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Parteispenden, illegale Rüstungsgeschäfte oder Spionageaffären - es waren oft politisch brisante Skandale, mit denen sich parlamentarische Untersuchungsausschüsse seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland befasst haben. Kanzler und Minister wurden ebenso als Zeugen vorgeladen wie Staatssekretäre und andere hohe Beamte. Stets fanden die Sitzungen dieser Gremien große Resonanz in Öffentlichkeit und Medien - schließlich ging es um spannende Enthüllungen. So mancher Politiker räumte lieber schon im Vorfeld seinen Posten. Der bis heute spektakulärste Fall: 1984 trat der damalige Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP) im Rahmen der "Flick-Parteispendenaffäre" zurück - da drohte ihm allerdings neben der Befragung im Ausschuss auch ein Gerichtsprozess.
Insgesamt 39 Untersuchungsausschüsse wurden bislang in der bundesdeutschen Geschichte eingesetzt. Zuletzt beschloss der Bundestag Ende März, dass ein solches Gremium Ungereimtheiten bei der Atomendlagersuche in Gorleben auf den Grund gehen soll.
14 Mal seit 1949 konstituierte sich der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss. Dies geschah immer dann, wenn es um mögliche Missstände in der Bundeswehr oder im Bereich der Geheimdienste ging. So etwa im Jahr 2006: Da begannen die Mitglieder des Verteidigungsausschusses, die Misshandlungsvorwürfe des ehemaligen Guantánamo-Häftlings Murat Kurnaz gegenüber Angehörigen des Kommandos Spezialkräfte (KSK) im "BND-Untersuchungsausschuss" zu untersuchen.
Und auch der zweite derzeit aktive Untersuchungsausschuss, der sich seit Dezember 2009 mit den Luftangriffen auf zwei entführte Tanklaster nahe der afghanischen Stadt Kundus beschäftigt, besteht nur aus Mitgliedern des Verteidigungsausschusses.
Untersuchungsausschüsse sind in Deutschland spätestens seit der Zeit der Weimarer Republik ein fester Bestandteil der parlamentarischen Demokratie und der Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition. Damals reichte bereits ein Fünftel der Abgeordneten aus, um einen solchen Ausschuss zu konstituieren. Heute braucht es die Zustimmung von mindestens einem Viertel aller Bundestagsmitglieder.
Für die nicht an der Regierung beteiligten Parteien ist der Untersuchungsausschuss deshalb eines ihrer wichtigsten Kontrollinstrumente. Manche Politiker, wie etwa der frühere CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz, bezeichneten ihn bisweilen auch als "Kampfinstrument".
Tatsächlich gilt das Gremium als das "schärfste Schwert der Opposition", da auch eine parlamentarische Minderheit gegen die Stimmen der Koalitionsfraktionen das in Artikel 44 des Grundgesetzes verbriefte Untersuchungsrecht des Bundestages nutzen kann.
Das Parlament hat damit die Möglichkeit, unabhängig von anderen Staatsorganen Sachverhalte zu prüfen, die es für aufklärungsbedürftig hält - insbesondere gilt das für Angelegenheiten, die in den Verantwortungsbereich der Regierung fallen und auf mögliche Missstände hinweisen.
Wurde die Arbeit des "Flick-Untersuchungsausschusses" noch durch die hartnäckige Weigerung des Bundeswirtschaftsministeriums erschwert, bestimmte Dokumente herauszugeben, hat das Gremium heute weitergehende Rechte.
Im Juni 2001 trat nach jahrzehntelangem Ringen zwischen Regierung und Opposition das Untersuchungsausschussgesetz in Kraft, in dem erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik die Befugnisse des Ausschusses nicht nur rechtlich fixiert, sondern auch ausgedehnt wurden.
So darf das Gremium jederzeit Akteneinsicht verlangen und Zeugen vorladen. Es ist ihm sogar erlaubt, notfalls das Erscheinen von Zeugen zu erzwingen. Bei einer ungerechtfertigten Zeugnisverweigerung kann der Ausschuss Ordnungsgelder festsetzen und Personen in Haft nehmen lassen. Das Gremium darf sich darüber hinaus auch durch einen Ermittlungsbeauftragten bei der Beweisaufnahme unterstützen lassen.
Nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Werner J. Patzelt hat gerade dies die Aufklärungskapazität des Gremiums "gewaltig gesteigert". Dennoch nutzte erst 2007 ein Ausschuss diese Möglichkeit und ernannte den früheren Bundesdatenschutzbeauftragten Joachim Jacobs zum allerersten Ermittlungsbeauftragten überhaupt.
Trotz dieser gewachsenen Befugnisse wird oft kritisiert, der Aufklärungserfolg der Untersuchungsausschüsse sei gering. Stattdessen überlagerten Parteienstreit und mediales Getöse die Arbeit des Gremiums. Ein Vorwurf, den der Parlamentarismus-Experte Patzelt nur teilweise gelten lassen will: "Natürlich kann ein Untersuchungsausschuss lediglich zum Zweck symbolischer Politik eingerichtet werden, doch er kann auch sehr weitreichende Folgen haben."
Vergessen dürfe man nicht, gibt er zu bedenken, dass ein Untersuchungsausschuss weder ein wissenschaftliches Forschungsprojekt noch ein Gericht sei, vor dem es ausschließlich darum ginge, möglichst objektiv Fakten zu erheben und nach juristischen Gesichtpunkten Recht zu sprechen. "Untersuchungsausschüsse sind politische Gremien, in denen es gerade auch um die politische Beurteilung der Fakten geht", so der Professor von der Technischen Universität Dresden.
Dass es dabei zu unterschiedlichen Bewertungen von Koalition und Opposition komme, sei nur natürlich. "Untersuchungsausschüsse sind eine Fortsetzung des Kampfes zwischen Regierung und Opposition - nur mit anderen Mitteln." Dass beide das Gremium genau dafür nutzten, sei nicht illegitim, sondern schlicht zweckmäßig. Zudem sieht das Untersuchungsausschussgesetz vor, dass abweichende Meinungen im Abschlussbericht als Minderheitenvotum Erwähnung finden.
Jedoch gibt es Fälle, wie etwa der verbotene Verkauf von U-Bootkonstruktionsplänen nach Südafrika ("U-Boot-Untersuchungsausschuss", 1987 bis 1990) oder der mit Wissen des Bundesnachrichtendienstes abgewickelte Plutoniumhandel ("Plutoniumschmuggel-Untersuchungsausschuss", 1995 bis 1998), die nie restlos aufgeklärt worden sind.
Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl schwieg zudem beharrlich vor einem 1999 im Zusammenhang mit der CDU-Parteispenden-Affäre eingesetzten Untersuchungsausschuss. Die Namen der Spender sind bis heute unbekannt. Auch dem ehemaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wurde vorgeworfen, im "BND-Untersuchungsausschuss" (2006 bis 2009) präzise Aussagen zu seiner Rolle als früherer Kanzleramtschef im Zusammenhang mit der Rückkehr des Gefangenen Kurnaz aus Guantánamo verweigert zu haben.
Doch im Juli 2009 bekam das Parlament Schützenhilfe: FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen hatten gegen die eingeschränkten Aussagegenehmigungen für Zeugen im "BND-Ausschuss" sowie die teilweise Sperre von angeforderten Akten geklagt und vom Bundesverfassungsgericht Recht bekommen.
Die Richter rügten die Geheimniskrämerei der Regierung - damals die Große Koalition - und urteilten, sie habe in unzulässiger Weise das Informationsrecht des Bundestages eingeengt. Für künftige Untersuchungsausschüsse wird der Beschluss Auswirkungen haben, ist sich Patzelt sicher. Die Rechte des Parlaments und insbesondere der Minderheit im Untersuchungsausschuss sieht der Politologe gestärkt: "Die Bundesregierung hat ganz klar die Pflicht zur Aufklärung."
Wichtigstes Druckmittel des Gremiums ist es aber, Öffentlichkeit herzustellen. Schon die Androhung, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, könne fruchten, betont Patzelt. Für ihn ist deshalb gerade dessen "Vorauswirkung" zentral: "Die Regierung muss immer damit rechnen, dass die Opposition ihr mit einem Ausschuss zu Leibe rückt, wenn sie auf Anfragen nicht bereit ist, die gewünschte Auskunft zu geben."
Wie durchschlagend der Erfolg eines Untersuchungsausschusses aber letztlich ist, hängt einerseits davon ab, ob er wirkliche Missstände aufdecken kann. Andererseits ist auch entscheidend, welche mediale Aufmerksamkeit diese hervorrufen.
Der Untersuchungsausschuss, der 2005 klären sollte, ob die Visavergabepraxis der rot-grünen Regierung zu Missbrauchsfällen geführt hatte, ist für Patzelt in dieser Hinsicht ein gutes Beispiel: Anfangs sei das Problem unterschätzt worden, so der Professor. Doch habe der Untersuchungsausschuss dem Image des damaligen Außenministers Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) deutlichen Schaden zugefügt: "Seine Teflon-Beschichtung wurde heftig angekratzt!"
Wesentlich öfter als zu personellen führen die Ermittlungen des Gremiums jedoch zu inhaltlichen Konsequenzen. So wie letztlich die Visavergabepraxis geändert wurde, könnte auch der "Kundus-Ausschuss" Reformen in der Bundeswehr anstoßen: "Sollte sich zum Beispiel zeigen, dass die Berichts- und Befehlswege unserer Truppen im Auslandseinsatz schlecht organisiert sind, dann wird als Ergebnis des Berichts mit Sicherheit eine Reorganisation erfolgen", schätzt Patzelt.
Trotz solcher Ergebnisse rät er aber dazu, das Instrument des Untersuchungsauschusses nicht überzustrapazieren. Sonst gehe seine Vorauswirkung, sein Drohpotenzial, verloren. Die Opposition solle sich gut überlegen, wann es sich lohne, ein solches Gremium einzusetzen. "Es wäre doch schade, wenn ihr schärfstes Schwert stumpf würde."