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Deutschlands Männer müssen nicht länger ihren Wehrdienst oder einen zivilen Ersatzdienst antreten. Rund 55 Jahre nach ihrer Einführung setzte der Bundestag am Donnerstag, 24. März 2011, die allgemeine Wehrpflicht zum 1. Juli dieses Jahres aus. Für das entsprechende Wehrrechts- änderungsgesetz 2011 der Bundesregierung (17/4821) stimmten gemäß der Beschlussempfehlung des Verteidigungsausschusses (17/5239) die Fraktionen CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Mit dem Gesetz wird zugleich ein freiwilliger Wehrdienst von sechs bis 23 Monaten geschaffen, der Männer und Frauen gleichermaßen offensteht. Bis zu 15.000 Freiwillige sollen in Zukunft neben den Zeit-und Berufssoldaten in der Bundeswehr dienen.
Die Aussetzung der Wehrpflicht ist Teil der angestrebten Streitkräftereform, mit der die Bundeswehr von derzeit rund 255.000 Soldaten auf bis zu 185.000 verkleinert werden soll. Das Ende der Dienstpflicht gilt jedoch ausschließlich in Friedenszeiten, im Spannungs- oder Verteidigungsfall kann sie wieder aktiviert werden. Deshalb bleibt Artikel 12a des Grundgesetztes, nachdem jeder männliche deutsche Staatsbürger „vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden“ kann, unangetastet.
„Ich finde das keinen Freudenakt heute, dass wir hier die Wehrpflicht aussetzen“, betonte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) vor dem Parlament. Sie sei allerdings sicherheitspolitisch nicht mehr zu begründen. Deutschland benötige leistungsfähige und finanzierbare Streitkräfte. Der Minister kündigte an, dass er bis Juni die endgültigen Zahlen und Angaben über den Umfang der Bundeswehr, die Strukturen im Ministerium und der zivilen Wehrverwaltung zu präsentieren. De Maizière bekräftigte, dass der freiwillige Wehrdienst attraktiv gestaltet werden müsse.
Dazu gehöre unter anderem die Erhöhung der Wehrsoldes und die Zahlung von Verpflichtungsprämien. Allerdings dürfe man die jungen Männer und Frauen nicht nur mit materiellen Anreizen umwerben. „Wer ausschließlich wegen des Geldes zur Bundeswehr kommt, ist vielleicht genau der oder die, die wir nicht haben wollen“, sagte er. Der freiwillige Wehrdienst solle „ein ehrenvoller Dienst“ sein, „auf den der Soldat stolz ist, und auf den unser Land stolz ist“.
Die jährlichen Kosten für den freiwilligen Wehrdienst werden von der Bundesregierung auf 319 Millionen Euro beziffert. Diese würden jedoch durch die Aussetzung der Wehrpflicht vollständig kompensiert. Einmalige Kosten von bis zu 65 Millionen Euro im laufenden Jahr werden nach Angaben der Regierung durch die Zahlung von Verpflichtungsprämien an Mannschaftssoldaten zur Überbrückung personeller Engpässe entstehen.
Der SPD-Abgeordnete Hans-Peter Bartels bescheinigte der Regierung, dass die Aussetzung der Wehrpflicht und die Einführung eines freiwilligen Wehrdienstes prinzipiell die richtigen Entscheidungen sei. Bartels bemängelte jedoch die Vorbereitungen und Durchführung der Streitkräftereform.
So sei es eine „Veralberung der Bundeswehr“ gewesen, im vergangenen Jahr die Wehrdienstzeit noch einmal auf sechs Monate zu verkürzen. Scharf attackierte er die Entscheidung des ehemaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg, bereits ab dem 1. März dieses Jahres, keine Wehrpflichtigen mehr einzuziehen. Es sei „hart am Rande der Rechtsstaatlichkeit“, wenn die Regierung solche Entscheidungen ohne die vorherige Zustimmung durch den Bundestag treffe.
Der Sozialdemokrat bezweifelte, dass es gelingen werde, die angestrebten 15.000 Freiwilligen zu werben. Bartels mahnte die Regierung zudem, keine Reform „nach Kassenlage“ zu betreiben.
Für die FDP-Fraktion hingegen bescheinigte Rainer Erdel dem Verteidigungsminister, er habe ein klares Konzept und einen klaren Zeitplan den Umbau der Bundeswehr vorgelegt. Erdel wies auch Befürchtungen zurück, die Bundeswehr könne sich zu einem Staat im Staate entwickeln.
In den Streitkräften dienten bereits heute rund 190.000 Berufs- und Zeitsoldaten ohne dass die demokratische Kontrolle der Bundeswehr gefährdet sei. Der Liberale begrüße die Aussetzung der Wehrpflicht ausdrücklich. Seine Fraktion habe diesen Schritt bereits seit Jahren gefordert.
Kritik hagelte es aus den Reihen der Fraktion Die Linke. Deren verteidigungspolitischer Sprecher Paul Schäfer sagte, die Aussetzung der Wehrpflicht sei zwar „ein Grund zu Freude“. Allerdings werde diese Freude getrübt, da sich die Regierung nicht dazu durchringen konnte, die Wehrpflicht abzuschaffen, sprich aus dem Grundgesetz zu streichen. Nach dem Ende des Ost- Westkonfliktes sei dieser Schritt konsequent gewesen. Das Gesetz sei mit „heißer Nadel gestrickt“ und ein schlechter Auftakt für die Bundeswehrreform.
Trotz ihrer Zustimmung zur Aussetzung der Wehrpflicht, bemängelte auch für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen deren Abgeordnete Agnes Malczak die konkreten Regelungen im Wehrrechtsänderungsgesetz. Das größte Manko der Streitkräftereform sei es jedoch, dass die Regierung bis heute noch kein Konzept über die zukünftigen Strukturen und Aufgaben der Bundeswehr vorgelegt habe. Malczak betonte, dass es auch ihrer Fraktion lieber gewesen wäre, die Wehrpflicht ganz abzuschaffen.
Für die CDU/CSU-Fraktion stellte der Parlamentarier Ingo Gädechens noch einmal klar, dass sich die Union nur schweren Herzens von der Wehrpflicht verabschiede. Die Bundeswehr sei eben doch „eine Art Schule der Nation“ gewesen. Dort hätten junge Menschen zum ersten Mal gelernt, dass sie als Bürger auch etwas für den Staat und die Gesellschaft tun müssten. (aw)