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Die Grüne Woche, die internationale Ausstellung der Ernährungs- wirtschaft, der Landwirtschaft und des Gartenbaus, beginnt am Freitag, 21. Januar 2011, in Berlin und dauert bis 30. Januar. Traditionell unternimmt der Ernährungsausschuss des Deutschen Bundestages einen Rundgang auf der Messe. Der Vorsitzende des Ausschusses, der FDP-Abgeordnete Hans-Michael Goldmann, sagt im Interview, mit welchen Erwartungen er in diesem Jahr die Messe besucht.
Herr Goldmann, freuen Sie sich denn in diesem Jahr auf die Internationale Grüne Woche? Oder ist die Stimmung durch den Dioxin-Skandal gedrückt?
Nein, das würde ich so nicht sagen. Wir haben zwar in der Tat ein großes Problem derzeit im Agrarbereich, doch sind vor allem die Länder mit der Situation sehr verantwortungsbewusst umgegangen. Wir arbeiten derzeit das Problem ab. Unabhängig davon bin ich mir aber absolut sicher, dass wir eine gut besuchte und von der internationalen Agrarfamilie hervorragend aufgenommene Grüne Woche haben werden. Es gibt schließlich riesige Chancen im Agrarsektor. Die Weltbevölkerung steigt und braucht mehr Lebensmittel. Zudem können wir im Energiesektor einiges tun. Insofern sehe ich der Grünen Woche optimistisch entgegen.
Polen ist das offizielle Partnerland der Grünen Woche 2011. Nach Russland und Ungarn das dritte osteuropäische Land in Folge. Zufall oder orientiert sich die deutsche Agrarindustrie verstärkt in Richtung Osten?
Sie vernetzt sich in Richtung Osten in besonderer Weise. Polen etwa ist ein sehr ernst zu nehmender Partner in der Europäischen Gemeinschaft auf dem Agrarsektor. Das Land hat traditionell eine hohe landwirtschaftliche Potenz. Zudem liegt Polen schließlich genau vor unserer Haustür, wodurch sich auch besondere Wechselbeziehungen ergeben. Russland wiederum ist und bleibt ein wichtiger Partner allein schon angesichts seiner immensen landwirtschaftlichen Flächen und der guten Böden. Zudem bleibt das Land auch von der Nachfragesituation sehr interessant für die deutsche Agrarindustrie, auch wenn bei den Russen gewisse Abschottungstendenzen zu erkennen sind. Wenn etwa in Deutschland mal ein Wildschwein die Schweinepest hat, wird das dann gern zum Anlass genommen, die Grenzen dicht zumachen.
Die von Ihnen angesprochene Exportorientierung der deutschen Agrarindustrie, die mit der zunehmenden Industrialisierung der Landwirtschaft einhergeht, gilt insbesondere aus Sicht der Grünen als Auslöser des Dioxinskandals. Gefordert wird daher eine Stärkung des ökologischen Landbaus. Zu Recht?
Diese Einschätzung ist nicht richtig. Es stimmt: Wir brauchen den ökologischen Landbau. Aber wir werden die Anforderungen, die heute an die Landwirtschaft gestellt werden, ganz sicher nicht nur mit ökologischem Landbau bedienen können. Dazu brauchen wir auch die intensive national und international orientierte Agrarwirtschaft, die es in Deutschland seit vielen Jahren gibt.
Dadurch entsteht möglicherweise aber eine größere Anfälligkeit für solche Skandale. Ist die intensive Agrarwirtschaft nun Fluch oder Segen?
In erster Linie Segen, weil es sich um eine äußerst effiziente und intensive Landwirtschaft handelt, die zu sehr guter Produktqualität geführt hat. Das bringt auch einen gesamtwirtschaftlichen Vorteil. Wenn aber ein Schaden auftritt, kommt es angesichts der großen Strukturen und der starken Vernetzung schnell zu einem Schneeballeffekt. Das sieht man auch an dem aktuellen Dioxinfall, wo es eine explosionsartige Verbreitung des Problems gegeben hat. Es gibt da aber auch einen weiteren interessanten Fakt: Derzeit sind es zwei Seiten, die sich öffentlich als vom Dioxinskandal nicht betroffen bezeichnen. Zum einen die Ökobetriebe und zum anderen mit Wiesenhof eines der Großunternehmen, die Intensivtierhaltung betreiben. Die nämlich argumentieren damit, alle Futtermittel nebst Zusätzen selbst produzieren zu können und daher nicht von möglicherweise kriminellen Zulieferern abhängig zu sein.
Als Folge des Skandals sind nun Änderungen im Verbraucherinformationsgesetz geplant. Die Auskunftsrechte der Verbraucher sollen so gestärkt werden. Reicht das aus, um künftige Skandale zu verhindern?
Es ist sicher nicht ausreichend, den zu benennen, der ein belastetes Produkt in den Handel gebracht hat. Das ist eine wichtige Information an den Verbraucher, der dieses Produkt dann vermeiden kann. Wir müssen aber dafür sorgen, dass so etwas gar nicht erst entsteht. Dafür muss die Produktionskette sicherer gemacht werden.
Wäre es da nicht sinnvoll, private Labore zu verpflichten, Grenzwertüberschreitungen bei getesteten Produkten nicht nur dem Hersteller, sondern auch den zuständigen Kontrollbehörden zu melden?
Das wollen wir jetzt auf den Weg bringen. Eine Konsequenz aus dem Fall muss sein, dass überall dort, wo eine Probe auftaucht, die den Grenzwert überschreitet, der Untersucher der Probe den Schaden melden muss. Im Bereich der Veterinärmedizin ist es schon jetzt so, dass etwa bei einer Fleischbeschau festgestellte Seuchen oder schwere Krankheiten gemeldet werden müssen.
In der Öffentlichkeit wird derzeit oft der Eindruck erweckt, der Verbraucher sei mitschuldig an derartigen Vorkommnissen, weil er seine Lebensmittel möglichst billig haben wolle und die Produzenten in einen Preiskampf führe, in dem diese gezwungen seien, zu derartigen illegalen Methoden zu greifen. Muss nicht aber gewährleistet sein, dass Lebensmittel in Deutschland sicher sind, egal zu welchem Preis sie gehandelt werden?
Absolut! Das ist völlig undiskutabel. Allerdings muss man sagen, dass durch das "Geiz ist geil"-Denken, das nun langsam im Auslaufen begriffen ist, ein unglaublicher Kostendruck generell entstanden ist. Für die Lebensmittelhersteller ist es sicher ein Problem immer die richtigen, die guten Produkte zu nehmen, wenn sie keinen angemessenen Preis erzielen können. Aber noch mal: Es gibt da nichts drumherum zu reden. Lebensmittel müssen sicher sein, egal zu welchem Preis sie angeboten werden.
(hau)