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Kommunen und Träger der kommunalen Energieversorgung haben ein positives Fazit der Tätigkeit öffentlich-rechtlicher Betriebe gezogen. In einer Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie unter Vorsitz von Eduard Oswald (CDU/CSU) am Montag, 24. Januar 2011, erklärte Ingo Lehmann, Bürgermeister der Stadt Landsberg am Lech, Gemeinden seien ”per Gesetz, historisch bedingt und aus eigenem Interesse bestrebt, Einrichtungen zum Wohl des Bürgers und nicht primär aus eigenem wirtschaftlichen Interesse zu schaffen und zu unterhalten“.
Bei der Anhörung ging es um Anträge der SPD-Fraktion (17/3649) und der Fraktion Die Linke (17/3671) sowie um einen Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/3182).
Nach dem Willen der SPD- und der Grünen-Fraktion sollen Kommunen in Zukunft die Energienetze leichter wieder in eigener Regie betreiben können. Die Linksfraktion fordert die Übertragung der Netze in den Besitz der öffentlichen Hand.
Lehmann erläuterte in seiner schriftlichen Stellungnahme, die Stadt Landsberg am Lech (28.500 Einwohner) habe zum 1. Januar dieses Jahres das Stromnetz übernommen. Der Vertrieb von Strom werde bereits seit knapp einem Jahr angeboten.
Lehmanns Fazit: ”Die Übernahme von Netzen und Vertrieb in kommunale Hand schafft und sichert Arbeitsplätze vor Ort.“ So sei die Zahl der Beschäftigten der Stadtwerke Landsberg von 63 auf 84 gestiegen. Aufgrund der Dezentralität würden mehr Aufträge vor Ort an lokale Betriebe vergeben. Die Gewinne könnten dazu verwendet werden, Defizite anderer Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge wie Schwimmbad und Parkgaragen abzumildern.
Der Verband kommunaler Unternehmen, der 1.400 kommunalwirtschaftliche Unternehmen mit insgesamt 240.000 Beschäftigten vertritt, erklärte, anders als privatwirtschaftliche Unternehmen seien Stadtwerke vorrangig nicht auf Rendite- und Gewinnmaximierung ausgerichtet, sondern würden einen wichtigen Beitrag zur Daseinsvorsoge leisten.
Seit 2007 hätten sich 40 Stadtwerke neu gegründet, und es seien 100 Netzkonzessionen von kommunalwirtschaftlichen Unternehmen übernommen worden.
Nach Ansicht des Bundeskartellamtes bedarf die wirtschaftliche Betätigung des Staates aus ordnungspolitischer Sicht einer besonderen Rechtfertigung. Kommunale Energieerzeugungsunternehmen könnten eine wichtige Rolle als potenzielle Wettbewerber der großen Energiekonzerne spielen.
Der Neubau von grundlastrelevanten Kraftwerken sei geeignet, ”die dominante Rolle der großen Erzeugungsunternehmen aufzuweichen“. Die Rekommunalisierung des Verteilernetzbetriebes eröffnet nach Ansicht des Kartellamtes jedoch auch eine ”Missbrauchsmöglichkeit bei der Berechnung von Konzessionsabgaben“.
Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände (Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag, Deutscher Städte- und Gemeindebund) verwies auf einen anderen Aspekt: Durch die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke seien die finanziellen Rahmenbedingungen für Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sowie für Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien deutlich verschlechtert worden.
Die Bundesnetzagentur erklärte, nicht alle Erwartungen an die Rekommunalisierung entsprächen den tatsächlichen rechtlichen Möglichkeiten.
”Erwartungen, dass die Gemeinde durch die Vergabe der Konzession an ein eigenes Stadtwerk Einfluss auf die Ausrichtung der Erzeugung, die Gestaltung von Vertriebsprodukten oder die Durchführung von Energieeffizienzmaßnahmen hätte, (gehen) über den Rahmen des rechtlich Möglichen hinaus“, heißt es in einer Erklärung der Bundesnetzagentur.
Ein Versorgungsauftrag zur Belieferung der im Konzessionsgebiet angeschlossenen Letztverbraucher oder gar ein ausschließliches Recht zur Versorgung existiere heute nicht mehr.
Prof. Dr. Ulrich Büdenbender (Technische Universität Dresden) erhob grundsätzliche Bedenken gegen die Rekommunalisierung. Es sei systemwidrig, Rechtsänderungen im Bereich der Netze mit Überlegungen zur Stromerzeugung ”und hierbei politisch bevorzugter Kraftwerkstypen zu begründen“. Auch gegen eine pauschale Bevorzugung kommunaler Netzbetreiber hat Büdenbender Bedenken.
Prof. Dr. Franz Jürgen Säcker (Freie Universität Berlin) erklärte: ”Für eine Überführung privater beziehungsweise privatisierter Unternehmen in öffentliche Trägerschaft gibt es keinen überzeugenden Grund.“ Ein Gemeinwohlinteresse an einer (Rück-)Verstaatlichung lasse sich nicht feststellen.
”Eine Enteignung als einen 'Weg in den Kommunismus‘ zu erproben, wäre unter den gegebenen verfassungsrechtlichen Umständen nicht begründbar“, so Säcker. Sie würde zu keiner besseren Versorgung der Verbraucher führen.
Robert Kösling (Urbane Infrastruktur) brachte in seiner Stellungnahme die Möglichkeit von Netzwerkstrukturen durch die Schaffung von ”Verbundstadtwerken“ ins Gespräch. Gewinnausschüttungen könnten aber Investitionen gefährden. Dies gelte für private wie kommunale Betriebe.
Rechtsanwalt Christian Theobald (Kanzlei Becker Büttner Held) wies darauf hin, dass die Kommunen über Stadtwerke eine ”ökologische und rationelle Energieversorgung“ selbst durchführen könnten. (hle)