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Die SPD-Fraktion will die soziale Grundsicherung zum "Motor solidarischer und nachhaltiger Entwicklungspolitik" machen. Der Ausbau der sozialen Sicherungssysteme in Entwicklungsländern stand im Mittelpunkt ihres Antrags (17/7358), mit dem sich der Bundestag am Donnerstag, 27.Oktober 2011, in einer einstündigen Debatte befasste. Der Antrag der Sozialdemokraten wurde auf interfraktionellen Vorschlag in die Ausschüsse überwiesen.
Noch immer lebten 80 Prozent der Menschheit ohne soziale Absicherung gegen die Lebensrisiken Krankheit, Alter und Arbeitslosigkeit, sagte Karin Roth von der SPD-Fraktion zum Auftakt der Debatte. "Nur wer eine Mindestabsicherung hat, kann Lebensrisiken vermeiden, kann Neues wagen, kann investieren und produktiv sein." Der Auf- und Ausbau der sozialen Sicherungssysteme in Entwicklungsländern sei deshalb "zentraler Schlüssel zur Bekämpfung von Armut".
Roth forderte die Fraktionen auf, gemeinsam die "wahrliche große Herkulesaufgabe" anzugehen. Sie verwies auf das von Weltgesundheitsorganisation WHO und Internationaler Arbeitsorganisation ILO ausgearbeitete Konzept zur Einführung einer sozialen Grundsicherung ("Social Protection Floor"): Dazu gehörten eine Mindestgesundheitsversorgung für alle, Mindesteinkommensgarantien für Kinder, um Kinderarbeit zu verhindern, die Unterstützung für Arme und Arbeitslose und schließlich Mindesteinkommensgarantien im Alter und für Menschen mit Behinderung.
Sabine Weiss von der Unionsfraktion sprach von einem "Horrorszenario"- bestehend aus Jobverlust, Verschuldung und Abstieg in bitterste Armut - das Familien in weiten Teilen der Welt erwarte, nur weil der Haupternährer vorübergehend erkranke. Der Aufbau von "tragfähigen sozialen Sicherungssystemen" sei deshalb ein "zentraler Punkt" in der Entwicklungszusammenarbeit.
Dieser „gigantischer Auftrag“ sei allerdings „ein ganz schöner Brocken“ für die Entwicklungs- und Schwellenländer. „Von schnellen und einfachen Lösungen sollte man nicht ausgehen“, sagte Weiss. Geber- und Nehmerländer bräuchten einen langen Atem. Eine klare Absage erteilte Weiss dem von der SPD ins Spiel gebrachten Instrument der Budgethilfen, also direkten Zuwendungen von Geberländern an Staatshaushalte der Entwicklungsländer.
Dem entgegnete Niema Movassat von der Linksfraktion: "Wer von Partnerschaft auf Augenhöhe spricht, muss den Partnerländern vertrauen". In Ruanda hätten dank Budgethilfen 90 Prozent der Bevölkerung eine Krankenversicherung, die Kindersterblichkeit sei zurückgegangen. Die zentrale Frage sei die ungerechte Verteilung des Reichtums auf der Welt – in Entwicklungs-, aber auch in den Industrieländern.
"Die einen trinken Champagner, die anderen müssen im Müll wühlen – das ist der eigentliche Skandal im 21. Jahrhundert", sagte Movassat. Überdies trage Europa mit seiner Politik des Freihandels Verantwortung für den niedrigen Lebensstandard in Entwicklungsländern. Diese bräuchten die Möglichkeit von Schutzzöllen, um die heimischen Märkte "vor subventionierter Milch und Hähnchenschenkeln aus Europa zu schützen".
Die FDP-Fraktion stellte klar, dass sie die soziale Grundsicherung für Entwicklungsländer unterstütze. "Nur auf dem Weg dorthin haben wir andere Instrumente", sagte die liberale Abgeordnete Helga Daub. Budgethilfen lehne ihre Fraktion ab, diese seien nicht "zielführend". Es gehe in
"Wirtschaftliche Zusammenarbeit und wirtschaftliche Entwicklung in den Partnerländern bringen Arbeitsplätze, Arbeitsplätze bringen Lohn und Lohn wiederum bringt Steuern" und diese seien Voraussetzung für den Auf- und Ausbau von Sicherungssystemen, erläuterte Daub.
Diese Argumentationskette stellte Uwe Kekeritz von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Frage: 16 afrikanische Länder wiesen seit mehreren Jahren ein beachtliches Wirtschaftswachstum auf. "Man kann sagen, Afrika boomt", sagte der Vorsitzende des Unterausschusses "Gesundheit in Entwicklungsländern". Dennoch wachse zugleich die Armut. Das Auseinandergehen der sozialen Schere und "eine dramatische Spaltung der Gesellschaften" betreffe nicht nur Entwicklungsländer sondern auch Wachstumsländer wie China und selbst Industrieländer wie die USA und Deutschland.
"Wer heute noch glaubt, dass der freie Markt irgendetwas etwas reguliert", der habe nichts kapiert. Kekeritz plädierte für das Modell des Grundeinkommens: Ein großangelegter Versuch in Mexiko habe gezeigt: Die Menschen seien besser ernährt, die Kinder würden häufiger in die Schule geschickt, die Kleinkriminalität sei zurückgegangen, Handwerk und Handel hätten zugenommen. "Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass soziale Sicherung nur ein Kostenfaktor sind", sagte Kekeritz. (ahe)