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Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 15. Februar 2010),
- bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung –
Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) drängt die SPD, bei der angestrebten Grundgesetzänderung zur Neuordnung der Jobcenter mitzuziehen. Der Vorschlag der Union nutze „allen: den Langzeitarbeitslosen, den Beschäftigten in den Jobcentern, der Bundesagentur für Arbeit, aber vor allem auch den Kommunen“, sagte Kauder der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 15. Februar). Auch dem Bund sichere dieser „Vorschlag der Vernunft“ den „notwendigen Einfluss, da er das Geld gibt“. Die SPD werde sich „diesem Paket nicht entziehen können, es sei denn, ihr geht es nicht um die Sache“. Für eine Verfassungsänderung ist die Regierungskoalition in Bundestag und Bundesrat auf die SPD angewiesen.
Bislang arbeiten Kommunen und Arbeitsagenturen in 346 Jobcentern bei der Betreuung von Langzeitarbeitslosen zusammen. Das Bundesverfassungsgericht hatte diese Form der Zusammenarbeit aber im Jahr 2007 als unzulässige Mischverwaltung für grundgesetzwidrig erklärt und dem Bund bis Ende 2010 eine Frist für eine Neuregelung gesetzt.
Zu der ebenfalls von den Karlsruher Richtern geforderten Reform der Hartz-IV-Sätze sagte Kauder: „Billiger wird es sicher nicht.“ Er sprach sich dafür aus, die Unterstützung insbesondere der Kinder in Hartz-IV-Familien teilweise auf Sachleistungen umzustellen. „Ich kann mir ein System von Regelsätzen und Einmalleistungen vorstellen, wie wir es in der alten Sozialhilfe hatten“, sagte Kauder. Als Beispiel nannte er Angebote wie Nachhilfe.
Spekulationen über eine schwarz-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen nach den Landtagswahlen im Mai erteilte Kauder eine klare Absage. Seine Partei kämpfe im bevölkerungsreichsten Bundesland „um einen Wahlsieg der christlich-liberalen Koalition“, sagte der CDU-Politiker. Auch wolle die Union die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat „auf keinen Fall verlieren.
Das Interview im Wortlaut:
Herr Kauder, haben Sie sich heute schon über die FDP aufgeregt?
Überhaupt nicht. Die FDP ist mein Wunschkoalitionspartner. Wir haben bereits wichtige Projekte gemeistert. Ich erinnere an das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das die Bürger dieses Jahr um rund 21 Milliarden Euro entlastet, und an die Neuausrichtung des Afghanistan-Einsatzes.
Die FDP streut aber gerade den Verdacht, die Union peile in Nordrhein-Westfalen Schwarz-Grün an. Damit wäre die Bundesratsmehrheit für die Regierung passé und die Union könnte die FDP bei ihren allzu forschen Reformwünschen ausbremsen.
Wir haben in vielen Ländern Koalitionen mit der FDP. Die Mehrheit im Bundesrat wollen wir auf keinen Fall verlieren. Die Kräfteverhältnisse dort sind für jede Bundesregierung von großer Bedeutung. Wir kämpfen in Nordrhein-Westfalen um einen Wahlsieg der christlich-liberalen Koalition.
Es gibt also keine Sehnsucht nach Schwarz-Grün an Rhein und Ruhr?
Wir wollen mit einer Koalition aus CDU und FDP regieren.
Dann erklären Sie uns doch mal, warum Bundesumweltminister Norbert Röttgen auf eine Koalition mit den Grünen hinarbeitet, indem er die Laufzeit von Atomkraftwerken zum Ärger der FDP auf 40 Jahre begrenzen will.
Auch der Bundesumweltminister sagt, dass Kernenergie eine Brückentechnologie ist. Wir werden bis zum September ein Energiegesamtkonzept vorlegen. Darin wird es eine Aussage zu der Länge der Laufzeiten von Kernkraftwerken geben – je nachdem, wie viel Strom aus erneuerbaren Energien und Kohle gewonnen werden kann. Im Augenblick ist es noch zu früh, über konkrete Laufzeiten zu sprechen.
Was ist eigentlich dran an den Gerüchten über einen Putschversuch Röttgens gegen Sie nach der Bundestagswahl?
Der oder die Vorsitzende der Unionsfraktion wird auf Vorschlag der beiden Parteivorsitzenden von CDU und CSU gewählt. Ich habe bei meiner Wahl im September rund 97 Prozent der Stimmen erhalten. Damit ist alles gesagt.
Die Liberalen wollen angesichts schlechter Umfragewerte ihr Steuerkonzept nicht – wie mit der Union vereinbart – im Mai, sondern bereits im April vorlegen. Ärgert Sie das?
Wir haben in der Koalition vereinbart, dass wir über die Einzelheiten der Steuerreform erst nach der Steuerschätzung im Mai miteinander sprechen – noch rechtzeitig vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai. Wir müssen dazu auch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt abwarten. Hintergrund: 100.000 Arbeitslose belasten den Haushalt um zwei Milliarden Euro. Erst aufgrund der Steuerschätzung und der Entwicklung der Beschäftigung wissen wir, wie hoch unsere Spielräume wirklich sind. Dann können wir die Details der Entlastungen bestimmen.
Moment, und warum will sich die FDP dann schon im April festlegen?
Die FDP will nach meinen Informationen ihr bisheriges Steuerkonzept überarbeiten. Die Koalition wird sich aber erst später festlegen. Politik beginnt immer erst mit dem Betrachten der Realität.
Herr Kauder, auch in der Gesundheitspolitik prescht die FDP mit der Forderung nach der Kopfpauschale vor. Die CSU will diese auf gar keinen Fall. Was will denn Ihre Fraktion?
In der Gesundheitspolitik müssen wir jetzt nacheinander verschiedene Schritte unternehmen. Zunächst einmal müssen wir versuchen, jetzt möglichst rasch Kosten einzusparen, etwa bei den Medikamenten. Dann werden wir grundlegende Reformüberlegungen anstellen. Ein Grundsatz wird dabei sein, dass die Lohnnebenkosten nicht steigen dürfen, um die Erholung der Wirtschaft nicht zu gefährden. Zweites Prinzip: Die Gesundheitsprämie muss gerecht ausgestaltet werden. Dazu muss ein Sozialausgleich eingeführt werden.
Sie befürworten die Gesundheitsprämie also noch?
Vernünftig ausgestaltet ist die Prämie der richtige Weg. Und auf die Vernunft wird die Union achten.
Karlsruhe hat der Regierung aufgetragen, bis Ende des Jahres Hartz IV neu zu berechnen.Werden die Sätze steigen?
Das Bundesverfassungsgericht hat nicht die Höhe der Sätze in Frage gestellt, sondern die Art und Weise, wie diese ermittelt werden. Dabei müssen nicht höhere Regelsätze herauskommen.
Also wird das Ganze für den Staat nicht teurer?
Billiger wird es sicher nicht. Aber um wie viel es teurer wird, kann ich nicht voraussagen. Ich kann mir ein System von Regelsätzen und Einmalleistungen vorstellen, wie wir es in der alten Sozialhilfe hatten. Damals gab es die Hilfe zum Lebensunterhalt und die Hilfe in besonderen Lebenslagen. Bei den Hartz-Reformen wurde dann eine Pauschalierung vorgenommen. Gerade in Hinblick auf die Kinder habe ich schon vor dem Urteil hier Zweifel angemeldet. Ihre Unterstützung muss viel stärker der konkreten Lebenssituation angepasst werden. Auch über Sachleistungen. Warum sollten wir nicht über Angebote wie Nachhilfe nachdenken?
Wenn die Hartz-IV-Sätze für Kinder steigen, erhöht sich das Familieneinkommen insgesamt.Lohnt sich Arbeiten dann überhaupt noch?
Das Lohnabstandsgebot ist ein wichtiges Prinzip, das wir strikt zu beachten haben. Der, der arbeitet, soll mehr haben als der, der Hartz IV bezieht. Das ist ein Grundsatz für die hier anstehende Reform.
Die Regierung muss auch die Jobcenter reformieren. Warum will die Unionsfraktion jetzt eine Grundgesetzänderung, die sie vor einem Jahr noch abgelehnt hat?
Wir haben uns damals nicht grundsätzlich gegen eine Grundgesetzänderung ausgesprochen. Wir wollten aber, dass den Kommunen eine starke Rolle bei der Betreuung von Langzeitarbeitslosen zukommen kann. Das war mit der SPD nicht möglich. Darum haben wir widersprochen. Jetzt haben wir uns mit den Ministerpräsidenten auf eine Lösung im Sinne der Städte und Gemeinden verständigt. Nach unseren Vorstellungen werden die Kommunen nun immer die Aufgabe übernehmen können, wenn sie wollen. Außerdem werden die bestehenden Arbeitsgemeinschaften von Bundesagentur für Arbeit und den Kommunen fortgeführt werden können.
Wie wollen Sie die SPD für den neuen Anlauf zu einer Verfassungsänderung in Ihrem Sinne gewinnen?
Es ist ein Vorschlag der Vernunft. Er nutzt allen, den Langzeitarbeitslosen, den Beschäftigten in den Jobcentern, der Bundesagentur für Arbeit, aber vor allem auch den Kommunen. Auch dem Bund sichert er den notwendigen Einfluss, da er das Geld gibt. Die Rechts- und Fachaufsicht liegt bei ihm. Die SPD wird sich diesem Paket nicht entziehen können, es sei denn, ihr geht es nicht um die Sache.
Wo genau verläuft Ihre rote Linie?
Überlegungen zu roten Linien sind nicht hilfreich. Wir wollen schnelle Verhandlungen.
Herr Kauder, womit sollen die Bürger in zehn Jahren Ihre Koalition verbinden?
Wir werden als die Koalition wahrgenommen werden, die das Land aus der Finanz- und Wirtschaftskrise herausgeführt und neue Chancen für die Bürger eröffnet hat. Die Bevölkerung wird wissen, dass sich Leistung nun mehr lohnt als früher und Aufstieg durch Bildung erreicht werden kann.
Wie wollen Sie das durchsetzen, Bildung ist doch Ländersache?
Der Bund ist zuständig für die Jugendhilfe. Bundesmittel könnten zum Beispiel für eine bessere Schulsozialarbeit eingesetzt werden.
Das Interview führten Michaela Hoffmann und Monika Pilath.
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