Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Archive > 2011 > Online-Durchsuchungen
In der Debatte um den umstrittenen Einsatz sogenannter Staatstrojaner hat die Opposition der Bundesregierung Zerstrittenheit und schwere Versäumnisse vorgehalten. In einer zwischen allen Fraktionen vereinbarten Aktuellen Stunde des Bundestages sprach der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, am Mittwoch, 19. Oktober 2011, von chaotischen Verhältnissen in der Bundesregierung. Für die Linksfraktion monierte ihr Abgeordneter Jan Korte, die Regierung habe bei dieser Thematik kein Problembewusstsein. Der Grünen-Parlamentarier Dr. Konstantin von Notz bemängelte, die Koalition ignoriere und relativiere "die Grundrechtsrelevanz im Netz".
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Dr. Ole Schröder (CDU), verteidigte in den Einsatz von Staatstrojanern. Die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) sei ein unverzichtbares Hilfsmittel im Kampf gegen Terrorismus und Organisierte Kriminalität. Da heutzutage zunehmend über den Computer telefoniert werde, setzte man die sogenannte Quellen-TKÜ ein, da die Kommunikation nur auf dem Rechner des Verdächtigen unverschlüsselt vorliege.
Dabei beschränkte sich die Quellen-TKÜ ausschließlich auf die laufende Telekommunikation. Der Vorwurf des Chaos Computer Clubs (CCC) und anderer, dass der Bund Software einsetze, die mehr könne als Quellen-TKÜ, sei falsch: "Die Telekommunikationssoftware der Bundesbehörden macht keine Screenshots und bedient sich auch keiner Bildschirmkameras oder Mikrofone."
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte, keine Quellen-TKÜ dürfe in eine Online-Durchsuchung übergehen. "Unbewusst durch technische Möglichkeiten darf das nicht sein", unterstrich die Ressortchefin.
Das Bundesverfassungsgericht habe 2008 deutlich gemacht, dass es zwar unter bestimmten Voraussetzungen diese heimlichen Ermittlungsmöglichkeiten geben könne, aber kein "Verwischen" zwischen ihnen. Notwendig seien hier "klare Grenzen". Dabei müssten auch Manipulationsmöglichkeiten ausgeschlossen werden. Man müsse alles tun, dass "Technik nicht rechtliche Möglichkeiten und verfassungsgerichtliche Vorgaben außer Kraft setzt".
Oppermann sah "schwere Mängel beim Einsatz von Staatstrojanern". So habe der CCC "bei der eingesetzten Software Sicherheitslücken festgestellt, die von Dritten missbraucht werden können, um die Durchsuchten zusätzlich auszuforschen".
Auch sei zu fragen, wer diese Software produziere. "Wenn schon Staatstrojaner, dann bitte vom Staat und nicht von einer privaten Firma", forderte Oppermann. Zwar könne auf privates Know-how zurückgegriffen werden, doch müsse der Staat "in allen Phasen die vollständige technische Kontrolle behalten".
Korte forderte einen kompletten Stopp des Einsatzes von Trojanern. Auch müsse man die "Privatisierung im Bereich der inneren Sicherheit zurückdrängen".
Sie sei eine staatliche Hoheitsaufgabe und dürfe nicht an externe Firmen vergeben werden, die nicht zu kontrollieren seien.
Von Notz monierte, es sei offen, wie viele Trojanerversionen "eigentlich wo genau im Umlauf" seien. Gleiches gelte für die Frage, wie sichergestellt werde, dass der Trojaner rechtskonform sei, wenn die Regierung den Quellcode der Software nicht kenne.
Auch auf die Frage, wieso ein solch "grundrechtssensibler Bereich" an eine private Firma ausgelagert werde, habe die Regierung keine Antwort gegeben.
Die FDP-Innenexpertin Gisela Piltz verwies auf die Vereinbarung aus dem schwarz-gelben Koalitionsvertrag zum Bundeskriminalamt-Gesetz, wonach der "Kernbereichsschutz" verbessert werden solle.
Diesen Auftrag nehme man sich nun noch "ernster vor, wenn diese Steigerungsmöglichkeit überhaupt geht".
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl, mahnte, Sicherheit müsse auch im Internet gelten. Immer mehr Kriminalität finde im Netz statt. Der Staat müsse sehen, wie er dieser Verbrechen Herr werde. Die Anwendung der Quellen-TKÜ sei auch in Zukunft notwendig. (sto)