung habe es auch zwei Jahre nach Entstehen der Krise noch immer nicht fertiggebracht, die Banken und Spekulanten zur Kasse zu bitten, kritisierte sie und äußerte die Vermutung: "Eigentlich wollen Sie das auch nicht."
Der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke zitierte vor dem Plenum das Sprichwort: "Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not." Dieser Maßgabe folgend sehe sich die Koalition dem "Sparen und Stabilisieren" verpflichtet, schließlich wisse keiner, "wie es in den nächsten Jahren weitergeht".
An die SPD gewandt sagte er: "Für Sie heißt sparen die Einnahmen erhöhen - für uns ist es der Verzicht auf Ausgaben." In der Vergangenheit sei viel Geld ausgegeben worden, was am Ende zu Steuer- und Abgabenerhöhungen geführt habe. Diesen Weg wollten die Sozialdemokraten auch jetzt wieder beschreiten, indem sie ein Ende der Rente mit 67 forderten. "Sie wollen beliebt sein, werden am Ende aber nur beliebig sein", befand Fricke.
Ziel des Sparens, so der FDP-Politiker, sei es, eine Planungssicherheit für die Zukunft zu schaffen. Zudem gelte es die verfassungsmäßig verankerte Schuldenbremse einzuhalten - auch und insbesondere im Interesse zukünftiger Generationen. Fricke sagte weiter, Sparen sei wie eine bittere Medizin: Sie schmecke nicht, müsse regelmäßig eingenommen werden, aber am Ende sei man geheilt.
Der Haushalt 2011 sei besonders wichtig, da angesichts der Schuldenbremse mit ihm ein Blick bis in das Jahr 2016 geworfen werden müsse, sagte Alexander Bonde (Bündnis 90/Die Grünen). Dabei gelte es, die Gesellschaft auf dem Weg der Schuldenbremse und der nachhaltigen Konsolidierung mitzunehmen. Zugleich müsse der soziale Zusammenhalt Bestand haben. Auch müssten die durch die Krise aufgeworfenen volkswirtschaftlichen Defizite, etwa bei der ökologischen Erneuerung, angegangen werden.
"An diesem Anspruch ist ihr Entwurf zu messen, und er versagt grandios", urteilte Bonde. Stattdessen werde die "ökologische und soziale Verschuldung" verschärft. So nutze beispielsweise die Bundesregierung die Chance zum Subventionsabbau nicht, da im Haushalt 48 Milliarden Euro an umweltschädlichen Subventionen enthalten seien.
Auf der anderen Seite würden "Monopole fettgefüttert", was eine Folge der "Mauschelei" mit der Atomlobby sei. "So absurd wurde Wirtschaftspolitik noch nie gemacht", befand der Grünen-Politiker. (hau)