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Sowohl die Koalitions- als auch die Oppositionsfraktionen haben ihre prinzipielle Zustimmung zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Bundeskinderschutzgesetzes (17/6256) signalisiert. Der Bundestag beriet am Freitag, 1. Juli 2011, in erster Lesung über den Gesetzentwurf. In der vergangenen Legislaturperiode war die damalige Bundesfamilienministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) mit ihrem Gesetzentwurf noch am Widerstand des sozialdemokratischen Koalitionspartners gescheitert. Der neue Entwurf ihrer Nachfolgerin Dr. Kristina Schröder (CDU) hat nun beste Chancen, vom Bundestag angenommen zu werden und am 1. Januar 2012 in Kraft zu treten. Der Bundesrat hatte am 27. Mai eine erste positive Stellungnahme zum Regierungsentwurf abgegeben, zugleich jedoch auch seine Bedenken gegen einzelne Aspekte geäußert.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Familienministerium, Dr. Hermann Kues (CDU) - er vertrat in der Debatte Ministerin Schröder, die am Vortag Mutter einer Tochter geworden war - betonte, mit dem Gesetz erreiche der Kinderschutz in Deutschland "eine neue Qualität". Es verbinde die Prävention und notfalls die staatliche Intervention, wenn das Wohl des Kindes bedroht sei.
Kues sagte den Fraktionen zu, dass über einzelne Bestandteile des Gesetzes im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens noch verhandelt werden könne. Die Regierung strebe eine möglichst parteiübergreifende Lösung an.
Einen Schwerpunkt, so erläuterte Kues, wolle die Regierung auf die Stärkung der Eltern legen. So sollen Eltern und werdende Mütter und Väter über das Leistungsangebot der örtlichen Beratungsstellen informiert werden. Dazu gehöre auch, den Eltern ein Beratungsgespräch und einen Hausbesuch anzubieten. Durch ein auf vier Jahre befristetes und vom Bund finanziertes Modellprojekt soll ein System von Familienhebammen aufgebaut werden, die den Eltern auch nach der Geburt länger zur Seite stehen.
In den Bundesländern soll zudem ein Netzwerk zwischen allen für den Kinderschutz zuständigen Institutionen und Leistungsträgern aufgebaut werden. Dazu zählen etwa Gesundheits- und Sozialämter, Einrichtungen der Jugendhilfe, Beratungsstellen, Krankenhäuser, Schulen und die Polizei.
Zu den präventiven Maßnahmen der Gesetzes gehört nach den Worten von Staatssekretär Kues auch die verpflichtende Abgabe eines erweiterten Führungszeugnisses für alle hauptamtlichen Mitarbeiter in der Kinder- und Jugendhilfe, um vorbestrafte Sexualstraftäter von vornherein ausschließen zu können. Auch von ehrenamtlichen Mitarbeitern könne vom Träger der Einrichtung ein solches erweitertes Führungszeugnis verlangt werden.
Zudem sollen die Jugendämter zukünftig besser zusammenarbeiten und ihre Informationen über Problemfälle austauschen können. Nach den Plänen der Regierung sollen Berufsgeheimnisträger wie Ärzte, Lehrer oder Mitarbeiter in Beratungsstellen von ihrer Schweigepflicht entbunden werden, wenn sie etwa einen Fall von Kindesmissbrauch oder Kindesverwahrlosung vermuten. Dadurch soll eine staatliche Intervention erleichtert werden.
Nach Angaben der Bundesregierung entstehen durch das Gesetzesvorhaben in den Jahren 2012 bis 2015 für den Bund jährliche Ausgaben von 30 Millionen Euro. Die Hauptlast der Ausgaben hingegen sollen von den Bundesländern getragen werden. Neben einmaligen Kosten von jeweils 25 Millionen Euro in den Jahren 2012 und 2013 kämen auf die Länder jährliche Ausgaben von rund 64 Millionen Euro zu.
Wer den Schutz von Kindern in Deutschland gewährleisten wolle, müsse eben auch das nötige Geld dafür ausgeben, appellierte Kues an die Länder, die sich aus finanziellen Gründen beispielsweise gegen das System der Familienhebammen sperren.
Die inhaltlichen Punkte des Gesetzes werden von allen Fraktionen mitgetragen. Die SPD-Abgeordnete Dagmar Ziegler begrüßte den "Präventionscharakter" , um den Kinder- und Jugendschutz zu gewährleisten. Damit unterscheide er sich wohltuend vom Entwurf der ehemaligen Ministerin von der Leyen.
Kritik übte Ziegler jedoch an der Plänen zur Finanzierung des Gesetzes. Es sei nicht sinnvoll, die Familienhebammen nur als Modellprojekt für drei Jahre durch den Bund zu finanzieren. Dies erinnere sie stark an das Modell der Mehrgenerationenhäuser. Diese seien ebenfalls vom Bund initiiert worden, ohne eine langfristige Finanzierung zu sichern. Dies dürfe sich im Fall der Familienhebammen nicht wiederholen. Länder und Kommunen dürften nicht allein gelassen werden.
Dieser Kritik schlossen sich auch die Parlamentarierinnen Diana Golze (Die Linke) und Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen) an. Das System der Familienhebammen müsse in jedem Fall langfristig finanziert werden. "Kinderschutz ist nicht zum Nulltarif zu haben", sagte Deligöz.
Die grüne Abgeordnete attackierte zudem das Bundesgesundheitsministerium. Es sei unverständlich, dass sich ausgerechnet dieses Ressort bislang völlig aus den Verhandlungen und Beratungen über das Gesetz herausgehalten habe.
Diana Golze bemängelte zudem, dass die Vorgaben für das erweiterte Führungszeugnis bei ehrenamtlichen Mitarbeitern in der Kinder- und Jugendarbeit zu schwammig formuliert seien.
An dieser Stelle müsse das Gesetz nachgebessert werden. Die Vertreter der Koalitionsfraktionen hingegen lobten den Gesetzentwurf uneingeschränkt.
Dieser sei "ein Meilenstein" für den Kinderschutz in Deutschland, sagte Miriam Gruß (FDP). Sie rief die Länder auf, sich bei der Frage der Familienhebammen nicht querzustellen.
Diese seien "Lotsen für die Familien" auch in schwierigen Zeiten. "Jeder in die Prävention investierte Euro ist gut für die Zukunft angelegt", argumentierte die Liberale.
In diesem Sinne äußerte sich auch die Unionsabgeordnete Ingrid Fischbach. Zum System der Familienhebammen werde nach zwei Jahren ein erster Zwischenbericht vorgelegt. Dann werde man sich auch erneut über die Finanzierung unterhalten müssen. "Wir alle wollen unsere Kinder schützen, und ich bin überzeugt, dass wir das mit diesem Gesetzentwurf schaffen", freute sie sich. (aw)