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Die im Zusammenhang mit dem Atomausstieg geplanten Maßnahmen im Energiewirtschaftsrecht und zum beschleunigten Ausbau der Elektrizitätsnetze sind am Montag, 27. Juni 2011, in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie unter Vorsitz von Ernst Hinsken (CDU/CSU) von den Sachverständigen begrüßt worden. Bei der Anhörung ging es um den von CDU/CSU und FDP und der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftlicher Vorschriften (17/6072, 17/6248) sowie um den ebenfalls von Koalition und Regierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze (17/6073, 17/6249).
So bezeichnete Christoph Maurer (CONSENTIC – Consulting für Energiewirtschaft und -technik) in seiner schriftlichen Stellungnahme die Zusammenfassung von Kompetenzen bei der Planung neuer Stromtrassen bei der Bundesnetzagentur als sinnvoll, da die Netzagentur ohnehin zusätzliche Aufgaben im Bereich der Netzplanung erhalten werde. Notwendig sei mittelfristig ein Netzausbau in einem Umfang von mehreren Tausend Kilometern.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft begrüßte die Übertragung der Aufgaben an die Bundesnetzagentur und erwartet, dass die Planfeststellung aus einer Hand zu schnelleren Verfahren führen wird. Der Übertragungsnetzbetreiber "50hertz" erklärte, die Zuständigkeit der Netzagentur sei der entscheidende Hebel, um Verfahrenspausen zu vermeiden.
Die Bundesnetzagentur sicherte zu, sie werde sich den neuen Aufgaben stellen. Die Wahrnehmung dieser neuen Aufgaben sei jedoch ohne zusätzliche Planstellen nicht möglich. Kritisch äußerte sich die Agentur zu dem Vorhaben, Hochspannungsleitungen auf neuen Trassen mit einer Nennspannung von 110 Kilovolt überwiegend als Erdkabel auszuführen. Ein Zubau von 2.500 Kilometer Leitungen würde dann statt 500 Millionen Euro 1,4 Milliarden Euro kosten.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi schrieb zum Netzausbau, zur Vermeidung weitergehender Eingriffe in die Landschaft solle bei den Trassenplanungen systematisch hinterfragt werden, ob bereits bestehende Trassen ausgebaut werden könnten. Zu den Forderungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zählt eine Verpflichtung der Übertragungsnetzbetreiber, den zum stabilen Betrieb erforderlichen Anteil an systemdienstfähigen Kraftwerkskapazitäten zu garantieren.
Der Bundesverband Erneuerbare Energien begrüßte die Ziele im Energiewirtschaftsbereich und forderte in seiner Stellungnahme unter anderem Anreize zum Ausbau der Speicherkapazitäten. So müsse es eine generelle Befreiung der Speicher von den Netznutzungsentgelten geben. Diese Forderung wurde auch vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW) erhoben.
Die Wirtschaftsvereinigung Metalle sicherte zu, dass ihre Betriebe aktiv zur Netzstabilität und Versorgungssicherheit beitragen wollten. Sie verlangte eine angemessene Entschädigung der Unternehmen für den Fall von schnellen Stromabschaltungen zur Netzstabilisierung. Diese Abschaltungen müssten in Zahl und Dauer begrenzt werden. Der Orientierungspreis für die Entschädigung müsse bei 60.000 Euro je Megawatt und Jahr liegen.
Der Stromnetzbetreiber TenneT TSO sah das Instrument zu- und abschaltbarer Lasten als sinnvoll an. Diese Notfallmaßnahmen müssten jedoch davon abhängig gemacht werden, dass zuvor Vereinbarungen mit der Industrie abgeschlossen worden sind.
Zum Thema Reservekraftwerk schrieb der Bundesverband Neuer Energieanbieter, die an abgeschaltete oder stillgelegte Anlagen gerichtete Verpflichtung, die Betriebsbereitschaft wieder herzustellen und Strom ins Netz einzuspeisen, stelle einen "erheblichen Eingriff" in das Eigentumsrecht da und sei mit erheblichen Kosten verbunden.
Prof. Dr. Christian von Hirschhausen (Technische Universität Berlin) bezeichnete den Zeithorizont der bisherigen Netzausbauplanung in Deutschland als zu kurz. Die Planungen bezögen sich auf die bis 2025 reichenden Netzstudien der Deutschen Energieagentur (dena).
Zur wettbewerblichen Lage schrieb das Bundeskartellamt, es sei nicht auszuschließen, dass es durch den Atomausstieg kurzfristig zu einer stärkeren Marktmacht der dominierenden Energieerzeuger EnBW, Eon, RWE und Vattenfall kommen werde.
Grundsätzliche Kritik übte Prof. Dr. Franz Jürgen Säcker (Freie Universität Berlin) in seiner schriftlichen Stellungnahme. Deutschland gebe das von der EU vorgegebene System der wettbewerblichen Öffnung der Märkte für Strom und Gas einseitig auf "und hat sich im Interesse verstärkten Klimaschutzes einem planwirtschaftlichen System der Energieversorgung zugewandt".
Darüber hinaus ging es in der Anhörung um den SPD-Antrag "Auf dem Weg zu einem nachhaltigen effizienten, bezahlbaren und sicheren Energiesystem" (17/5181) und um zwei weitere Anträge der SPD-Fraktion, um das "Programm für eine nachhaltige, bezahlbare und sichere Energieversorgung" (17/5481) und um die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung (17/6084). Gegenstand der Anhörung war außerdem ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zur Modernisierung der Stromnetze (17/5762). (hle)