Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Archive > 2010 > Generalaussprache zum Kanzleretat
Im Zuge der Verabschiedung des Etats des Bundeskanzleramtes am Mittwoch, 17. März 2010, hat die Opposition massive Kritik an der Bundesregierung geübt. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Frank Walter Steinmeier sagte: "So schlecht wie derzeit wurde Deutschland sei Jahrzehnten nicht regiert.“ Der Vertrauensvorschuss in die neue Regierung sei schon nach 140 Tagen "verspielt“. Nach Ansicht des Fraktionsvorsitzenden der Linksfraktion, Dr. Gregor Gysi, befindet sich die Bundesregierung in einem "erbärmlichen Zustand“. Renate Künast, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, kritisierte, dass es Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) erneut nicht gelungen sei, "den Sinn ihrer Kanzlerschaft zu begründen“.
Die Kanzlerin sieht hingegen die Regierung als "voll handlungsfähig“ an und betonte, sie stehe trotz der krisenbedingten Rekordverschuldung "aus voller Überzeugung zu dem vorgelegten Haushalt“. In namentlicher Abstimmung billigte der Bundestag den Etat des Kanzleramtes mit 322 Ja-Stimmen bei 268 Nein-Stimmen. Ein Änderungsantrag der Linksfraktion (17/1023) fand keine Mehrheit.
Deutschland stehe vor gewaltigen Herausforderungen, sagte SPD-Fraktionschef Steinmeier. "Wir stecken in der tiefsten Wirtschaftskrise seit 1949.“ In einer solch schwierigen Phase habe Deutschland "eine Regierung, die nicht regiert, die keine gemeinsame Idee und keinen gemeinsamen Willen hat“. Die Regierung zerstöre das Vertrauen in die Politik, sagte Steinmeier und forderte: "So kann das nicht weitergehen.“
Der vorgelegte Haushalt für das Jahr 2010 mit einer Neuverschuldung von über 80 Milliarden Euro sei auch eine Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise, räumte der SPD-Politiker ein. Zugleich kritisierte er, dass die Steuerzahler für die "Gier der Banker“ zur Kasse gebeten würden. An Merkel gewandt sagte Steinmeier: "Stoppen Sie das Tun der Finanzjongleure!“
Auch in diesem Jahr werde man mit den Folgen der Krise, "die uns im vergangenen Jahr einen Wirtschaftseinbruch von fünf Prozent eingebracht hat“, kämpfen müssen, sagte Bundeskanzlerin Merkel. Dennoch sei festzustellen, dass in den 18 Monaten seit dem Ausbruch der Finanzkrise "Wichtiges geschafft wurde“. Die Banken und der Finanzsektor seien stabilisiert worden und der "Einbruch der Realwirtschaft“ sei in seinen Auswirkungen gedämpft worden.
"Die Maßnahmen der Regierung haben Wirkung gezeigt“, sagte Merkel und verwies auf die im europäischen Vergleich nur leicht gestiegene Arbeitslosigkeit in Deutschland. Nun brauche es eine kluge Exit-Strategie aus den Konjunkturprogrammen und eine kluge Wachstumsstrategie. "Die beste Wachstumstrategie ist es, möglichst viele Arbeitsplätze zu schaffen“, betonte die Kanzlerin.
"Deutschland ist der größte Niedriglohnsektor aller Industriestaaten“, kritisierte der Linken-Fraktionschef Gregor Gysi. Ein Viertel der Beschäftigten arbeite in Deutschland zu einem Niedriglohn. Gysi erneuerte daher seine Forderung nach einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. "Sie tun immer so, als würde die Gesellschaft untergehen, wenn wir das machten, was schon 21 Mitgliedsländer der EU getan haben, nämlich einen Mindestlohn einführen“, sagte der Abgeordnete in Richtung Regierungskoalition.
Gysi verwies darauf, dass sich so auch die Kaufkraft erhöhe, was dem Handwerk und den kleinen und mittleren Unternehmen zugute käme. "Eigentlich sind wir die Partei der kleinen und mittleren Unternehmen und nicht die FDP“, sagte Gysi.
Der vorgelegte Haushalt dokumentiere die „Handlungsfähigkeit der Regierungskoalition“, sagte Birgit Homburger, Vorsitzende der FDP-Fraktion. Auch wenn der Haushalt noch von einer "Übergangsstruktur“ geprägt sei, sehe man ihm doch an, dass er eine "andere Schwerpunktsetzung“ habe. "Bei uns stehen die Menschen im Mittelpunkt“, sagte Homburger. Das zeige sich auch bei den im Januar auf den Weg gebrachten Entlastungen der Bürger: "Endlich haben die Familien wieder mehr Geld in der Tasche.“
Außerdem habe man Impulse für Wachstum und Beschäftigung gesetzt. Auf die von der FDP angestoßene "Sozialstaatsdebatte“ eingehend sagte sie, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Sätzen habe "mitnichten die Erhöhung der Regelsätze gefordert“. Diese seien "nicht evident unzureichend“, heiße es in dem Urteil. Der nun von der Opposition erhobenen Vorwurf, die FDP wolle die Sätze absenken, sei falsch, betonte Homburger: "Wir wollen eine neue Balance des Sozialstaates“, sagte sie.
"Fehlende Ziele und Leitbilder“ bei der Bundesregierung beklagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast. Merkel habe "kein einziges klärendes Wort“ zu der "Sozialhetzedebatte“ von Vizekanzler Guido Westerwelle gesagt, ebenso wenig wie über die "Reisetätigkeiten des Außenministers“. Weder zu den Konsequenzen aus der gescheiterten Klimakonferenz von Kopenhagen habe Merkel gesprochen noch über das "Problem“ mit Verteidigungsminister zu Guttenberg.
Zu der Frage der Atomendlager-Problematik sagte Künast, Gorleben sei "politisch verbrannt“. Gebraucht werde nun eine "offene, vergleichende Suche“ nach einem neuen Standort mit einer "ordentlichen Bürgerbeteiligung“.
"Wir machen eine Politik, die von Werten geleitet ist“, betonte der Fraktionsvorsitzende der Union, Volker Kauder. Daher rede die Koalition von "christlich und liberal“. Kauder sagte, die Menschen im Land hätten Sorgen: "Sie fragen: Wie geht es weiter? Wird aus Kurzarbeit Arbeitslosigkeit oder Arbeit?“
Darauf, so Kauder, habe die Bundeskanzlerin "klare Antworten“ gegeben. Es müsse dafür gesorgt werden, dass es Wachstum gebe, denn: "Ohne Wachstum gibt es auch keine Arbeitsplätze.“ Mit dem Haushalt werde alles dafür getan, "dass Wachstum möglich ist“, sagte Kauder.