Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > April 2012 > Banken wehren sich gegen gesetzliche Pflicht eines Girokontos für jedermann
Grundlage der Anhörung war ein Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Empfehlungen des Zentralen Kreditausschusses (heute: Deutsche Kreditwirtschaft) zum Girokonto für jedermann (17/8312). Darin ist von weiterhin dringendem Handlungsbedarf für die Kreditinstitute die Rede. Die Kreditwirtschaft habe weder die Empfehlung für ein Girokonto für jedermann in eine Selbstverpflichtung umgewandelt noch habe sie die Schlichtungssprüche ihrer Schiedsstellen für die Mitgliedsinstitute für verbindlich erklärt. Nach der Empfehlung kann ein Kunde ein Girokonto unabhängig von Art und Höhe seiner Einkünfte und auch bei schlechten Schufa-Einträgen erhalten. Der Kunde erhält damit die Möglichkeit zur Entgegennahme von Gutschriften, zu Ein- und Auszahlungen in bar sowie zur Teilnahme am Zahlungsverkehr. Es gibt inzwischen etwa 2,5 Millionen dieser Konten. Bei der von der Europäischen Kommission genannten Zahl von 670.000 Kontolosen in Deutschland handelt es sich nach Auffassung der Regierung aber allenfalls um eine „äußerst grobe Schätzung“. In der Anhörung ging es ebenfalls um drei Anträge der Oppositionsfraktionen SPD (17/7823), Die Linke (17/8141) und Bündnis 90/Die Grünen (17/7954), in denen das Recht auf ein Guthabenkonto beziehungsweise die gesetzliche Verankerung des Girokontos für jedermann verlangt werden.
Die Kreditwirtschaft bezweifelte die Richtigkeit der genannten Zahlen und auch der EU-Schätzung. Die Behauptungen in dem Regierungsbericht über unzureichende Informationen über Beschwerdeverfahren hielt sie für unbegründet. Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zu Zahlungsanweisungen an kontolose Empfänger seien nicht berücksichtigt worden. Es handele sich demnach um vielleicht 2.500 Personen. „Dieser Wert dürfte viel näher an der tatsächlichen Zahl der von unfreiwilliger Kontolosigkeit betroffenen Bürger liegen als die sonstigen nicht repräsentativen Hochrechnungen, auf die im Bericht abgestellt wird“, so die Kreditwirtschaft.
Die Bundesagentur für Arbeit setzte sich auch wegen der hohen Kosten für Barauszahlungen für eine gesetzliche Regelung ein. Im vergangenen Jahr seien 10,86 Millionen Euro an Entgelten für insgesamt 1,529 Millionen Zahlungsanweisungen zur Verrechnung an Empfänger ohne Bankverbindung angefallen. Diese Zahlungsanweisungen können bei Post oder Postbank zur Auszahlung vorgelegt werden.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)sprach von „Umsetzungsdefiziten“ bei der Empfehlung der Kreditwirtschaft. Zwar lägen keine signifikant hohen Beschwerdezahlen vor, aber man gehe von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus. Eine gesetzliche Regelung wäre zu begrüßen, so die BaFin. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung listete zahlreiche Fälle auf, in denen Banken die Einrichtung eines Girokontos für jedermann verweigert oder erschwert hätten. Die Verbraucherzentrale Bundesverband hielt „nach 17 Jahren erfolgloser, weil unverbindlicher Selbstverpflichtung der Branche“ ein gesetzliches Recht auf ein Girokonto für notwendig. Es gebe mindestens eine halbe Million Betroffene, vermutlich sogar mehr. Die gesetzliche Verpflichtung der nordrhein-westfälischen Sparkassen zur Führung des Girokontos für jedermann hat nach Angaben der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen dazu geführt, dass andere Banken die Einrichtung dieser Konten verweigern würden.
Professor Hugo Grote (RheinAhrCampus der Fachhochschule Koblenz in Remagen) empfahl eine Pflicht der Banken, Konten für jedermann einzurichten: „Insofern scheint ein Handeln des Gesetzgebers in Form eines Kontrahierungszwangs aufgrund der Güterabwägung nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern auch verfassungsrechtlich geboten.“ Auch Professor Wolfhard Kohte (Universität Halle) empfahl gesetzgeberisch Maßnahmen. Der Weg, sich auf die Selbstverpflichtung der Banken zu verlassen, „hat sich als eine Sackgasse erwiesen“. Professor Matthias Caspar (Universität Münster) hielt einen Kontrahierungszwang dagegen für begründungsbedürftig und empfahl statt dessen eine bessere Ausgestaltung der bisherigen Selbstverpflichtung.
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