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Mit einer schwierigen bioethischen Frage beschäftigt sich der Bundestag am Donnerstag, 14. April 2011, ab 9 Uhr: In einer auf zweieinhalb Stunden angesetzten Debatte geht es - ohne die sonst übliche Fraktionsdisziplin - um den künftigen Umgang mit der Präimplantationsdiagnostik (PID). Eine Neuregelung zu dem umstrittenen Verfahren, bei dem im Reagenzglas erzeugte Embryonen vor der Einpflanzung in den Mutterleib auf etwaige Krankheiten untersucht und eventuell verworfen werden, ist nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom Juli 2010 notwendig geworden. Das Gericht hatte entschieden, dass die PID nach dem 1991 in Kraft getretenen Embryonenschutzgesetz nicht verboten ist. Der Debatte liegen drei Gruppenanträge zugrunde, die von einem strikten Verbot bis zu einer eingeschränkten Zulassung der Methode reichen.
Für ein striktes Verbotes von Tests an künstlich erzeugten Embryonen argumeniert eine Gruppe von 192 Abgeordneten, zu denen auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Birgitt Bender, und der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, der CSU-Abgeordnete Johannes Singhammer, gehören. Sie argumentieren, die Anwendung der PID gefährde "die Akzeptanz gesellschaftlicher Vielfalt".
Weiter heißt es in dem Gesetzentwurf (17/5450), den Abgeordnete aller Fraktionen mittragen, der soziale Druck auf Eltern, "ein gesundes Kind haben zu müssen", werde erhöht. Die Werteordnung des Grundgesetzes bestimme ausdrücklich, dass jeder Mensch den gleichen Anspruch auf Würde und die gleichen Rechte auf Teilhabe besitze - mit einer Zulassung der PID werde dieses Wertgefüge "nachhaltig beschädigt".
Die Abgeordneten schreiben in dem Entwurf, auch bei Spätabtreibungen sei eine Aussortierung aufgrund von Behinderung "ausdrücklich nicht mehr zulässig" - Voraussetzung sei vielmehr eine Gefahr für die körperliche und seelische Gesundheit der Schwangeren. Einige der mittels PID diagnostizierten Erkrankungen könnten "schon allein aufgrund ihrer vergleichsweise geringen Folge eine solche Gefahr von sich aus schon nicht begründen".
Eine weitere Gruppe von 36 Abgeordneten um den Ethikexperten der SPD-Fraktion, René Röspel, und die Sprecherin für Bildungspolitik und Biotechnologie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Priska Hinz, will das Verfahren "grundsätzlich" verbieten, in Ausnahmefällen aber "für nicht rechtswidrig" erklären.
In dem Gesetzentwurf zur begrenzten Zulassung der PID (17/5452) heißt es, in diesen Fällen müsse bei beiden Eltern oder einem Elternteil eine humangenetisch diagnostizierte Disposition vorliegen, "die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu Fehl- oder Totgeburten oder zum Tod des Kindes im ersten Lebensjahr führen kann".
Zudem müsse vor der Diagnostik eine Beratung angeboten werden. Röspel und seine Kollegen wollen, dass die PID künftig in einem lizenzierten Zentrum stattfindet und dass die Entscheidung im Einzelfall durch eine Ethikkommission, die durch die Bundesregierung berufen wird, erfolgt. Eine PID hingegen, die der "Wunscherfüllung der Zusammensetzung genetischer Anlagen von Kindern nach dem Willen der Eltern dienen soll", bleibe damit weiterhin verboten, heißt es in dem Gesetzentwurf weiter.
Den dritten Gesetzentwurf (17/5451) haben 215 Parlamentarier aller Fraktionen um die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP, Ulrike Flach, und den CDU-Abgeordneten Peter Hintze, vorgelegt. Nach diesem soll die PID nach verpflichtender Aufklärung und Beratung sowie dem positiven Votum einer Ethikkommission zulässig sein, wenn ein oder beide Elternteile die Veranlagung für "eine schwerwiegende Erbkrankheit in sich tragen oder mit einer Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen ist".
Zur Begründung heißt es: "Dadurch können bereits vor Einleitung der Schwangerschaft Fehl- und Totgeburten und die Weitergabe von besonders schweren Erkrankungen an das zukünftige Kind verhindert und schwere Belastungen, insbesondere von den betroffenen Frauen, aber auch den Familien insgesamt, abgewendet werden." Die Diagnostik müsse an lizenzierten Zentren erfolgen.
In dem Entwurf heißt es weiter, ein explizites Verbot der PID mache es "einschlägig vorbelasteten Paaren praktisch unmöglich", eigene genetisch gesunde Kinder zu bekommen, und stehe im Widerspruch zu der Möglichkeit der Frau, bei einem im Wege einer Pränataldiagnostik festgestellten schweren genetischen Schaden des Embryos und bei Vorliegen der medizinischen Indikation die Schwangerschaft abbrechen zu lassen.
Der Bundesgerichtshof habe in seinem Urteil aus dem Juli 2010 darauf hingewiesen, "dass es widersprüchlich wäre, einerseits die belastenden Schwangerschaftsabbrüche" straffrei zu lassen und andererseits die PID, "die auf einem weitaus weniger belastenden Weg dasselbe Ziel verfolgt, bei Strafe zu untersagen". (mpi)