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Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 5. Dezember 2011)
– bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung –
 Die Patienten müssen sich möglicherweise auf Änderungen bei der Praxisgebühr einstellen. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Jens Spahn (CDU), sagte der Wochenzeitung „Das Parlament“, die Praxisgebühr erfülle ihre „Steuerungsfunktion offenkundig nicht ausreichend, nämlich ein Nachdenken darüber zu befördern, ob ein Arztbesuch wirklich notwendig ist“. Spahn sprach sich dafür aus, dass sich die Koalition „das Thema Praxisgebühr noch in dieser Legislaturperiode“ vornimmt. Er fügte hinzu, die Deutschen gingen „sehr viel zum Arzt, im Schnitt 18 Mal“ pro Jahr. „Auch darüber wird man reden müssen“, sagte der CDU-Abgeordnete mit Blick auf die Diskussion um lange Wartezeiten gesetzlich Krankenversicherter auf einen Facharzttermin.
Spahn sagte, das Problem langer Wartezeiten lasse „sich nicht mit dem Hammer lösen“, denn es habe „vielschichtige Ursachen“. „Das eine sind die Honorare, da gehen wir ran“, betonte der Gesundheitsexperte der Unions-Fraktion. Es dürfe für einen Arzt eben nicht attraktiv sein, besonders viele leichte Fälle besonders oft einzubestellen, sondern es müsse sich lohnen, „die schweren Fälle zu behandeln“. Zudem müsse sich die Vernetzung zwischen den behandelnden Ärzten verbessern. Mit dem in der vergangenen Woche vom Bundestag beschlossenen Versorgungsstrukturgesetz werde Kassen und Ärzten aufgegeben, sich auf zeitliche Fristen zu einigen und gegebenenfalls Sanktionen einzubauen, wenn diese überschritten würden.
Die Kritik der Opposition, zu wenig gegen ärztliche Überversorgung zu tun, wie Spahn zurück. In überversorgten Gebieten könnten „die kassenärztlichen Vereinigungen künftig Arztsitze aufkaufen“, wenn ein Mediziner seine Praxis aufgibt. Eine Aufkaufpflicht lehnte der CDU-Gesundheitspolitiker ab.
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Das Interview im Wortlaut:
Der Landarzt soll nicht nur in einer idyllischen Vorabendserie im Fernsehen für die Menschen da sein. Das hat Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr als Leitlinie für das vom Bundestag beschlossene Versorgungsstrukturgesetz genannt. Herr Spahn, wie will die Koalition die ärztliche Versorgung auf dem Land verbessern?
Schon heute müssen Menschen auf dem Land weite Strecken bis zum nächsten Arzt zurücklegen. Aber auch in den Städten gibt es erhebliche Unterschiede. So haben Sie etwa in Berlin-Neukölln große Schwierigkeiten, einen Kinderarzt zu finden, wohingegen in Charlottenburg viel mehr Kinderärzte als benötigt vorhanden sind. Diese Ungleichverteilung fällt statistisch bisher nicht auf, weil große Städte und Landkreise bisher meistens einen Planungsbezirk bilden. Das wird sich ändern. Wir sorgen dafür, dass die Bedarfsplanung kleinräumiger, zielgenauer und damit an den Bedürfnissen der Versicherten orientiert wird. Dazu zählt auch, dass künftig die demografische Entwicklung berücksichtigt wird.
Schon heute müssen insbesondere in einigen ländlichen Gebieten Hausarztpraxen schließen, weil kein Nachfolger zu finden ist. Wie wollen Sie das ändern?
In Gebieten, in denen die gesundheitliche Versorgung nicht ausreicht, können Ärzte künftig mehr Geld verdienen. Außerdem verbessern wir die Arbeitsbedingungen. So fällt die Residenzpflicht weg: Ein Hausarzt kann künftig etwa am Stadtrand wohnen und auf dem Land seine Praxis haben. Ein Landarzt wird künftig auch nicht jedes Wochenende Bereitschaftsdienst haben. Das ist vor allem für Ärzte mit Familien ein wesentlicher Punkt.
Rechnen Sie damit, dass sich junge Mediziner künftig in ausreichender Zahl als Landarzt niederlassen?
Nach wie vor gibt es eine große Begeisterung für den Arztberuf. Das sieht man schon daran, dass es deutlich mehr Studienplatzbewerber als Medizinstudienplätze gibt. Es mangelt aber möglicherweise daran, während des Studiums Erfahrungen in Landarztpraxen zu sammeln. Das wollen wir ändern. Wir überarbeiten dazu gerade die Approbationsordnung für Ärzte. Grundsätzlich gestärkt werden soll auch die allgemeinmedizinische Ausbildung.
Was müssen die Länder ergänzend zum Versorgungsstrukturgesetz unternehmen, um mehr Ärzte aufs Land zu locken?
Die Länder müssen bei der Studienplatzvergabe neben der Abiturnote weitere Kriterien berücksichtigen, also beispielsweise praktische Erfahrungen als Krankenpfleger oder Rettungssanitäter. Außerdem muss überprüft werden, ob die Zahl der Medizinstudienplätze insgesamt, insbesondere aber mit der Fachrichtung Allgemeinmedizin, erhöht werden kann.
Die Opposition kritisiert, dass Sie zu wenig gegen die Überversorgung vor allem in einigen Großstädten macht. Sind Sie vor der Ärztelobby eingeknickt?
Nein. Wir tun ja was gegen Überversorgung. Wenn wir eine neue Bedarfsplanung haben, wissen wir genauer, wo tatsächlich eine Überversorgung besteht. Dort werden die kassenärztlichen Vereinigungen künftig Arztsitze aufkaufen können, wenn ein Mediziner seine Praxis wegen Alter, Krankheit oder sonstiger Gründe aufgibt. Diese Praxen verschwinden dann vom Markt und Überversorgung verfestigt sich nicht. Das ist für viele Ärzte erst einmal eine Zumutung.
Anders als zunächst geplant wird es für die kassenärztlichen Vereinigungen aber kein Vorkaufsrecht für frei werdende Arztsitze geben.
Das hätte in der Praxis zu großen organisatorischen und juristischen Problemen geführt. Die jetzt gefundene Lösung setzt früher an: Will ein Arzt seine Praxis aufgeben, muss er dies dem jeweiligen regionalen Zulassungsausschuss mitteilen, in dem die gesetzlichen Krankenkassen und die kassenärztliche Vereinigung sitzen. Der Ausschuss kann dann entscheiden, ob der Arztsitz neu besetzt oder aufgekauft wird.
Warum führen Sie keine Pflicht zum Aufkauf frei werdender Arztsitze ein?
Es geht um die richtige Balance. Ein Beispiel: Ein Gebiet gilt als mit Internisten überversorgt. Zu den Internisten zählt aber auch der einzige Rheumatologe weit und breit. Gibt der seinen Arztsitz auf, sollte dieser im Sinne der Patienten nachbesetzt werden. Bei einer Aufkaufpflicht gäbe es diese Flexibilität nicht.
Das jetzt vom Bundestag verabschiedete Gesetz sieht eine spezialfachärztliche Versorgung für Menschen mit seltenen Erkrankungen vor. Was ist geplant?
Es geht darum, dass Patienten, die eine besonders komplexe Erkrankung haben, also etwa eine Krebserkrankung oder eine rheumatologische Erkrankung mit schwerem Verlauf, die bestmögliche Versorgung erhalten. Neu ist im Kern, dass künftig egal ist, ob diese Behandlung von einem Krankenhaus oder einer Facharztpraxis ambulant durchgeführt und angemessen honoriert wird. Entscheidend wird sein, dass die hohen Qualitätsanforderungen erfüllt sind.
Die Koalitionsfraktionen haben diesen neuen Versorgungsbereich im parlamentarischen Verfahren geändert. Was genau?
Ambulante Operationen werden nicht Bestandteil der spezialfachärztlichen Versorgung. Wir reagieren damit auf Bedenken der Länder, die eine ungesteuerte Mengen- und Kostenausweitung befürchtet haben.
Ist damit die Oppositionskritik hinfällig, das Gesetz trage in erster Linie zur Ärztebeglückung bei?
Es geht darum, die Patienten glücklich zu machen. Und ein Punkt sind Anreize für Ärzte, die Versorgung weiter zu verbessern. Das vorhandene Geld muss besser und zielgenauer als bisher eingesetzt werden. Erstmals seit Jahren beschäftigen wir uns im Gesundheitsbereich nicht mit Kostendämpfungen, sondern mit der Frage, wie sich der Alltag von Patienten verbessern lässt. Ich finde, wir haben gute Antworten gefunden.
Welche Mehrkosten ergeben sich denn aus dem Gesetz?
Ganz genau lässt sich das im Vorhinein nicht beziffern, wir rechnen aber mit Mehrkosten im unteren dreistelligen Millionenbereich.
Müssen sich die Versicherten deshalb auf höhere Zusatzbeiträge einstellen?
Zusatzbeiträge wird es wegen des Versorgungsstrukturgesetzes in größerem Umfang nicht geben.
Viele gesetzlich Versicherte ärgern sich über lange Wartezeiten auf einen Facharzttermin. Was tun Sie dagegen?
Zunächst einmal müssen wir festhalten, dass die Wartezeiten im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich sind. Dennoch gibt es natürlich auch in Deutschland zum Teil zu lange Wartezeiten. Das Problem lässt sich nicht mit dem Hammer lösen, denn es hat vielschichtige Ursachen. Das eine sind die Honorare, da gehen wir ran. Es darf für einen Arzt eben nicht attraktiv sein, besonders viele leichte Fälle besonders oft einzubestellen, sondern es muss sich lohnen, die schweren Fälle zu behandeln. Dann muss sich die Vernetzung zwischen den behandelnden Ärzten verbessern. Wir geben den Kassen und Ärzten jetzt auf, sich auf zeitliche Fristen zu einigen und gegebenenfalls Sanktionen einzubauen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Deutschen sehr viel zum Arzt gehen, im Schnitt 18 Mal im Jahr. Auch darüber wird man reden müssen.
Was meinen Sie damit?
Im Koalitionsvertrag steht noch immer die Bearbeitung der Praxisgebühr. Bislang erfüllt diese die vorgesehene Steuerungsfunktion offenkundig nicht ausreichend, nämlich ein Nachdenken darüber zu befördern, ob ein Arztbesuch wirklich notwendig ist. Ich bin dafür, dass wir uns das Thema Praxisgebühr noch in dieser Legislaturperiode vornehmen.
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