Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > Juni 2012 > Experten uneinig über Sicherungsverwahrung
Anlass waren ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/9874) sowie jeweils ein Antrag der SPD-Fraktion (17/8760) und der Linksfraktion (17/7843). Im Mai 2011 hatte das Bundesverfassungsgericht einer Beschwerde von vier Sicherungsverwahrten stattgegeben und alle geltenden Vorschriften für verfassungswidrig erklärt. Bis Juni 2013 muss der Gesetzgeber nun eine neue Regelung suchen, heißt es in dem Karlsruher Urteil. Für sogenannte Altfälle gelten derzeit Übergangsregelungen. Die Karlsruher Richter sahen in dem bestehenden Gesetz unter anderem eine Verletzung des Freiheitsgrundrechts und des Vertrauensschutzgebots und forderten eine völkerrechtsfreundlichere Auslegung des Grundgesetzes. Im Zentrum des Regierungsentwurfs steht deshalb das sogenannte Abstandsgebot. Danach müssen die Unterbringungsbedingungen in der Sicherungsverwahrung gegenüber den Haftkonditionen deutlich verbessert werden. Die SPD-Fraktion will die Sicherungsverwahrung auf schwerste Gewalt- und Sexualtaten beschränken und zudem eine nachträgliche Therapieunterbringung ermöglichen. Die Linksfraktion fordert die Einsetzung einer Expertenkommission.
Neun Experten legten deshalb in der Anhörung ihre Positionen dar: Dr. Ralf Peter Anders, Oberstaatsanwalt beim Landgericht Lübeck und Privatdozent an der Fakultät für Rechtswissenschaften der Universität Hamburg; Peter Aspiron, Diplompädagoge und Supervisor aus Freiburg im Breisgau; Konrad Beß, Richter am Oberlandesgericht München und Leiter der Zentralen Koordinierungsstelle Bewährungshilfe der bayerischen Justiz; Dr. Johannes Endres, Diplom-Psychologe und Leiter des Kriminologischen Dienstes des bayerischen Justizvollzugs, von der Justizvollzugsanstalt Erlangen; Professor Dr. Jörg Kinzig, Direktor des Instituts für Kriminologie und Inhaber des Lehrstuhls für Kriminologie, Straf- und Sanktionsrecht aus Tübingen; Thomas König, Regierungsdirektor und stellvertretender Leiter der Justizvollzugsanstalt Werl; Dr. Jens Peglau, Richter am Oberlandesgericht Hamm; Professor Dr. Henning Radtke, Direktor des Kriminalwissenschaftlichen Instituts der Leibniz Universität Hannover und Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Internationales Strafrecht sowie Dr. Stefan Weismann, Präsident des Landgerichts Aachen.
Konrad Beß beispielsweise befürwortete die Sicherungsverwahrung. Er argumentierte, dass oftmals die „Störung der Sexualpräferenz“ erst in der Haft deutlich werde, nachdem das Strafmaß ja bereits festgelegt worden sei. Ähnlich argumentierte auch Thomas König. Henning Radke vertrat die Ansicht, dass eine „Abschaffung der Sicherungsverwahrung nicht richtig“ sei. Johann Endres befürwortete den Gesetzentwurf der Bundesregierung aus der Perspektive seiner praktischen Arbeit heraus. Peter Aspiron dagegen erklärte, dass er in seiner 16-jährigen Arbeit als Bewährungshelfer immer wieder auf Diskriminierung von Sicherungsverwahrten in der Bevölkerung gestoßen sei. Ihnen sei es auch nicht möglich, eine Wohnung anzumieten. Jörg Kinzig führte an, dass die Sicherungsverwahrung eine „Haft für noch nicht begangene Straftaten“ sei. Der Gesetzentwurf berge ein hohes Risiko, in Straßburg abgewiesen zu werden. Stefan Weismann betonte, dass aber „auch die Sanktionsmöglichkeit der nachträglichen Therapieunterbringung“ nötig sei.
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