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Der Passus im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), wonach Beschäftigungszeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres eines Arbeitnehmers angefallen sind, bei der Berechnung der Kündigungsfrist nicht berücksichtigt werden, wird nicht gestrichen. Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen lehnte der Bundestag am Donnerstag, 27. Oktober 2011 Gesetzentwürfe der SPD-Fraktion (17/775) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/657) ab, die die Streichung des Paragrafen 622 Absatz 2 Satz 2 des BGB forderten.
Beide Fraktionen bezogen sich bei ihrer Gesetzesinitiative auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom Januar 2010, wonach der Passus nicht vereinbar mit dem allgemeinen unionsrechtlichen Verbot der Diskriminierung wegen des Alters sei und nicht mehr angewandt werden dürfe.
Nach Ansicht von Peter Weiß (CDU/CSU) gibt es "keinen Grund die Gesetzgebungsmaschinerie anzuwerfen", da das Urteil des EuGH bekannt sei und auch von deutschen Arbeitsgerichten umgesetzt werde. Das Gesetz sei im Jahre 1926 in das BGB nicht etwa aufgenommen worden, um Menschen zu diskriminieren, sagte Weiß. Vielmehr sei es darum gegangen, mögliche Hürden beim Zugang zum Arbeitsmarkt abzubauen.
Der Unionsabgeordnete äußerte Kritik am EuGH, der mit seiner Entscheidung "massiv in unsere innerstaatlichen Kompetenzen, das Arbeitsrecht zu regeln, eingegriffen hat". Hier liege der eigentliche Klärungsbedarf, befand Weiß. Gerade deshalb sei es falsch, ohne jede Not reflexhaft mit einer Gesetzesänderung zu reagieren. "Frei gewählte Abgeordnete des Deutschen Bundestages müssen nicht über jedes Hölzchen springen, das ihnen der EuGH hin hält", sagte der CDU-Politiker.
Auch fast zwei Jahre nach der EuGH-Entscheidung habe Schwarz-Gelb das Urteil nicht ungesetzt, kritisierte Anette Kramme (SPD). Dabei seien die Staaten verpflichtet, ihre Gesetze anzupassen. Die Bundesregierung kündige immer mal wieder eine Änderung an - getan habe sich aber nichts. "Das grenzt an Arbeitsverweigerung", urteilte Kramme. Dabei gehe es lediglich darum, den betreffenden Satz zu streichen. Auch wenn klar sei, dass der Passus nicht mehr angewendet wird, dürfe er nicht im Gesetzbuch stehen bleiben, forderte die SPD-Politikerin. "Es ist wichtig für die Rechtssicherheit, diese rechtswidrige Norm herauszunehmen", sagte sie.
Von Arbeitsverweigerung könne nicht die Rede sein, entgegnete der FDP-Abgeordnete Heinrich Kolb. Schließlich habe die Koalition die Baustellen aufräumen müssen, die von den Vorgängerregierungen hinterlassen worden seien. Auch Kolb verwies auf die eigentliche Intention der Regelung. Die Väter des Paragrafen 622 hätten die Beschäftigungsförderung im Blick gehabt. Ziel sei es gewesen, für mehr Flexibilität zu sorgen, wodurch mehr Arbeitsplätze geschaffen werden könnten. Gleichwohl sehe auch seine Fraktion nach dem EuGH-Urteil einen gewissen Klarstellungsbedarf, "aber nicht nur punktuell". Um nicht immer erst auf europäische Urteile reagieren zu müssen, sollten sämtliche Normen nach eventuellen Diskriminierungen durchforstet werden, forderte Kolb. Dies dürfe jedoch nicht im "Schweinsgalopp" erfolgen.
Über die Problematik junger Menschen im Arbeitsmarkt sprach die Abgeordnete der Linksfraktion, Yvonne Ploetz. Die Situation würde sich durch Leiharbeit, Befristungen und endlose Praktika auszeichnen. So sei es für jungen Menschen unmöglich zu einer Planungssicherheit zu kommen, sagte Ploetz. Statt dagegen vorzugehen, halte die Bundesregierung an einem Gesetz fest, dass nur noch weitere Steine in den Weg lege und zudem auch noch rechtswidrig sei, kritisierte sie. "Junge Menschen", so Ploetz, "sind nicht Arbeitskräfte zweiter Klasse."
Diskriminierungen seien tabu, weshalb das Urteil folgerichtig sei, sagte Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen). Daher müsse der Satz ersatzlos gestrichen werden. Dass die Regelung nicht mehr angewendet werden dürfe, ändere daran nichts. Nicht alle wüssten schließlich von der aktuellen Rechtssprechung des EuGH, sagte Müller-Gemmeke. "Wer kommt schon auf die Idee, dass etwas im Gesetz steht, was rechtswidrig ist." Das sei einem Rechtsstaat nicht würdig, erklärte sie. Auch die Begründung aus dem Jahr 1926 überzeuge nicht. Der Arbeitsmarkt sei flexibel genug. "Wir brauchen mehr Sicherheit für die Menschen", forderte die Grünenabgeordnete. (hau)