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Dieter Berg (Robert-Bosch-Stiftung), Hans-Gert Pöttering (Konrad-Adenauer-Stiftung), Norbert Lammert, José Manuel Barroso, Volker Hassemer (Stiftung Zukunft Berlin) © Konrad-Adenauer-Stiftung
Die Notwendigkeit starker Parlamente in Europa hat Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert in seiner Einführung zur "Europa-Rede" von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwoch, 9. November 2011, in Berlin unterstrichen. Lammert nannte die Europäische Union einen „historisch einzigartigen, beispiellosen und zugleich beispielhaften Weg einer europäischen Gemeinschaft, deren Mitgliedstaaten Souveränitätsrechte übertragen mit dem Ziel, ihre Souveränität zu wahren.“ Allerdings habe diese Übertragung stets eine entscheidende Voraussetzung, die das deutsche Bundesverfassungsgericht in jüngeren Urteilen deutlich markiert habe: „Die Zustimmung des Parlaments, die durch Regierungsvereinbarungen nicht zu ersetzen ist.“
Lammert wies in der Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Robert-Bosch-Stiftung und der Stiftung Zukunft Berlin den Vorwurf zurück, die parlamentarische Mitsprache verzögere oder blockiere europäische Entscheidungen. Das Mandat, das der Deutsche Bundestag mit breiter Mehrheit und nach intensiver Debatte der Bundesregierung auf dem Weg zum jüngsten Eurogipfel mit nach Brüssel gegeben hatte, habe diesen Vorwurf „eindrucksvoll“ widerlegt, sagte Lammert.
„Wir sollten uns weder leichtfertig noch mutwillig an der Verbreitung der Legende beteiligen, dass die Demokratisierung europäischer Entscheidungsprozesse, deren Fehlen wir jahrzehntelang beklagt haben, nun, wo sie stattfindet, eine strukturelle Blockade europäischer Entscheidungsprozesse sei.“
Lammert warnte - wie Barroso - eindringlich vor einem Scheitern der Reformen. Wenn der Integrationsprozess nicht vorankomme, habe „Europa seine Zukunft hinter sich. Und jeder einzelne Mitgliedstaat umso sicherer“, sagte der Bundestagspräsident. Es wäre dies ein Rückfall in einen Zustand des 19. Jahrhunderts: „Die Rivalität von Nationalstaaten, deren Ehrgeiz größer war als ihre Möglichkeiten.“
José Manuel Barroso warnte in seiner "Europa-Rede" vor einer Spaltung der Europäischen Union: „Eine gespaltene Union würde nicht funktionieren“, sagte er. Europa befinde sich an einem Scheideweg: „Entweder wir stehen zusammen oder wir versinken in Bedeutungslosigkeit.“
Die stärkere Zusammenarbeit bei der Wirtschafts- und Finanzpolitik sei wichtig, dürfe jedoch nicht zulasten jener Länder gehen, die nicht oder noch nicht Mitglied des Euroraums sind. Barroso stellte sich damit gegen Pläne der Regierungen der 17 Euroländer, sich mit regelmäßigen Gipfeltreffen eine eigene Struktur zu geben und eine europäische Wirtschaftsregierung neben den EU-Institutionen zu etablieren.
„Die reine intergouvernementale Methode reicht nicht aus“, warnte der Kommissionpräsident. „In Wahrheit ist die Wirtschafts- und Währungsunion letztendlich unvereinbar mit der Logik reiner Zwischenstaatlichkeit: Eine Wirtschafts- und Währungsunion erfordert nämlich Verpflichtungen, Regeln und eine Einhaltung der Verpflichtungen und Regeln, die nicht nur durch Gruppendruck oder die Regierungszusammenarbeit gewährleistet werden kann. Diese Regeln dürfen nicht der instabilen Logik politischer Einflüsse oder Manöver unterliegen oder von Diplomaten oder Politikern in Hinterzimmern ausgehandelt werden“, sagte Barroso.
Die Integration des Euroraums müsse mithilfe der Gemeinschaftsmethode vertieft werden – und nicht an den supranationalen Organen der EU vorbei. Nur diese verfügten über die „Unabhängigkeit und Objektivität“, um zu gewährleisten „dass alle Mitgliedstaaten – innerhalb des Euroraums und auch außerhalb – vor den Verträgen gleichbehandelt werden“, sagte Barroso. Genau darin liege die Bedeutung der Rolle der Kommission als Wirtschaftsregierung der Europäischen Union.
Eine Vertiefung der Integration müsse zudem mit mehr Demokratie einhergehen, sagte der Kommissionspräsident. Die Globalisierung und die Eurokrise würden die Grenzen der Demokratie aufzeigen, wo sie auf den Nationalstaat beschränkt bleibt.„Wenn wir die Demokratie in einer globalen Welt erhalten wollen, müssen wir die Demokratie des Nationalstaates um die Demokratie in der Europäischen Union ergänzen. Tun wir dies nicht, übergeben wir die materielle Souveränität den Märkten, den Finanzinvestoren und sonstigen globalen Akteuren, die keinerlei demokratischer Kontrolle unterliegen“, sagte Barroso. (ahe)